Ausgabe 1, Band 14 – März 2025
Astrid Hähnlein: Urteilen und Ereignis. Zur Theorie politischen Denkens nach Hannah Arendt und Karl Jaspers
Rezension: Astrid Hähnlein: Urteilen und Ereignis. Zur Theorie politischen Denkens nach Hannah Arendt und Karl Jaspers, Basel: Schwabe Verlag, 2023, 237 S., 50,00 EUR.
Astrid Hähnleins Monographie Urteilen und Ereignis stellt einen substanziellen Beitrag zur Forschung im Bereich des politischen Denkens des 20. Jahrhunderts dar. Die Autorin unternimmt eine differenzierte Analyse der Konzeptionen von Hannah Arendt und Karl Jaspers, wobei sie insbesondere die Begriffe des Urteilens und des Ereignisses in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung rückt. Die Arbeit zeichnet sich durch eine präzise Argumentation, eine profunde Kenntnis der Materie und eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der relevanten Forschungsliteratur aus.
Die Monographie untersucht die Frage: Welchen Einfluss hatte Jaspers' Philosophie auf Arendt, und wie hat sie diese in ihr politisches Denken integriert und weiterentwickelt? Anders gefragt: Welche Aspekte jener transzendenzorientierten Existenzphilosophie sind für Arendts politische Theorie von Bedeutung?
Im ersten Kapitel werden die philosophischen Grundlagen bei Arendt und Jaspers dargelegt. Hähnlein arbeitet die jeweiligen Denktraditionen heraus und verortet die beiden Denker im Kontext der philosophischen und politischen Auseinandersetzungen ihrer Zeit. Dieser Teil dient als wichtige Basis für das Verständnis der nachfolgenden Analysen. Der zweite Teil widmet sich dem Begriff des Urteilens. Hähnlein untersucht detailliert, wie Arendt und Jaspers das Urteilen als eine konstitutive Fähigkeit des Menschen im politischen Raum konzipieren. Dabei werden die unterschiedlichen Akzentuierungen beider Denker herausgearbeitet und in einen produktiven Dialog gebracht. Insbesondere Arendts Rekurs auf Kants Ästhetik und Jaspers' Betonung der Kommunikation werden differenziert analysiert.
Im dritten Teil steht der Begriff des Ereignisses im Fokus. Hähnlein analysiert, wie Arendt und Jaspers den Begriff verwenden, um politische Umbrüche, Krisen und Wendepunkte zu beschreiben. Die Autorin zeigt auf, wie das Ereignis nicht nur als ein singuläres Vorkommnis, sondern vielmehr als ein Prozess verstanden werden kann, der das politische Denken und Handeln nachhaltig prägt. Die Verknüpfung von Jaspers' Begriff der Grenzsituationen mit Arendts Konzept der Gründung erweist sich hier als besonders fruchtbar und eröffnet neue Perspektiven auf das Verständnis politischer Transformationen.
Das vierte und abschließende Kapitel widmet sich den Konsequenzen der Analyse für das zeitgenössische politische Denken. Hähnlein argumentiert überzeugend, dass die Konzepte des Urteilens und des Ereignisses auch heute noch von hoher Relevanz sind, um die Herausforderungen der modernen Politik zu verstehen und zu bearbeiten.
Hähnleins Arbeit zeichnet sich durch einen hohen wissenschaftlichen Wert aus. Sie leistet einen originellen Beitrag zur Forschung, indem sie die Verbindungslinien zwischen Arendt und Jaspers aufzeigt und die Bedeutung der Begriffe des Urteilens und des Ereignisses für das politische Denken herausarbeitet. Die Autorin überzeugt durch ihre präzise Argumentation, ihre differenzierte Analyse und ihre profunde Kenntnis der Materie.
Besonders hervorzuheben ist die Aktualität und Qualität der verwendeten Literatur. Die Bibliographie ist umfassend, sorgfältig zusammengestellt und berücksichtigt sowohl klassische Texte als auch aktuelle Forschungsbeiträge. Dies ermöglicht es dem Leser, sich ein umfassendes Bild vom Forschungsstand zu machen und die Argumentation der Autorin im Kontext der wissenschaftlichen Debatte zu verorten. Die bibliographische Sorgfalt unterstreicht den akademischen Anspruch der Arbeit und macht sie zu einem wertvollen Nachschlagewerk für weitere Forschungen.
Urteilen und Ereignis ist eine herausragende Studie, die einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des politischen Denkens von Hannah Arendt und Karl Jaspers leistet. Die Arbeit zeichnet sich durch eine hohe wissenschaftliche Qualität, eine präzise Argumentation und eine umfassende Auseinandersetzung mit der relevanten Forschungsliteratur aus. Insbesondere die Aktualität und die Qualität der Bibliographie sind hervorzuheben. Das Buch ist sowohl für Fachwissenschaftler als auch für ein breiteres Publikum von Interesse, das sich für die Grundlagen politischen Handelns und die Herausforderungen der modernen Politik interessiert.
Raffaele Molisse
Università di Salerno