Vita Hannah Arendt
Grundlage dieser Zusammenstellung ist der "Tabellarische Lebenslauf" in:
Hannah Arendt: Ich will verstehen: Selbstauskünfte zu Leben und Werk, mit einer
vollständigen Bibliographie, hrsg. von Ursula Ludz, München-Zürich: Piper (Serie
Piper, 4591), 2005, 7. Aufl. 2013, S. 251-256.
1906, 14. Oktober – Geboren in Hannover als einziges Kind des Ingenieurs Paul Arendt und seiner Frau Martha, geb. Cohn; standesamtlicher Name: Johanna Arendt, nach der Großmutter väterlicherseits (Beide Eltern sind aus Königsberg [Ostpreußen] stammende Juden; Hannah Arendt schrieb einmal, sie sei in einem "typisch deutsch-jüdischen assimilierten Milieu" aufgewachsen.)
1909 Umzug der Familie nach Königsberg
1913 Tod des Großvaters Max Arendt; nach langer Krankheit (progressive Paralyse) Tod auch des Vaters (Martha Arendt heiratet 1920 den Witwer Martin Beerwald, der zwei Töchter: Clara und Eva, mit in die Ehe bringt.)
1913-24 Schulzeit in Königsberg und Berlin, z.T. Selbstunterricht, Teilnahme an Universitätsveranstaltungen, Privatunterricht; 1924 Abitur in Königsberg als Externa
1924-28 Studium der Philosophie (Hauptfach), protestantischen Theologie und griechischen Philologie an den Universitäten Marburg, Freiburg und Heidelberg; Lehrer: M. Heidegger, E. Husserl, K. Jaspers; R. Bultmann, M. Dibelius; O. Regenbogen
1928, November – Promotion (mündliche Prüfung) zum Dr. phil. in Heidelberg; Doktorvater: K. Jaspers; Thema der Dissertation: Der Liebesbegriff bei Augustin (veröff. 1929; Neudrucke 2003, 2006)
1929, September – Heirat mit Günther Stern (Anders) in Nowawes bei Berlin (Die Sterns leben zeitweise in Frankfurt am Main.)
1930-33 Forschungsarbeiten "über das Problem der deutsch-jüdischen Assimilation, exemplifiziert an dem Leben der Rahel Varnhagen", gefördert von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft (1930-31) und einer jüdischen Organisation (1932); erste Publikationen als freie Schriftstellerin
1933, Juli – Verhaftung in Berlin; nach Freilassung Flucht aus Deutschland
1933-40 In Paris; 1937 Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft
1933-37 Tätigkeiten ("Sozialarbeit") im Rahmen zionistischer Politik; Gründerin der französischen Abteilung der Jugend-Alijah (1935); dreimonatiger Aufenthalt in Palästina (1935)
1936, Frühjahr – Begegnung mit Heinrich Blücher
1937-38 Wiederaufnahme der wissenschaftlichen Studien; Fertigstellung des nach der Promotion begonnenen Buches über Rahel Varnhagen (zuerst veröff. in engl. Übers. 1958; dt. 1959); Beginn der Arbeiten an einer Geschichte des Antisemitismus; Vortragstätigkeit
1938-40 Nach den Novemberpogromen 1938 in Deutschland Rückkehr zur "Sozialarbeit"; Aufgabenbereich: "Einwanderung von Kindern und Erwachsenen aus Zentraleuropa nach Frankreich" in Zusammenarbeit mit der Jewish Agency for Palestine, Jerusalem, und französischen Zionisten
1940, Januar – Heirat mit Heinrich Blücher nach Scheidung (1937) von Günther Stern
1940, Mai bis Juni – Fünf Wochen Internierung als "feindliche Ausländerin" im südfranzösischen Lager Gurs; Flucht über Lourdes (Aufenthalt bei alter Benjamin) zu Freunden in Montauban
1941, Januar – Ausreise mit Heinrich Blücher aus Frankreich mit dem Zug über Spanien nach Portugal
1941, Januar bis Mai – Aufenthalt als staatenloser Flüchtling in Lissabon
1941, 22. Mai – Ankunft per Schiff in New York, zusammen mit Heinrich Blücher (Die Mutter, Martha Beerwald, trifft einen Monat später ein und wird bis zu ihrem Tod [27. Juli 1948] mit den Blüchers in New York zusammenleben.)
1941, Mai bis Lebensende – In New York ansässig; seit Dezember 1951 amerikanische Staatsbürgerin
1941-52 Journalistisch-politische und Lehr-Tätigkeit: Veröffentlichungen im Aufbau (2000 gesammelt erschienen) und anderen, inbesondere amerikanisch-jüdischen, Organen; Mitarbeit in der Commission on European Jewish Cultural Reconstruction; Vorlesungen und Vorträge an verschiedenen New Yorker akademischen Einrichtungen
1944-46 Forschungsleiterin bei der Conference on Jewish Relations (Commission on European Jewish Cultural Reconstruction)
1946-48 Lektorin (chief editor) beim Schocken Verlag, New York
1949-52 Geschäftsführerin (executive secretary) der Jewish Cultural Reconstruction, New York
1949-50, November bis März – Erster Europabesuch, im Auftrag der Jewish Cultural Reconstruction: Ausgedehnte Reisen in der BR Deutschland mit Aufenthalt in Berlin, Wiedersehen mit K. Jaspers, M. Heidegger und Freunden/Bekannten aus der Jugend- und Studienzeit
1950, Juni – Beginn der Aufzeichnungen im Denktagebuch, 28 Hefte (bis 1973) werden postum (2002) veröffentlicht
1951 Veröffentlichung von The Origins of Totalitarianism / The Burden of Our Time, dt. Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1955)
1952-53 Freie wissenschaftliche Arbeit, gefördert von der Guggenheim Foundation; Titel des Projekts: "Totalitarian Elements of Marxism"
1952 Heinrich Blücher erhält eine feste Anstellung als Professor für Philosophie am Bard College in Annandale-on-Hudson, New York
1953, Oktober/November – Sechs Vorlesungen im Rahmen der Christian Gauss Seminars in Criticism an der Princeton University; Thema: "Karl Marx and the Tradition of Western [Political] Thought" (teilweise postum veröffentlicht)
1954, März – Dreiteilige Vorlesung an der University of Notre Dame in Notre Dame, Indiana; Thema: "Philosophy and Politics: The Problem of Action and Thought After the French Revolution" (teilweise postum veröffentlicht)
1955, Frühjahr – Gastprofessorin an der University of California, Berkeley; Vorlesung: "History of Political Theory" und zwei Seminare
1955, Herbst – Vortrags- und Ferienreise nach Italien, Griechenland und Israel, in die Schweiz und nach Deutschland (West)
1956, April – Sechs Vorlesungen im Rahmen der Walgreen Lectures an der University of Chicago; Thema: "The Labour of Man's Body and the Work of His Hands" (Es entsteht The Human Condition [1958 veröff.], dt. Vita activa [1960].)
1956, Herbst – Europareise: Studien, finanziert von der Rockefeller Foundation, und Vorträge
1958, April bis Juli – Europareise mit u.a. Vorträgen in Bremen ("Die Krise in der Erziehung"), Zürich ("Freiheit und Politik"), München ("Kultur und Politik")
1958, September – Laudatio auf Karl Jaspers bei Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in Frankfurt am Main
1959, Frühjahr – Gastprofessorin an der Princeton University; Vorlesungen über "The United States and the Revolutionary Spirit" (Es entsteht On Revolution [1963 veröff.], dt. Über die Revolution [1965].)
1959, September – Erhalt des Lessingpreises der Freien und Hansestadt Hamburg
1959, Dezember – Umzug in New Yorks Stadtteil Manhattan: von den Morningside Heights an den Riverside Drive; neue Anschrift (bis Lebensende): 370 Riverside Drive
1960-61 Verschiedene Engagements als Gastprofessorin: Columbia University (Herbst 1960); Northwestern University (Frühjahr 1961); Wesleyan University (Herbst 1961)
1961, April und Juni – Teilnahme am Eichmannprozeß in Jerusalem als "Reporter" für die Zeitschrift The New Yorker
1961 Veröffentlichung von Between Past and Future, einer Sammlung von "Übungen im politischen Denken" (erweiterte deutsche Ausgabe: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, 1994)
1962, März – Krankenhausaufenthalt nach schwerem Unfall im Taxi in New York
1962, Herbst – Gastvorlesungen an der University of Chicago; danach Seminar an der Wesleyan University
1963, Februar – The New Yorker beginnt mit der fünfteiligen Veröffentlichung von "A Reporter at Large: Eichmann in Jerusalem"; Ende März erscheint die Buchausgabe: Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of Evil (dt.: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen, 1964)
1963, Februar bis Juni – Europaaufenthalt, u.a. ausgedehnte Ferienreise mit Heinrich Blücher und Lotte Beradt in Griechenland und Italien
1963-67 Professorin (mit reduzierter Lehr- und Präsenzpflicht) an der University of Chicago, Committee on Social Thought; Vorlesungen u.a.: "Introduction into Politics", "Basic Moral Propositions"; Lehrveranstaltungen an der New School for Social Research, New York, u.a. "Some Questions of Moral Philosophy” (postum [2003] veröff.; dt. 2006)
1964 Aufnahme in das National Institute of Arts and Letters
1965, Herbst – Gastprofessorin an der Cornell University, Ithaca, N.Y.
1967-75 Professorin ("university professor", ebenfalls mit reduzierter Lehr- und Präsenzpflicht) an der Graduate Faculty der New School for Social Research, New York; Vorlesungen u.a.: "Philosophy and Politics", "Kant's Political Philosophy" (postum [1982] veröff.; dt. 1985)
1967, Oktober – Erhalt des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, in absentia
1968 Veröffentlichung von Men in Dark Times, einer Sammlung literarischer Porträts (erweiterte deutsche Ausgabe: Menschen in finsteren Zeiten, 1989)
1969, Februar – Tod von Karl Jaspers
1969, Sommer – Aufenthalt in Europa (mit Heinrich Blücher); mehrere Wochen in Tegna-Locarno, dem Schweizer Urlaubsort (In Tegna, Hotel Casa Barbatè, wird Arendt beinahe in jedem der folgenden Jahre einige Wochen verbringen.)
1970, Oktober – Tod von Heinrich Blücher
1971 "Thinking and Moral Considerations" erscheint (Die Arbeit am zweiten Band der Vita activa, d.i. The Life of the Mind, hat begonnen.)
1971, November – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG 2 BvR 493/66, auch "Lex Arendt" (Wiedergutmachungs- ansprüche können erfolgreich durchgesetzt werden.)
1972, November – Teilnahme an der Konferenz "The Work of Hannah Arendt" an der York University in Toronto, Kanada (Tagungsband veröff. 1979)
1973, April bis Mai – Vorlesungen im Rahmen der Gifford Lectures an der University of Aberdeen, Schottland; Thema: "The Life of the Mind, First Series: Thinking" (veröff. 1978; dt. 1979)
1974, Mai – Fortsetzung der Gifford Lectures; Thema: "The Life of the Mind, Second Series: Willing"; abgebrochen am 10. Mai wegen Herzinfarkt
1974, September – Tod von Wystan H. Auden
1975, April – Erhalt des von der dänischen Regierung verliehenen Sonning-Preises für Beiträge zur europäischen Kultur (Die in englischer Sprache gehaltene Dankesrede wurde 2003 veröffentlicht [dt. 2005].)
1975, Mai – Vortrag "Home to Roost" im Rahmen des Boston Bicentennial Forum, einer Veranstaltungsreihe zur 200-Jahr-Feier der Unabhängigkeit der U.S.A. (veröff. 1976; dt. 1986)
1975, Mai bis September – Europaaufenthalt; Stationen u.a.: Marbach (Deutsches Literaturarchiv), Tegna (Arbeit an The Life of the Mind, Teile "Willing" [veröff. 1978; dt. 1979] und "Judging"), Freiburg (Besuch bei M. Heidegger)
1975, 4. Dezember – Tod durch Herzinfarkt in der New Yorker Wohnung