Die Mikrophysik politischen Protests. Über die Zeit- und Räumlichkeit widerständigen Handelns
DOI:
https://doi.org/10.57773/hanet.v13i1.554Abstract
Im vorliegenden Beitrag wird politischer Protest, das öffentliche In-Erscheinung-Treten und die gemeinsame Artikulation von Dissens, im Anschluss an Hannah Arendts politische Anthropologie als exemplarischer Ausdruck der menschlichen Handlungsbefähigung gedeutet. Unter Bezugnahme auf die temporalen Topoi, die Arendts Denken durchziehen, wird argumentiert, dass die Praxis des Protestierens mit einer zeitlichen Erfahrung verbunden ist, die durch die ‚demonstrative‘ Unterbrechung der (politischen) Alltagszeit und durch sinnhafte Aktualisierungen einer Protestgeschichte konstituiert wird. Mittels eines konzeptionellen Anschlusses an die symbolisch-interaktionistische Zeit- und Handlungstheorie von George Herbert Mead und auf Grundlage ethnographischer Beobachtungen jüngerer Protestereignisse wird gezeigt, dass in der kollektiven Aufführung von öffentlichem Widerspruch eine soziale Zeit entsteht, die einerseits eine gemeinsame Welt stiftet und andererseits deren temporale Pluralität sichtbar macht. Diese zeittheoretische Deutung wird zudem um eine raumtheoretische erweitert, indem die moderne Stadt als eine raumzeitlich spezifische Vergesellschaftungsform betrachtet wird, die aufgrund ihrer Größe, Dichte und Heterogenität besondere Möglichkeiten für Proteste bereitstellt und so besehen von herausragender Bedeutung für ein freiheitlich-republikanisches Politikverständnis ist.
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