Ausgabe 1/2, Band 6 – November 2011
Eichmann, Arendt und das Theater in Jerusalem
Zur Semantik des Theaters in der Rezeption des Eichmann-Prozesses
Mirjam Wenzel
Literaturwissenschaftlerin und Leiterin der Medienabteilung am Jüdischen Museum Berlin
Der Prozess gegen Adolf Eichmann im Jahr 1961 fand im Jerusalemer Beit Ha’Am statt – einem Theaterraum mit Bühne und Zuschauerrängen, der eigens für diese Zwecke in einen Gerichtssaal mit einer Glasbox für den Angeklagten, einem Podest für die Richter, Protokollanten und Übersetzer, einem Zeugenstand und einer Verschalung für vier versteckte Kameras umgebaut wurde. Nicht nur der Ort, sondern auch der Ablauf des Verfahrens erinnerten zeitgenössische Beobachter und Kommentatoren – unter diesen Hannah Arendt und Susan Sontag – an zentrale Paradigmen des Theaters. Dementsprechend prägten bestimmte Vorstellungen aus der theatergeschichtlichen Tradition wie etwa die der Katharsis und Begriffe wie Bühne, Regisseur, Rolle und Zuschauer die Wahrnehmung des Prozesses. Dieser Essay zeichnet die Semantik von Theater und Gericht in der Rezeptionsgeschichte des Eichmann-Prozesses nach und konzentriert sich dabei auf Texte und Filme, die sich mit dem Verfahren selbst auseinandersetzen: den Prozessbericht von Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem (1963), die Filme Verdict for Tomorrow von Leo Hurwitz (1961) und Un Spécialiste von Eyal Sivan und Rony Brauman (1999) sowie die Videoinstallation “Criminal Case 40/61: Reverb” von Andrea Geyer (2009).
Yasco Horsman kommentiert diese theatrale Inszenierung des Gerichts zu Beginn von Arendts Prozessbericht mit den Worten:
Die Affinität des Eichmann-Prozesses zum Theater fiel nicht allein Hannah Arendt, sondern auch Susan Sontag auf, die in ihrem Essay über Rolf Hochhuths Drama Der Stellvertreter schrieb:
Die ‚provisorische Neutralität’ des Prozesses gegen Adolf Eichmann führte nach Ansicht Sontags dazu, dass die Urteilsverkündung nicht als tragischer Höhepunkt oder als Lösung der dramatischen Spannung wahrgenommen wurde. Das moralische Gebot, Eichmann als schuldig zu verurteilen, und die nüchterne juristische Form wiesen die theatralische Sehnsucht nach einem kathartischen Akt also von vornherein in die Schranken.
Ganz im Sinne dieser Beschreibung von Brechts epischem Theater konzentriert sich Ein Bericht von der Banalität des Bösen auf die Rekonstruktion der Tat Adolf Eichmanns. Arendt eruiert deren Umstände und porträtiert den Angeklagten nicht etwa als monströsen Charakter, sondern als Typus eines modernen Schreibtischtäters, der unter den Bedingungen totalitärer Herrschaft weit verbreitet ist. Sie betont den exemplarischen Charakter des Verfahrens und bemüht sich darum, moralische und juristische Maßstäbe zu finden, mit denen das Ereignis des Holocaust und die Verhaltensweise Eichmanns adäquat erfasst werden könnten.
Sie beruft sich dabei auf folgende Worte des Vorsitzenden:
Arendt erhebt die Frage des emotionalen Abstands zum Geschehen nicht nur zu einem gerechten Anliegen, sondern auch zum Dreh- und Angelpunkt der eigenen Darstellung. Sie nimmt damit folgende Überlegungen von Peter Weiss zum Dokumentartheater gewissermaßen vorweg:
Arendts posthum an Eichmann gerichtetes Urteil entscheidet über dessen Unfähigkeit, zwischen Recht und Unrecht zu differenzieren, indem es herausstellt, dass der Angeklagte als Vollstrecker eines massenhaft ausgestellten Todesurteils operierte. Es unterstreicht, dass eine Versöhnung mit dem Angeklagten unmöglich sei, weil dieser jegliche Solidarität zwischen den Menschen aufgekündigt habe. Und es schließt den dialektischen Prozess der Urteilsfindung ab, in den die Leser im Verlauf ihrer Lektüre involviert werden.
Das textuelle Gerichtsverfahren, das Arendts Prozessbericht in Szene setzt, beginnt und endet nicht nur mit einer performativen Doppelung von Anfang und Ende eines Prozesses. Es gleicht einem Dokumentarstück, das seine Zuschauer, die Leser, in einen Prozess der Urteilsbildung involvieren will und nicht nur sachlich und unparteiisch, sondern auch in besonderem Maße der Gerechtigkeit verpflichtet zu sein meint.
Der Film Un Spécialiste: Portrait d’un Criminel Moderne von Eyal Sivan und Rony Brauman, der 1999 zum ersten Mal auf der Berlinale gezeigt wurde, bezieht sich im Abspann explizit auf Arendts Prozessbericht. Er besteht ausschließlich aus historischem Material, nämlich den filmischen Aufzeichnungen, die während des Prozesses von vier Kameras unter der Regie von Leo Hurwitz aufgenommen wurden und etwa 90 Bänder, also 350 Stunden Videomaterial umfassen. Der Film rekonstruiert nicht etwa die Reihenfolge, in der das Material ursprünglich gedreht wurde, sondern nimmt eine szenische Montage einzelner Ausschnitte vor. Darüberhinaus unterzieht er das dokumentarische Material einer intensiven Nachbearbeitung, indem er nicht nur Farb- und Tonkorrekturen vornimmt, sondern auch Geräusch-, Licht- und Überblendungseffekte einsetzt. Benjamin Robinson beschreibt die Absicht dieses Postproduktionsverfahrens wie folgt:
Un Spécialiste beginnt mit einem Vorspann, in dem die Protagonisten der Handlung namentlich vorgestellt werden:
Adolf Eichmann – Angeklagter, Robert Servatius – Anwalt der Verteidigung, Gideon Hausner – Generalstaatsanwalt, Gabriel Bach, Ya’akov Bar Or – Vertreter der Staatsanwaltschaft, Moshe Landau – Vorsitzender, Richter Benjamin Halevi, Richter Yitzhak Raveh – in einem Film von Eyal Sivan und Rony Brauman.
Dieser der Gattung des Spielfilms entlehnte Auftakt betont nicht nur, dass die im Folgenden zu sehenden Personen eine Rolle spielen, sondern unterscheidet auch zwischen Person und Funktion im Prozess. In dieser Unterscheidung zeigt sich nicht allein der Brecht’sche Gestus der Demonstration, sondern auch ein spezifisches Merkmal des Films, nämlich eine Intervention in die Verlässlichkeit historischer Fakten und Narrative: Der Vorspann unterläuft nicht nur die Differenz zwischen Dokumentar- und Spielfilmkonventionen, Fakt und Fiktion, Geschichte und Gedächtnis. Er suggeriert auch, dass der nun folgende Film – gleich einem Theaterstück – anders hätte besetzt werden, Eichmann also etwa den Generalstaatsanwalt und dieser den Angeklagten hätte spielen können.
Der auf diesen Vorspann folgende Prolog des Films betont eben diese Affinität des Gezeigten zum Theater, indem er zunächst einen Blick auf den menschenleeren Ort der Handlung, das zu einem Gerichtssaal umgebaute Beit Ha’am zeigt und diesen dann sukzessive mit Personen anreichert. Inmitten der nachträglich hinzugefügten Geräusche und Stimmen lassen sich die Aufzählung der fünfzehn Anklagepunkte und die Begriffe „Crimes against the Jewish People“ und „Crimes against humanity“ identifizieren, die von dem ersten O-Ton des Films: dem Ruf der Worte „Beit HaMishpath“ abgelöst werden. Der Einzug der Richter in den Gerichtssaal, der den Prozess wie auch Arendts Bericht eröffnet und dem babylonischen Stimmengewirr im Film ein Ende setzt, wird in Un Spécialiste aus Eichmanns Perspektive wiedergegeben. Der Film unterstreicht damit bereits zu Beginn den Blickwinkel, unter dem das Geschehen im Gerichtssaal thematisiert wird. Denn es sind weniger die Zeugenaussagen, sondern vielmehr der Mann im Glaskasten, der im Zentrum der filmischen Handlung steht. Dementsprechend rekurriert Un Spécialiste vor allem auf Aufnahmen aus dem zweiten Teil des Prozesses, dem Kreuzverhör mit Eichmann, das von der 75. bis zur 109. Sitzung, also vom 20. Juni bis 25. Juli 1961 andauerte. In welchem Maße der Film dabei von dem chronologischen Ablauf des Verfahrens abweicht, wird bereits in der gezeigten Eröffnungssequenz deutlich, die nicht etwa mit der ersten, sondern der siebten Sitzung beginnt, die einleitenden Sätze von Hausners Eröffnungsrede sowie einen Ausschnitt aus seinen Ausführungen während des Kreuzverhörs am 13. Juli 1961 wiedergibt. Dabei unterstreicht – ganz im Sinne Arendts – das Zeitraffer-, Überblendungs- und Verfremdungsverfahren, dem die Rede des Generalstaatsanwalts unterzogen wird, die Theatralik von dessen Auftritt. Der Hauptteil des Films ist in 13 Kapitel untergliedert, die Schuld und Verantwortung Eichmanns erörtern und dabei systematisch auf die verschiedenen Topoi aus Arendts Prozessbericht rekurrieren – wie etwa auf die Frage, ob Eichmann Befehlen gehorcht habe oder aber selbst Befehlsgeber war, inwiefern er ein Gewissen hatte, worin seine spezifische Verantwortung in der Planung der systematischen Ermordung bestand, was seine Sprache und sein Denken kennzeichnete und wie seine Zusammenarbeit mit den so genannten „Judenräten“ aussah. In Ergänzung zu Arendts Beobachtungen im Gerichtssaal hebt der Film dabei das penible bürokratische Denken und Handeln Eichmanns hervor, indem er zeigt, wie dieser während der Verhandlungen mitschreibt, in den Unterlagen blättert, einzelne Aufzeichnungen in den Akten verifiziert und diese dem Gericht entgegenhält.
Auch wenn Un Spécialiste sich weitgehend an die Topoi von Eichmann in Jerusalem hält, unterscheidet sich das Vorgehen des Films dennoch wesentlich von dem textuellen Verfahren Arendts. Dies wird insbesondere am Ende des 13. Kapitels deutlich, das den im Glaskasten sitzenden Eichmann in der Totalen zeigt und in der digitalen Nachbearbeitung des Materials sukzessive alle ihn in umgebenden Accessoires: Tische, Stühle, Mikrophone, Wächter und Akten entfernt. Anstatt das Urteil wiederzugeben oder aber – wie Arendt – dem Ausgang des Prozesses ein eigenes Urteil entgegenzuhalten, stellt das Ende des Films den Täter gewissermaßen frei.
Das ‚historische Schwindelgefühl’, welches Gal Raz als einen Effekt der De-Kontextualisierung beschreibt, korrespondiert mit den Kameraperspektiven, die der Film mit Vorliebe verwendet. Anstatt das Geschehen im Gerichtssaal aus der Sicht der Zuschauer wiederzugeben und damit eben jene Blickachse aufzugreifen, die Arendts Prozessbericht strukturiert, rekurriert Un Spécialiste vor allem auf Aufnahmen, die sich auf der Blickachse zwischen Eichmann, Servatius, Hausner und den Zeugen bewegen. Das Schnitt-Gegenschnitt-Verfahren des Films vollzieht nicht nur eine Gegenüberstellung von Eichmann und Hausner, es strengt darüber hinaus auch einen Vergleich zwischen Körperhaltung und Redeweisen der beiden Personen an. Dieser Vergleich beschränkt sich nicht allein auf das Feld von Ästhetik und Rhetorik, sondern gilt durchaus auch den politischen Systemen, die Eichmann und Hausner repräsentieren.
Der Verzicht auf die Wiedergabe des Urteils, die De-Kontextualisierung von Aussagen und Szenen wie auch der Wegfall jeglichen Hinweises auf die politischen wie historischen Zusammenhänge des Verfahrens, hat nicht nur zur Folge, dass der Film seine Zuschauer mit einem ‚Schwindelgefühl’ entlässt, sondern unterscheidet Un Spécialiste auch von dem Urteilsverfahren, das Arendt in ihrem Prozessbericht anstrengt. Das Theater, als welches der Film des Jerusalemer Prozess wiedergibt, hat im Unterschied zu dem textuellen Verfahren Arendts also keinerlei didaktische Funktion, sondern vielmehr einen denunziatorischen Charakter: Es stellt das Verfahren als Schauprozess dar. Die Abwesenheit jedweder glaubwürdigen dritten Instanz – sei es nun der Richter, der Zuschauer oder ein Kommentator –, die ein Urteil über Eichmann fällen könnte, zeigt darüber hinaus, in welchem Maße die Wahrnehmung des Eichmann-Prozesses von Eyal Sivan und Rony Brauman sich von der zeitgenössischen filmischen Rezeption unterscheidet:
Leo Hurwitz, der unmittelbar nach Ende der Verhandlungen und noch vor der Urteilsverkündung das unter seiner Regie entstandene Material zum ersten zusammenhängenden Kinofilm über den Eichmann-Prozess zusammenstellte, maß nämlich einer dritten Figur, die das Geschehen – ganz im Sinne Brechts – einordnet, eine besondere Bedeutung bei. Sein halbstündiger Dokumentarfilm Verdict for Tomorrow (US 1961) wird von dem Radio- und Fernsehmoderator Lowell Thomas eröffnet, der das dokumentarische Material im Verlauf des Films kommentiert und dabei betont, in welchem Maße das Geschehen im Gerichtsaal der dramatischen Handlung auf einer Theaterbühne gleiche, das es nun mit Hilfe der Kamera zu beurteilen gelte, indem er etwa räsonniert:
Through the eyes of the camera the whole world had a front room seat in the historical courtroom-drama.
Der Film Verdict for Tomorrow nimmt das Urteil im Eichmann-Prozess vorweg, indem er die Kamera zum Ermittler ernennt und Ausschnitte aus dem Gerichtsverfahren mit historischen Dokumentaraufnahmen von den nationalsozialistischen Verbrechen kombiniert. Er ermuntert die Zuschauer im Kinoraum noch vor Ende des Prozesses, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Sich direkt an das Publikum wendend, fragt Lowell Thomas:
What will the verdict be? What purpose has the trial served?... We hope, this has made you stop and think, so as to render your own final verdict.
Im Unterschied zum Vorspann von Un Spécialiste werden Geschichte und Identität der Figuren in Geyers Installation nicht identifiziert. Die Installation überlässt es vielmehr dem Betrachter, in ihnen die Schemen historischer Personen zu erkennen. Dabei fungieren die Mimik, Gestik und Accessoires, mit denen sie dargestellt werden, als Codes, deren Dechiffrierung auf die Bekanntheit des mediatisierten Prozessgeschehens setzt. Dementsprechend lässt sich auch die Rolle des Reporters unschwer einer distinkten historischen Person, nämlich Hannah Arendt zuordnen. Die Videoarbeit zitiert sowohl aus Eichmann in Jerusalem, als auch aus anderen Büchern der Autorin, wie etwa The Origin of Totalitarianism. Sie unterstreicht den deiktischen Gestus der Formulierungen Arendts und stellt diesem die Rhetorik des Richters zur Seite, dessen Ausführungen ebenfalls über die konkrete Situation im Gerichtssaal hinausweisen. Dabei eröffnen die Äußerungen von Reporter und Richter eine gleichermaßen abstrahierende wie auch erklärende Perspektive auf das Prozessgeschehen selbst.
Während Eyal Sivan und Rony Brauman im Vorspann ihres Films zwischen Person und Rolle, Fakt und Fiktion differenzieren, dient das historische Geschehen der Installation von Andrea Geyer lediglich als Referenz. Die dargestellten Personen sind tot und die Archivschränke mit ihren Hinterlassenschaften, dem dokumentarischen Material, das Sivan und Brauman bearbeiteten, verschlossen. Im Unterschied zu Verdict for Tomorrow, Un Spécialiste und Eichmann in Jerusalem geht die Arbeit von Geyer also konsequent davon aus, dass der Holocaust und seine unmittelbare Nachgeschichte vergangen, die Zeitzeugen verstorben sind und ihre Zeugnisse nunmehr als Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses re-inszeniert und verstanden werden müssen. Dies wird bereits im Titel Criminal Case 40/61: Reverb deutlich, der mit dem Ausdruck „Reverb“ (dt.: Hall) unterstreicht, dass das Gezeigte auf Beobachtungen dritter Ordnung basiert, die das historische Geschehen anhand des Archivs, in dem Beobachtungen zweiter Ordnung aufbewahrt werden, zu rekonstruieren und zu verstehen suchen.
Geyers Installation stellt nicht nur einen Nachhall von Geschichte dar, sie nimmt auch ein Re-Enactment von Texten und filmisch dokumentierten Gesten vor, das seinerseits erneut Theater ist und sein will. Die Arbeit transformiert die historischen Aussagen zu prototypischen Sprechakten und unterstreicht deren performativen Charakter. Die inszenierten Figuren handeln, indem sie sprechen. Der Raum, der sich zwischen den sechs Monitoren entfaltet, bildet einen theatralen Ort, an dem Handlungsträger interagieren. Die Installation gleicht also einem Theateraufführung, in deren Zentrum der Betrachter steht, der eben diesen Raum betreten muss, um die Installation wahrnehmen zu können. Der Anfang der Arbeit mit Hannah Arendts Überlegungen zum Verstehen kann deshalb sowohl als ein Motto von „Criminal Case 40/61: Reverb”, als auch als eine Aufforderung an den Betrachter verstanden werden:
Mit dieser Aufforderung spielt die Installation zwar auf den Prozess der Urteilsbildung an, den Arendts Prozessbericht inszeniert, schreibt diesen aber nicht fort. Während Eichmann in Jerusalem sich der Aufgabe widmet, ein adäquates Urteil über die Taten Eichmanns und mithin über Geschichte fällen zu wollen, bildet das historische Geschehen in der Installation von Geier lediglich den Ausgangspunkt einer audio-visuellen Reflexion über den Prozess der Urteilsbildung selbst. Eichmann in Jerusalem und Verdict for Tomorow leiten die Leser und Zuschauer dazu an, eine Lehre aus der Vergangenheit zu ziehen, indem sie den Prozess als Theaterstück wiedergeben. Das Theater, als welches die Sprechakte, die im Zusammenhang mit dem historischen Verfahren getätigt wurden, in Criminal Case 40/61: Reverb inszeniert werden, hat hingegen keinerlei Aufgabe mehr: Es ist bloßes mediales Ereignis.
Anmerkungen
1Eine ausführliche Analyse des im Folgenden skizzierten textuellen Verfahrens von Eichmann in Jerusalem ist im ersten Kapitel meines Buchs Gericht und Gedächtnis: Der Holocaust-Diskurs der sechziger Jahre (Göttingen 2009) zu finden.
2Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. 12. Aufl. München 2003, S. 69.
3Beit Ha’am lässt sich wortwörtlich als „Haus des Volkes“ übersetzen; vergleichbare Multifunktionseinrichtungen befinden sich in mehreren israelischen Städten und werden zumeist als Ausstellungsraum, Theater und Versammlungsort genutzt.
4Ebd., S. 69 f.
5Beit Ha’am lässt sich wortwörtlich als „Haus des Volkes“ übersetzen; vergleichbare Multifunktionseinrichtungen befinden sich in mehreren israelischen Städten und werden zumeist als Ausstellungsraum, Theater und Versammlungsort genutzt.
6Arendt, Eichmann in Jerusalem, S. 71.
7Ebd., S. 69 f.
8Ebd., S. 70.
9Ebd., S. 72.
10Ebd., S. 71.
11Ebd., S. 72.
12Ebd., S. 71.
13Hausner zitiert nach Tom Segev, Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung. Übers. von Jürgen Peter Krause und Maja Ueberle-Pfaff. Reinbek 1995, S. 463.
14Arendt, Eichmann in Jerusalem, S. 336.
15Ebd., S. 71.
16Susan Sontag, „Reflections on The Deputy“. In: Eric Bentley (Hrsg.), The Storm over The Deputy. New York 1964, S. 117–123, hier S. 118.
17Ebd., im Orig.: „the supreme tragic event in modern times“.
18Siehe ebd., S. 119: „it was primarily a great act of commitment through memory and the renewal of grief.“
19Ebd.
20So Moshe Dayan in der öffentlichen Debatte über Israels Waffenverkäufe an Deutschland, die parallel zum Eichmann-Prozess stattfand; zitiert nach Segev, Die siebte Million, S. 487.
21Arendt, Eichmann in Jerusalem, S. 76.
22Der Stellenwert von Brechts dramatischen und lyrischen Arbeiten für die Konzeption von Eichmann in Jerusalem wird nicht nur in dem vorangestellten Motto aus Brechts Gedicht „Deutschland“, sondern auch in folgendem Ausspruch deutlich: „Als ich mein Buch Eichmann in Jerusalem schrieb, hatte ich diese Brecht’schen Zeilen (‚Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch‘ [aus dem Epilog zu Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui]) noch nicht gelesen, ich kannte sie noch nicht. Aber eine meiner Hauptabsichten war, die Legende von der Größe des Bösen, von dessen dämonischer Macht, zu zerstören“ (Arendt, „Fernsehgespräch mit Roger Errera“. In: dies., Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk. Hrsg. von Ursula Ludz. München 1996, S. 116-133, hier S. 131).
23Arendt, „Der Dichter Bertolt Brecht“. In: Die neue Rundschau 61 (1950), S. 53–67, hier S. 61.
24Bertolt Brecht, „Die Straßenszene. Grundmodell einer Szene des epischen Theaters“. In: ders., Schriften zum Theater: Über eine nicht-aristotelische Dramatik. Frankfurt/Main 1993, S. 90–105, hier S. 90 f.
25Ders., „Vergnügungstheater oder Lehrtheater?“. In: ders., Schriften zum Theater, S. 63.
26Arendt, Eichmann in Jerusalem, S. 110.
27So Brechts Bezeichnung für den Zuschauer im epischen Theater; siehe Brecht, „Literarisierung des Theaters. Anmerkungen zur Dreigroschenoper“, in: ders., Schriften zum Theater, S. 29.
28Arendt, Eichmann in Jerusalem, S. 70.
29Ebd., S. 318.
30Ebd., S. 70.
31Ebd.
32Ebd., S. 72.
33Peter Weiss, „Notizen zum dokumentarischen Theater“. In: ders., Rapporte 2. Frankfurt/Main 1971, S. 91–104, S. 91–104, hier S. 100.
34Siehe dazu Niklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft. Frankfurt/Main 1995, S. 16: „[D]ieser Beobachter muß sein Beobachten auf einer Ebene zweiter Ordnung organisieren, will er einem sich selbst in seinen Grenzen bestimmenden Objekt gerecht werden oder dies auch nur als Thema zulassen. Er muß sein Objekt als einen Beobachter beobachten, das heißt: als ein Objekt, das sich selbst an der Unterscheidung von System und Umwelt orientiert.“
35Arendt, Eichmann in Jerusalem, S. 71.
36Cornelia Vissmann, Thomas Weitin, „Einleitung“. In: dies. (Hrsg.), Urteilen / Entscheiden. München 2006, S. 7–16, hier S. 15.
37Arendt an Scholem, Brief vom 20. Juli 1963. In: dies., Nach Auschwitz. Essays & Kommentare 1. Hrsg. von Eike Geisel und Klaus Bittermann. Übers. von Eike Geisel. Berlin 1989, S. 71-79, hier S. 75.
38Arendt, Eichmann in Jerusalem, S. 404
39Benjamin Robinson, „’The Specialist’ on the Eichmann Precedent: Morality, Law, and Military Sovereignity“. In: Critiqual Inquiry 30 (Autumn 2003), S. 63-97, hier: S. 67.
40Siehe u.a. Stewart Tryster, „Der wahre Spezialist“. In: Fritz Bauer Institut, Einsicht 05 (2011) , S. 48-54.
41Gal Raz, „Actuality of Banality: Eyal Sivan’s ,The Spezialist‘ in Context“. In: Shofar. An Interdisciplinary Journal of Jewish Studies 24 (2005), Nr. 1, S. 4-21, hier: S. 11.
42Weiss, „Notizen zum dokumentarischen Theater“, in: ders., Rapporte 2, S. 97.
43Dies wird insbesondere in dem Trailer deutlich, den die Künstlerin zusammen mit Ausschnitten aus den sechs verschiedenen Videos auf ihrer Website veröffentlichte; siehe URL: http://www.andreageyer.info/projects/criminal_case/CriminalCase.htm (4. November 2011)
44Hannah Arendt, The Origins of Totalitarianism. Überarb. Aufl. New York 2004, S. XXVI.