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Ausgabe 1, Band 14 – März 2025

Das Verhältnis von Arbeit und Welt. Hannah Arendt, Emanuel Levinas, Eugen Fink und Donna J. Haraway im Polylog.

Vanessa Schmitz

vanessa.schmitz.gl@gmx.de

I. Einleitung

Für gewöhnlich gehen wir im Alltag davon aus, dass allgemein bekannt ist, was ‚Arbeit‘ oder auch ‚Arbeiten‘ bedeuten. Ob ‚ich auf der Arbeit war‘, ‚noch so viel Arbeit zu erledigen habe‘ oder auch ‚keine Lust auf die Arbeit habe‘ – stets nehmen wir an, es sei nicht erklärungsbedürftig, worüber wir dadurch sprechen. Doch wenn mir ein anderer Mensch die Frage nach meiner Arbeit stellt, kann das Gerüst ins Wanken geraten. Was soll das überhaupt sein – Arbeit? Inwiefern grenzt sie sich von anderen Grundtätigkeiten unseres Lebens ab und was verstehen wir überhaupt darunter? Welchen Stellenwert nimmt sie in und für mein, und auch unser Leben ein? Inwieweit ist sie ein Zwischenbereich dessen, ‚was man eben so macht, um überleben zu können‘ und der menschlichen Selbstverwirklichung? Geht sie auf in einer monetär fundierten Form der Erwerbsarbeit? Inwiefern steht sie in einem Verhältnis zu dem, was ich und wir als Welt erfahren? Für wen oder was arbeiten und auf wen oder was wirken wir dadurch? In welchen Maße hat Arbeit Anteil an dem, was ich und wir als Wirklichkeit wahrnehmen? Inwieweit wohnt ihr womöglich ein so wirkmächtiges Potenzial inne, dass von ihr aus unsere Wirklichkeitswahrnehmung resp. unserer Umgebung maßgeblich modifiziert werden kann? Diese Fragen sind keineswegs banal für uns, wenn wir uns mit Eugen Fink eingestehen, dass „[d]ie Frage nach der Natur der Arbeit eine Streitfrage [ist], in welcher immer wieder um den Lebenssinn gekämpft wird.“1 Dass diese Frage schließlich eng mit der Frage verwoben ist, wie wir leben können und wollen, zeigt sich vielleicht nicht erst in der heutigen Zeit, aber in dieser insofern in einem ausgezeichneten Sinne, als gerade das im Zuge der Digitalisierung und dem Anspruch der Selbstverwirklichung in der Arbeit (oder auch der Ausbeutung des Arguments der Selbstverwirklichung im Dienste der Arbeit?) zunehmende Verschwimmen der phänomenal miteinander verwobenen Lebensbereiche umso drängender die Frage aufkommen lässt, was wir als Arbeit begreifen, wie wir uns zu dieser verhalten und inwiefern wir sie als Teil des resp. unseres Lebens praktizieren.

Im Fokus des Folgenden steht daher die Frage des Verhältnisses von Arbeit und Welt, die einhergeht mit der Frage des Verhältnisses von Arbeit und unserer Wirklichkeit, insofern Wirklichkeit als jenes Phänomen verstanden wird, das sich aus dem Zusammenwirken diverser Wirkkräfte entfaltet. Um uns der Komplexität dieses Themenfeldes anzunähern, wird mit, gegen und über Hannah Arendt, Eugen Fink, Emmanuel Levinas und Donna J. Haraway hinaus oder auch hinter sie zurück, ein möglicher Blick auf ebenjenes Themenfeld eröffnet. So können wir von den verschiedenen Perspektiven mit ihren je individuellen Schwerpunktsetzungen etwas über das Phänomen der Arbeit lernen und jeweilige Grenzen erkennen, die gerade in der Reflexion mit anderen Perspektiven deutlich werden; schließlich aus diesem Polylog heraus zugleich ein differenzierteres kritisches Verständnis der Arendtschen Auseinandersetzungen mit dem Phänomen und der historischen Entwicklung der Arbeitspraxis gewinnen, um infolge der sich dabei herauskristallisierenden Bedeutung der Arbeit für unser Miteinanderleben sowohl ein adäquates Verständnis ihrer als auch eine neue Praxis zu entfalten. Denn, das kann hier bereits vorweggenommen werden: Arbeit und Leben stehen weder in einem ursprünglichen Widerspruch zueinander noch schließen sie sich notwendigerweise wechselseitig aus, sondern können umgekehrt in einer spannungsreichen Koalition zu einer lebendzentrierten Wirklichkeit beitragen.

Der hier anvisierte Polylog, der die DenkerInnen mit ihren je einzigartigen Schwerpunkten und teils divergenten Thesen über das Nachdenken über die Frage des Verhältnisses von Arbeit und Welt vereint sieht, wird insofern zwischen deren Denkangeboten angesiedelt, als nicht dogmatisch zugunsten des einen oder der anderen eine finale Antwort gegeben wird. Stattdessen wird in einer die Grenzen dieses Verhältnisses aufsuchenden Bewegung in einer Bezugnahme auf- und Abgrenzung voneinander die Frage nach diesem Verhältnis neu aufgeworfen, um damit eine Einladung auszusprechen zu einer Aus-ein-ander-Setzung im Sinne einer Neuverortung und Neusetzung von uns Menschen, die sich aus unseren Möglichkeiten entfaltet. Verpflichtet der Frage nach möglichen Wirkkräften des Menschen und mit einem Schwerpunkt auf das Verhältnis unserer zugleich einzigartigen, wie auch pluralen Existenz – also dem Fakt, dass wir Individuen sind und zugleich mit anderen Menschen koexistieren – wird der Frage nachgegangen, inwiefern unsere konkrete Praxis des Arbeitens unsere Wirklichkeit beeinflusst, um schließlich die ethische Dimension der Arbeit entfalten und kritisch anfragen zu können. Anders gesagt soll der angestrebte Polylog dazu dienen, aus einer kritischen Zusammenschau der hier Herangezogenen der Bedeutsamkeit des Arbeitens sich bewussten DenkerInnen einen neuen Blick auf das Problem der Korrelation des Arbeitens und unseres Weltverhältnisses zu entfalten. Damit sehen wir uns den Möglichkeiten des Menschen verpflichtet, für die – wie wir sehen werden – die Arbeit eine fundamentale Rolle spielt, und zwar faktisch wie auch potenziell.

Dabei kann an dieser Stelle keine allumfassende Übersicht über das Phänomen der Arbeit geleistet, geschweige denn eine vollkommene Entfaltung der jeweiligen Arbeitsbegriffe aufs Tableau gebracht werden. Vielmehr wird im Zuge der hier angestrebten Erläuterung eine multiperspektivische Zusammenschau angeboten, die der Dringlichkeit der Frage nach unserer Arbeit inklusive unserer Arbeitsweise im Spiegel ihrer Möglichkeiten zu einer neuen Strahl- und vor allem auch bewussteren kritisch-reflektierten Wirkkraft verhelfen möchte. Bei Arendt vorgestellt als um die natürliche Selbsterhaltung bemühte zunächst a-soziale Grundtätigkeit, die am wenigsten Bezug zur Welt hat und schlimmstenfalls zu einer Weltlosigkeit der Menschen führt, wird sie bei Levinas zu einer weltentdeckenden wie auch -stiftenden und die soziale Dimension eröffnenden Grundtätigkeit, die sich bei Fink zu einem gestaltend-schöpferischen sozialen Grundphänomen entfaltet, das einen grundlegenden Einfluss auf unser Zusammenleben hat. Mit Haraway schließlich das bei Fink durchdringende revolutionäre Potenzial entdeckend, das sich uns bei ihr vonseiten der Veränderung unserer Umgebung her aufdrängt, können wir hier eine Umdeutung der Arbeit kennenlernen, die jenseits einer Reduktion ihrer auf die Erwerbsarbeit im Dienste des Lebens im weiten Sinne stehen kann. Uns bewegend zwischen unserer biologischen wie auch unserer sozialen Involviertheit, die faktisch miteinander verwoben sind, und durch die wir mit Bedürfnissen verschiedenster Couleur konfrontiert sind, wird Arbeit im Folgenden zu einem Aushandlungsort der Frage, wer wir Menschen sind – und zwar, wie wir leben, wie wir leben können und wie wir leben wollen. Uns also auf die Suche nach unseren Möglichkeiten zu begeben – das bezeichnet die Motivation des vorliegenden Vorhabens, da, wie wir sehen werden, sowohl unser Verständnis wie auch unsere Praxis der Arbeit einen entscheidenden Einfluss auf uns, das heißt auch auf unsere Umgebung im weiten Sinne, hat, während sich unsere Möglichkeit in Relation zu unserer Umgebung entfalten.

II. Auftakt: mit Hannah Arendt über Gründe und Abgründe der Arbeit

Werfen wir einen Blick auf Arendts Ausführungen über das Themenfeld der Arbeit, so sind bei ihr zwei Betrachtungsweisen erkennbar. Diese nicht immer trennscharf voneinander unterscheidend, sondern auch aufeinander beziehend und miteinander abhandelnd, kann sie mit einer qualitative Vertiefung der konkreten Wirkkraft der Arbeit aufwarten. Einerseits spricht sie der Arbeit eine fundamentale Bedeutsamkeit für das menschliche Leben zu, und setzt sich andererseits kritisch mit der historischen Entwicklung der Arbeitstheorie wie auch -praxis samt der damit einhergehenden Auswirkungen auf den Menschen auseinander. Demzufolge ist bei ihr sowohl eine phänomenologisch anmutende Auseinandersetzung mit der Arbeit erkennbar, bei der es um eine ursprüngliche Betrachtung des Phänomens der Arbeit geht, als auch eine soziokulturell-kritische Analyse, bei der die menschliche Existenz im Spiegel konkreter Theorien und Praktiken der Arbeit auf dem Prüfstand steht. Diese zwei Perspektiven erlauben es Arendt, aufzuzeigen, inwiefern sich der Mensch im Laufe seiner Geschichte von der ursprünglichen Bedeutung entfernt hat und welche „außerordentlichen Schwierigkeiten“2 dies für das Selbstverständnis des Menschen wie auch für das konkrete Zusammenleben zur Folge hat(te).

1. Über die Grundtätigkeit des Arbeitens

Vertiefen wir nun diese Perspektiven, so wird phänomenologisch betrachtet das Arbeiten neben dem Herstellen und dem Handeln insofern zu einer Grundtätigkeit, als sie eine „der Grundbedingungen entspricht, unter denen dem Geschlecht der Menschen das Leben auf der Erde gegeben ist.“3 Arbeit wird zu einem für den Menschen lebensnotwendigen Grundtätigkeit, die mit dem Herstellen und Handeln vereint sei „in der allgemeinsten Bedingtheit menschlichen Lebens“ – der Natalität und dem Tod, wobei „die Arbeit das Am-Leben-Bleiben des Individuums und das Weiterleben der Gattung“ sichere.4 Wie auch das Handeln und das Herstellen habe sie „die Aufgabe […], für die Zukunft zu sorgen, bzw. dafür, daß das Leben und die Welt dem ständigen Zufluß von Neuankömmlingen, die als Fremdlinge in sie hineingeboren werden, gewachsen und auf ihn vorbereitet bleibt. Dabei ist aber das Handeln an die Grundbedingungen der Natalität enger gebunden als Arbeiten und Herstellen“, und zwar da Arendt den „Neubeginn, der mit jeder Geburt in die Welt kommt“, das heißt, „selbst einen neuen Anfang zu machen“, an das Handeln knüpft; sie den Neuanfang also vom Handeln her versteht. 5 Das Handeln wird zur Grundtätigkeit der Öffentlichkeit, die der Sichtbarkeit des Menschen vor anderen bedarf, wodurch dem Menschen überhaupt erst „Wirklichkeit zukommt.“6 Der Mensch kann also erst dann, wenn er vor anderen erscheint und sich im Zuge dessen mit anderen vereint, eine Wirkkraft entfalten, von der aus er in einer besonderen Intensität an dem, was uns als Wirklichkeit erscheint, teilhaben resp. daran mitwirken kann.

Selbst insofern ein Ort der Macht, als sich diese „von ‚mögen‘ und ‚möglich‘“ ableitet, bezeichnet der Bereich der Wirklichkeit Arendt zufolge die dem Machen vorgelagerte Potenzialität, die „zwischen Menschen“ entsteht, indem diese ihre je individuellen Stärken zu einer gemeinsamen Wirkkraft potenzieren.7 Ursprünglich verwiesen auf die Potenzialitäten, die aus dem Zwischen des Menschen zu einer konstellativ-einzigartigen Erscheinung gelangen, sei diese Dimension nicht gekettet an die materiell bedingte Arbeit, da die der Öffentlichkeit zugrundeliegende Macht in ihrer „Existenz so erstaunlich unabhängig von rein materiellen Faktoren“ sei.8 Die Wirklichkeit entfaltet sich jedoch nicht bloß im direkten Austausch von Menschen. Diese Wirkkraft, die Menschen bloß in und für eine Welt entfalten können, die sich wiederum bei Arendt fundamental zwischen Menschen entfaltet, und die angewiesen ist auf eine „Beständigkeit“, ist zugleich abhängig von Herstellungsprozessen, da hier Dinge hervorgebracht werden, die jenseits des funktionellen Verbrauchszwecks von Konsumgütern in der Erscheinung ihrer selbst, ihrem eigenen Aussehen, ihren Wert haben. Über das Verbrauchsparadigma der Konsumgüter hinausgehend, ist ihnen jene Beständigkeit inne, damit der Mensch sich permanent darauf beziehen kann; also eine „Heimat“, die der Sinn der (dinglichen Um)Welt für den Menschen ist.9 Konsequenterweise seien daher die Konsumgüter „die unweltlichsten der Weltdinge“ – sind sie doch bloß da, um aufgebraucht zu werden.10 Dies bedeutet für die Grundtätigkeit der Arbeit, dass diese als die „einzige Tätigkeit […] der Weltlosigkeit […] genau entspricht. Die Arbeit als der Stoffwechsel des Menschen mit der Natur hält den Arbeitenden in seinem schieren Lebendigsein gefangen, ohne daß er, wenn er keine andere Tätigkeit kennte als das Arbeiten, jeden immer wiederkehrenden Kreislauf der Körperfunktionen übersteigen oder von ihnen sich befreien könnte.“11 So können wir sagen, dass sich die Entfaltung unserer Wirklichkeit Arendt zufolge fundamental über die Arbeit hinausgehend ereignet, während die Arbeit die Sorge um das biologische Überleben der Menschen ist, die erst dadurch einander wie auch indirekt über hergestellte Dinge in der Öffentlichkeit erscheinen können.

1.1 Arbeiten als Sorge um die biologische Selbsterhaltung

Schauen wir uns Arendts phänomenologische Beschreibung der Arbeit näher an, so ist für uns entscheidend, dass in dieser zunächst der einzelne Mensch darum bestrebt sei, das eigene biologische Leben zu erhalten, womit dieser auch für das Fortbestehen der Menschengattung sorge.12 Somit können wir hier ein konservatives Verständnis der Arbeit erkennen, da diese zu einer das Leben bewahrenden Tätigkeit erklärt wird, die zugleich funktionalistisch im Sinne des (biologischen) Lebens steht. Wir arbeiten, um zu überleben und setzen dafür unseren Körper ein, – ja: gewissermaßen aufs Spiel. Hier das Leben verstehend vom Einzelnen, könne es „keine lebendigere Tätigkeit geben als die Arbeit“, insofern „der natürliche Lebensprozeß im Körper vonstattengeht“, der immer nur der jemeinige13 sein kann.14 Ist mein Körper sowohl das, was durch die Arbeit erhalten werden soll und zugleich Vollzugsorgan der Arbeit, so ist sie potenziell auch ohne die „Gegenwart anderer Menschen“15 möglich. Arendt führt damit hinsichtlich der Arbeit eine Trennung der Sphäre des Eigenen und der Sphäre des Gemeinsamen ein. En passant, aber vermutlich keineswegs zufällig, eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, dass es Arbeitskontexte geben könnte, die nicht des direkten Zusammenarbeitens bedürfen, womit im Umkehrschluss der gemeinschaftliche Verband nicht zur notwendigen Bedingung der Arbeit erklärt wird; eo ipso die Gesellschaft nicht fundamental durch die Arbeit zusammengehalten, aber von in Arbeitsprozessen hergestellten Produkten existenziell versorgt wird.

Die Arbeit dient also zunächst der biologisch notwendigen egozentrischen Selbsterhaltung des Menschen, auf die der Mensch insofern für sein (Über)Leben angewiesen ist, als er sich um das eigene Zentrum, also die lebenserhaltenden Grundbedürfnisse kümmern muss. Nicht rein beim Einzelnen bleibend, dient die Arbeit zugleich der biologischen Erhaltung der Menschengattung, die schließlich nur durch die reale Existenz lebendiger Individuen fortbestehen kann, die wiederum der Selbstfürsorge16 bedarf. Kurzum wird die Arbeit zu einer Grundtätigkeit, bei der die individuelle biologische Selbsterhaltung auch der der Menschengattung dient, womit diese im Dienste des Individuellen wie auch der Pluralität steht, wohingegen das konkrete Miteinander wie auch die menschliche Pluralität als solche nicht ausschließlich von der Arbeit her seine Bedeutung erhält. Umgekehrt ist die menschliche Pluralität als Grundphänomen „nicht nur die conditio sine qua non, sondern die conditio per quam.“17 Dies heißt, dass die menschliche Pluralität der Nährboden der individuellen Selbstentfaltung ist, womit sie zugleich die individuell ausgeführte Grundtätigkeit des Arbeitens überhaupt erst eröffnet, da sie das Leben des Einzelnen begründet. „Für Menschen heißt Leben […] so viel wie ‚unter Menschen weilen‘ (inter homines esse) und Sterben so viel wie ‚aufhören unter Menschen zu weilen‘ (desinere inter homines esse).“18 Plausibel wird diese These einer ursprünglichen Pluralität gerade mit Blick auf die Tatsache der Natalität, die nicht nur die Fähigkeit eines neuen Anfangs bezeichnet19, wie Arendt es hervorhebt, sondern in der der Säugling aufgrund seiner existenziell-lebensbedrohlichen Vulnerabilität der Fürsorge anderer Lebewesen bedarf, um überhaupt überleben zu können; der Andere bzw. die Andere dadurch faktisch nicht aus der individuellen Lebensgeschichte herausgestrichen werden kann.

Zugleich entlastet diese ursprüngliche Pluralität uns nicht von unserer eigenen Wirkkraft bzw. von einem Verhalten zu dieser. Pluralität ist viel schwieriger als wir es meinen, insofern sie nicht bloß eine Tatsache jenseits unseres Verhaltens ist, sondern diese Tatsache uns vielmehr zu einem aktiven Verhalten zu dieser Tatsache aufruft. Mit anderen Worten geht die Annahme einer ursprünglichen Pluralität einher mit der Anfrage an ein verantwortungsbewusstes Agieren, das um das spannungsvolle Verhältnis von individuellen und gemeinsamen Bedürfnissen ringt. Sie ist also der Nährboden einer aktiv gelebten Pluralität, die aus der interessierten20 Begegnung der Menschen miteinander erwächst und sowohl die Gemeinschaft als auch das Individuelle fundamental prägt sowie diese die konkrete aktiv gelebte Pluralität beeinflussen.

Methodologisch betrachtet gewinnt Arendt ihre eigentümliche Differenzierung des Phänomens der Arbeit hauptsächlich aus ihrer Auseinandersetzung mit der antiken Philosophie Platons und Aristoteles‘, dem Denken von Marx, Hume und Montesquieu sowie Hegels Beschreibung des Verhältnisses von Herr und Knecht. So erkennt sie zwar entgegen der antiken Philosophie an, dass das Arbeiten bekannterweise eine Grundtätigkeit des Menschen sei21 – bezieht also das Arbeiten explizit in den Lebensbereich des Menschen ein –, und wendet sich damit gegen die Denunzierung der Arbeit im antiken Denken, das diese den Sklaven überverantwortet, damit eine dafür auserkorene von der Arbeit befreite Elite sich dem Themenbereich des Guten, Wahren und Schönen widmen könne.22 Zugleich adaptiert sie die antike Differenzierung von Oikos und Polis, verortet die Arbeit gemäß ihrer ursprünglichen Bedeutung im Oikos, insofern diese der Erhaltung des Lebens und der menschlichen Gattung dienlich sei, und verbannt sie aus dem Bereich der Öffentlichkeit, womit sie diese aus dem schöpferischen Gestaltungsprozess ausklammert.23 Damit wird bei ihr das Faktum der Pluralität nicht zu einer fundamental politischen Dimension des Menschen, sondern deren Sicherung und Erhaltung vielmehr in den Bereich des wesentlich sicheren Oikos verlegt, in dem sich der Mensch dort um die biologische Selbsterhaltung sorgt, während das Politische in der Polis, das heißt in der Öffentlichkeit, stattfindet – jener Ort, in der der Mensch zu seiner sich selbst aussetzenden und für anderen sichtbaren Erscheinung gelangt. Während also im Oikos das Faktum der Pluralität gesichert wird, sorgt sich die Polis um die konkrete Gestaltung des Miteinanders, womit diese schöpferisch über die biologische Selbsterhaltung hinausgeht.

Mit dieser Gegenüberstellung von lebenserhaltender Arbeit und schöpferischem Miteinander wendet sie sich einerseits gegen Marx, demzufolge konkrete Arbeitsverhältnisse zu einem Umschwung der Gesellschaftsverhältnisse führen soll(t)en. Andererseits missbilligt sie damit das neuzeitliche Verschwimmen der antiken Differenzierung von Polis und Oikos, in der das „enorme Anwachsen des privaten Bereichs“24 dazu führe, dass das Politische (fälschlicherweise) von der Struktur der Familie her verstanden wird und damit den Menschen in all seiner vom Leben geplagten Vulnerabilität dem Scheinwerfer der Öffentlichkeit ausgesetzt wird; schließlich im Angesicht der Gefährdung des eigenen Lebens ausgebeutet wird. Doch damit nicht genug. Sie treibt gewissermaßen die antike oikologische Verortung der Arbeit auf die Spitze, indem diese zu einer Selbsterhaltungstätigkeit wird, mit der sich fundamental betrachtet der einzelne Mensch um sein eigenes Leben sorgt; also nicht die Familie samt der in der Antike dazugehörenden Sklaven verantwortlich seien für die Arbeit, sondern das in der Arbeit auf die Erhaltung des Lebens zurückgeworfene singularisierte Individuum arbeitet, um dem aufgrund seines In-der-Welt-Seins virulent drohenden Verschwindens im Tod entgegenzuarbeiten.

1.2 Das Verhältnis von Arbeiten und Leiden

Arbeit wird zu einem aktiven Umgang mit dem Leiden, das uns mit dem eigenen Leben aufgebürdet ist, „die Grunderfahrung des Arbeitens“ eo ipso die der „qualvoll-erschöpfenden Anstrengung“, die zu einem gesteigerten „Lustgefühl“ führen könne.25 Im Umkehrschluss dessen bedürfe der moderne Mensch Arendt zufolge nicht nur der Arbeit, sondern sogar dem Leiden an der Arbeit.26 Laut Arendt können wir also weder die Arbeit noch das Leiden aus dem modernen Lebensprozess eliminieren, um den Menschen damit die Zeit und Muße zu gewähren, sich anderen Dingen zu widmen – und zwar, weil sie davon ausgeht, „die überschüssige Zeit des Animal laborans wird niemals für etwas anderes verbraucht als Konsumieren, und je mehr Zeit ihm gelassen wird, desto begehrlicher und bedrohlicher werden seine Wünsche und sein Appetit“, was die Gefahr in sich berge, „daß schließlich alle Gegenstände der Welt, die sogenannten Kulturgegenstände wie die Gebrauchsobjekte, dem Verzehr und der Vernichtung anheimfallen.“27 Zugleich erkennt sie insofern ein tragisches Leiden des modernen Menschen, der vornehmlich ausschließlich als Animal laborans existiert, als dieser einen Anspruch auf „Glücklichsein“ beansprucht, „und gleichzeitig an seinem Unglücklichsein leidet“, wobei dieser Anspruch im Rahmen der Arbeit und des Konsum zu verwirklichen gesucht wird.28 Doch dies ist bloß die Spitze des Eisbergs. Letztlich leide er an einem „zutiefst gestörte[n] Gleichgewicht zwischen Arbeit und Verzehr, zwischen Tätigsein und Ruhe“29, für das sowohl der gegenwärtige Mensch in seiner systemimmanenten Reproduktion wie auch vorherige Menschen in ihrer mehr oder weniger die Arbeitergesellschaft kreierenden Wirkkraft verantwortlich seien. Dementgegen sei es „weder dem herstellend Werktätigen noch dem handelnd politischen Menschen […] je in den Sinn gekommen, glücklich sein zu wollen oder zu glauben, daß sterbliche Menschen glücklich sein können.“30 Dementsprechend leiden auch sie zwar an den Strapazen des Lebens , aber immerhin nicht an einer vergeblichen Forderung auf ein glückliches Leben, das auch noch materialistisch reduziert wird, aufgrund des stets nach Besserem und Mehr strebenden Fortschritts- und Konkurrenzdenkens allerdings nie eingeholt geschweige denn vollends befriedigt werden kann.

Verstanden als ursprünglich individuelle Selbsterhaltungstätigkeit, ist Arendts Argument für die Aufrechterhaltung von – vor allem auch mühevollen – modernen Arbeitsverhältnissen nicht die damit einhergehende Anerkennung, womit die Arbeit ursprünglich intersubjektiv begründet wäre. Es sei vielmehr der um das eigene Leben besorgte nie befriedbare Konsumtionsdrang, den das animal laborans, das der Mensch auch sei, antreiben würde. Dieser nie erfüllbare Arbeits- und Konsumtionsdrang wird zugleich der Grund, weswegen die Hoffnung, der „Marx und die Besten der Arbeiterbewegung in allen Ländern“ verfallen sind, letztlich illusorisch sei. Denn besagte Hoffnung, „dass Freiheit schließlich den Menschen von der Notwendigkeit befreien und das Animal laborans produktiv machen würde, beruht auf den Illusionen einer mechanistischen Weltanschauung, die annimmt, dass Arbeitskraft […] automatisch frei wird für ‚das Höhere. Hundert Jahre nach Marx“, urteilt Arendt, „wissen wir um den Trugschluss dieses Arguments nur zu gut Bescheid: die überschüssige Zeit des Animal laborans wird niemals für etwas anderes verbraucht als Konsumieren, und je mehr Zeit ihm gelassen wird, desto begehrlicher und bedrohlicher werden seine Wünsche und sein Appetit.“31 Dieses Argument findet gewiss in ihrer Bestimmung des animal laborans ihre Wurzel, das ja seine Lebensberechtigung und vor allem auch sein Streben nach der Vervollkommnung des eigenen Lebens in der Arbeit und dem Konsumtion sucht. Doch was heißt das für uns? Heißt das womöglich letztlich, dass es im Angesicht des bereits beschriebenen selbstverschuldeten überproportionalen Leidens des animal laborans, das Arendt zufolge sich in der Moderne als alleinige Wesensbestimmung des Menschen emporgeschwungen hat und als solches wesentlich identisch sei mit einem Tier32, um eine Zurückbesinnung auf die eigenen Wurzeln geht; also auf eine Rückbesinnung darauf, dass der Mensch nicht nur, sondern „immer auch ein arbeitendes Wesen ist“, ein „Animal laborans, das der Mensch unter anderem auch ist?33

Wie gehen wir also mit der individuellen Komplexität des Menschen um, der ursprünglich gewissermaßen Animal laborans, homo faber und zoon politikon in eins ist? Sind sowohl diese in Abgrenzung zueinander entwickelten Selbstverständnisse des Menschen samt der damit verbundenen Tätigkeiten tatsächlich so strikt voneinander trennbar, wie Arendt es im Zuge der von ihr erkannten neumodernen Verschmelzung der Bereiche versucht? Ist es womöglich denkbar, dass der Mensch, wenn er seine Kräfte nicht restlos für Arbeitsprozesse aufbrauchen muss, dieser dem eigenen Bedürfnis folgen kann, die dadurch unverbrauchte Energie für die reale Auseinandersetzung mit Fragen des Miteinanderlebens jenseits von Fragen der Konsumtion aufzubringen? Dies heißt nicht, dass der Mensch nur vollends befreit von der Arbeit sich dem Miteinander widmen könne, sondern nimmt lediglich Abstand von der These, dass der Mensch in der Arbeit Qualen erleiden müsse, damit er infolge der Anstrengungserfahrungen einen respektvollen Umgang mit den Dingen pflege. Vielleicht ließe sich sogar im Zuge der hochproblematischen Meritokratie34 insofern dagegen argumentieren, als das im Arbeitsprozess aufgebrachte Leid als Rechtfertigung dafür genommen werden könne, dass man einen über die Selbsterhaltung hinausgehenden Konsum ja verdient habe.35 Ihre Argumentation läuft also Gefahr, einem meritokratischen Denken in die Hände zu spielen, womit lediglich die Stichhaltigkeit dieses Gedankens hinsichtlich einer Deutung der aktuellen Wirklichkeit fragwürdig wird bzw. sie eine Argumentation liefert für ein Denken, das ihren eigenen Anspruch der miteinanderwirkenden Gestaltungskraft der Menschen zu unterlaufen droht. Dabei sollte nicht verkannt werden, dass sie hier einen triftigen Punkt gegen Marx einbringt, den sie allerdings nicht klar benennt. Denn Marx, der sich mit der Forderung des Aufstands des Proletariats noch in jenem kapitalistischen System bewegt, das die Entwicklung des Lebens von den Mechanismen des Arbeitsmarktes her denkt36, scheint noch dem Animal laborans verfallen und fordert zugleich eine systemimmanente radikale Modifizierung kennzeichnenderweise der Arbeitsverhältnisse, damit sich von dort aus die Gesellschaft verändert. Doch – und das wäre auch eine Frage an Arendt, auf die sie vielleicht sogar eine Antwort hat: geht es nicht vielmehr um eine fundamentale Veränderung des menschlichen Selbstverhältnisses, das den Menschen selbst, eine/n jede/n Andere/n wie auch die Umgebung betrifft? Und, über Arendt hinaus: kann im Zuge dessen vielleicht gerade der Erziehung eine entscheidende Rolle zukommen, zumal der Mensch in der Kindheit erste Welterfahrungen macht, die als Fond des weiteren Lebens fungieren?

1.3 Arbeit als Zwischenbereich fundamentaler Weltbezüglichkeit und Weltferne

Vertiefen wir nun die These der größten Weltferne der Arbeit im ursprünglichen Sinne, so erkennen wir, dass der Mensch hier im Vergleich zum Herstellen und Handeln einen fundamental anderen Umgang mit seinem Umfeld pflegt; ja: das Umfeld hier strenggenommen ein anderes ist. Dass die Arbeit „in Wahrheit die natürlichste und somit die wenigst weltliche aller menschlichen Tätigkeiten“ sei, ist die Umkehrseite dessen, dass der Mensch im Arbeiten in den „natürlichen Umkreis“ eingebunden sei, in den ewigen Kreislauf des Erstehens und Vergehens – schlichtweg: den Kreislauf der Natur, in den wir als Lebewesen eingebunden sind. 37

Selbst eine Reaktion auf die Eingebundenheit des Menschen in die Natur und in der Tätigkeit des Arbeiten insofern gebunden an die Naturprozesse, als die Arbeit sich „von den ‚guten Dingen‘ der Erde nährt, sie ihr aber auf dem Wege des Stoffwechsels des menschlichen Körpers auch immer wieder zurückgibt“38, bewegt der Mensch sich mit ihr – nicht in in der Moderne, aber ihrem Ursprung nach – in einem Rhythmus mit der Natur. Inwiefern dieser Rhythmus selbst hoch spannungsreich ist, das lässt sich höchstens erahnen, wenn Arendt die Arbeit in ihrem Denktagebuch als einen „Fluch“ bezeichnet, dem der Mensch Zeit seines Lebens nicht entkommen kann, da er ihrer bedarf, um (über)leben zu können.39 Arbeit ist weltlich, da sie ihren Platz zwischen der Geburt und dem Tod hat, stehe aber zugleich der Welt gegenüber, die Arendt explizit nicht als Synonym zu der Erde verwendet, sondern als eine von Menschen gemeinsam hergestellte begreift.40 Im Arbeiten sei der Mensch nicht auf die Welt, sondern auf die Erde bezogen, insofern er sich hier ihrer Güter bedient, ihr aber im Zuge des Eingebundenseins in den Kreislauf der Natur immer auch etwas zurückgebe. In der Arbeit würden Produkte hervorgebracht, die sich im Gegensatz zu hergestellten Erzeugnissen durch eine fehlende Dauerhaftigkeit auszeichnen, so dass diese nicht „Teil der Welt“ werden könnten; ist die notwendige Bedingung von Welt doch ebenjene Dauerhaftigkeit, die den Arbeitsprodukten per se abgeht.41

2. Das Arbeiten im Spiegel der Geschichte

Geschichtlich, und damit gelangen wir zu ihrer soziokulturellen Kritik der Arbeit, hält sich diese Gegenüberstellung von Arbeit, Herstellen und Handeln nicht durch, was eklatante Auswirkungen auf das Leben inklusive der ‚Welt‘ der Menschen hat. Umgekehrt wird der Dinge in die Welt bringende Prozess des Herstellens zur Doktrin bzw. zum Ethos des Arbeitens, wodurch der Mensch in der Arbeit über seine Eingebundenheit in den Lebensprozess hinausreicht, um so zugleich „Homo faber und Werkzeugmacher nicht nur die Mühe und Plage des Arbeitens zu erleichtern, sondern auch eine Welt zu errichten, deren Dauerhaftigkeit gegen den verzehrenden Kreislauf des Lebens gesichert ist und ihm widersteht. Das Heil des Lebens, das durch Arbeit sich erhält, ist Weltlichkeit, die ihrerseits sich im Herstellen realisiert.“42

2.1 Konsequenzen der Hypostasierung der Arbeit

Arbeit nun vielmehr als Kampf gegen den Kreislauf der Natur und ohne ein Bewusstsein für die Konsequenzen einer Missachtung dieses Kreislaufes, gewinnt der Mensch nun zwar durch das Zusammenfallen von Arbeiten und Herstellen so etwas wie eine Welt. Diese ‚Welt‘, die mehr vom Zwang der Ökonomie denn vom Menschen ihre Bestimmung erhält, wird jedoch höchst problematisch, wenn einerseits jenseits der lebensnotwendigen Selbsterhaltung des Menschen Produkte in die Welt gebracht werden, die gemäß der Logik einer „‚waste economy‘, einer auf Vergeudung beruhenden Wirtschaft“43 möglichst schnell wieder aufgebraucht und weggeworfen werden, da ansonsten das Tempo der Produktherstellung den Konsumtionsprozess überholen würde. Hier wird nicht nur das Leben von den Prozessen der Arbeit eingeholt, indem die Überproduktion einen Umgang mit den Produkten fordert, der letztlich in eine Weltlosigkeit führt, da wir hier getrieben werden von einem „Prozeß, in dessen Kreisen Dinge zwar erscheinen und verschwinden, […] aber niemals lange genug bei und um uns verweilten, um für den Lebensprozeß in ihrer Mitte auch nur eine Umgebung abzugeben.“44 Arbeit ist dementsprechend nicht weltbildend im Sinne einer zwischen Menschen erwachsenden Welt, aber greift sehr wohl in das weltliche Geschehen ein – in der Neuzeit derart, dass sie einerseits die Menschen tendenziell voneinander entfernt, indem durch sie die Dinge zwischen die Menschen gestellt werden, und andererseits selbst der Bereich der Öffentlichkeit, der ursprünglich dem Herstellen und Handeln vorbehalten ist, unter dem Diktum der Arbeit auf „die Sicherung der Lebensnotwendigkeiten und eines ausreichenden Lebensstandards“ reduziert wird.45 So wird der Mensch in der Öffentlichkeit unter dem Maßstab eines der Gesellschaft zuträglichen angemessenen Einkommens beurteilt, also dessen Wertigkeit von seinem monetären Beitrag ermessen, anstatt ihn von seinem ideellen Beitrag für das Zusammenleben her zu betrachten.

Die Umkehrseite betrifft nicht nur unser Verhalten, sondern vielmehr die Auswirkungen auf ‚die Natur‘ bzw. die Umgebung, der wir unsere Existenz verdanken. So wird diese nun über unsere natürlichen, das heißt lebensnotwendigen Bedürfnisse hinaus ausgebeutet46, so dass Überproduktion und Überkonsumtion nicht nur den Menschen diesen Herrschaftsstrukturen unterordnen, sondern das Leben diverser Lebewesen und Organismen gefährdet. Hier zeigt sich recht eindrucksvoll, wie Arendts Beschreibung des Phänomens der Arbeit und ihre soziokulturelle Rekonstruktion der Arbeit in einem entgegengesetzten Verhältnis zueinander stehen, weswegen ihre phänomenologische Beschreibung als Einladung zu einer Rückbesinnung auf die Wurzeln der menschlichen Existenz gedeutet werden kann. Eine Lebensweise, die sich jenseits der lebenserhaltenden Bedürfnisse der Eigendynamik ausbeuterischer Arbeits- und Konsumtionsprozesse unterwirft und damit einen lebensfeindlichen unweltlichen47 ‚Nähr’boden entfaltet – wollen wir das? Geschweige denn, wie lange wir diese Lebensweise überhaupt aushalten oder gar überleben können…

Wer also meint, Arendt spreche dem modernen Arbeitsverständnis das Wort, geht weit fehl. Umgekehrt zieht sie die Grenzen der Arbeit enger – geht also kritisch-dechiffrierend mit dieser Grundtätigkeit des Lebens um ,– da sie sich explizit gegen eine mit der Neuzeit ansetzende Verherrlichung der Arbeit wendet, die zu einer Transformation der „Gesellschaft im Ganzen in eine Arbeitsgesellschaft“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts geführt habe und tendenziell den Menschen zu unterjochen droht, insofern tendenziell das Leben in den Dienst der Arbeit gestellt werde.48 Letztlich geht es ihr darum, die mit der Neuzeit aufkommende Ausbeutung des Menschen und der Natur durch eine in die Öffentlichkeit verlagerte und einer tendenziell lebensfeindlichen Produktivität verschriebenen Arbeit in die Schranken ihrer ursprünglichen Grundbewegung zu weisen. Heißt dies, die Arbeit auf ihren Fond der Sorge um die Lebensnotwendigkeiten zurückzuführen, so eröffnet sie dadurch die Frage des schöpferischen Miteinanders jenseits des virulenten Diktums der Arbeit.

2.2 Facetten der Emanzipation der Arbeit

Mit anderen Worten erlaubt ihre doppeltperspektivische Beschreibung der Arbeit in ihrer Engführung einen Eindruck davon, inwiefern in der Antike wie in der Moderne die ursprüngliche Aufgabe der Arbeit für das Überleben des Menschen zu sorgen, in ein lebensfeindliches Ungerechtigkeitsverhältnis umgeschlagen ist, demgemäß „die Gewalt in einer Sklavengesellschaft oder die Ausbeutung in einer kapitalistischen Gesellschaft so ausgenutzt werden [kann], daß ein Teil der jeweils vorhandenen Gesamtsumme menschlicher Arbeitskraft hinreichend ist, das Leben aller zu reproduzieren.“49 Bedingt durch ökonomisch begründete Entwicklungen der Technik habe „nur die Emanzipation der Arbeit, und das heißt die Besitzergreifung des öffentlichen Bereiches durch das Animal laborans, die ungeheuere Steigerung der Arbeitsproduktivität [...] erzielen können, die das moderne Leben in so weitgehendem Masse von der Notwendigkeit die auf dem Leben als solchem lastet, befreit hat“, während es „kein im eigentlichen Sinne öffentlichen Bereich, sondern nur öffentlich zur Schau gestelltes Privates geben [kann], solange das Animal laborans die Öffentlichkeit beherrscht und ihr seine Maßstäbe vorschreibt“.50 Die Emanzipation der Arbeit hat nicht nur nicht zu einer Befreiung des Menschen geführt, sondern den Menschen von den Wurzeln seines Lebens entfernt, während sich das das Animal laborans als Diktator der Öffentlichkeit aufgeschwungen hat, wodurch der Einzelne seine ursprünglich im Oikos beheimatete private Sphäre zur Schau zu stellen habe.51 Ob vielleicht gerade der Beruf des Influencers, der seinen Alltag zur Schau stellt und dadurch Geld verdient, ein aktuelles Paradebeispiel für diese Entwicklung ist?

Zugleich – und hier zeigt sich womöglich Arendts Position hinsichtlich ihres Verhältnisses zum Religiösen – stellt sie nonchalant Leben und Welt insofern gegenüber, als der Arbeiter nicht nur weltlos sei, sondern sogar eine fehlende Achtung der Welt habe; ist er doch vollends eingenommen davon, sein „Leben zu erhalten.“52 Der Arbeiter, der in seiner ursprünglichen Sorge um sein (biologisches) Leben seine Kräfte aufzehrt, so dass er weder die Zeit noch die Energie für einen Blick auf seine Mitmenschen hat – diese Beschreibung schürt doch mehr und mehr den Verdacht, dass Arendt von einem bereits im Voraus bestimmten Verständnis der Arbeit ausgeht, die als Wertmaßstab für eine adäquate Praxis der Arbeit fungiert, anstatt die Tätigkeit der Arbeit von ihrer Praxis oder gar von ihren ursprünglichen Möglichkeiten her zu verstehen. Sich mit ihrer doch sehr – zu sehr? – konstruierten Trennung von Arbeiten, Herstellen und Handeln absetzend von einem modernen Verständnis der Gesellschaft als Arbeitsgesellschaft, bei der das Arbeiten als Dreh- und Angelpunkt, letztlich aber auch als Ausbeutungs- und sogar Selbstausbeutungsargument des Einzelnen fungiert, und schließlich insofern von einer „Verabsolutierung des Prozeßbegriffs in der Deutung des Herstellens“53 getragen wird, als das Herstellen in den Bannkreis des Arbeitens gezogen wird und schließlich durch eine Verherrlichung der Produktion ihren Ursprung des in einen Naturkreislauf eingelassenen Lebens verliert, geht es Arendt um ein Miteinander, das sich jenseits von Arbeitsprozessen zusammenfindet. Der Arbeiter bewegt sich jenseits dieser genuin zwischen Menschen sich entfaltenden Welt, da er um die Fürsorge um sein eigenes Leben bemüht ist, während seine Produkte ein bestimmtes Verhalten seiner Mitmenschen erfordern. Vom animal laborans im Sinne der modernen Reduktion des Menschen auf dieses ausgehend, das doch nur eine mögliche Interpretation der Bedeutsamkeit der Arbeit ist und auch nur eine Facette der menschlichen Bedürfnisse entspricht, spricht sie der Arbeit jene politische Wirkkraft ab, die sie auf der Ebene des Handelns sieht. Ob allerdings ihre radikale Ausklammerung der Arbeit aus dem Bereich des Politischen hilfreich sein kann, wenn es um die Möglichkeiten und Wirkkräfte der Menschen geht, oder sie damit nicht letztlich bloß eine in einen Dogmatismus abdriftende Antihaltung gegen die Genese des Bisherigen formuliert? Kurzum: verfällt ihre Antwort auf eine Fetischisierung der Arbeit womöglich selbst in einen Dogmatismus, indem sie infolge der – wohl berechtigten – Kritik an dem historischen Zusammenfallen von Arbeit und der Bestimmung der Öffentlichkeit resp. des gesellschaftlichen Miteinanders selbst in einen Dogmatismus verfällt, indem sie der Arbeit ihr schöpferisches wirklichkeitsstiftendes Potenzial radikal abspricht? Verpasst sie damit das Potenzial der Arbeit, die nicht notwendigerweise einem neoliberalen Kapitalismus in die Hände spielen muss?

Doch damit nicht genug. Auch das Denken und eine jede damit verwobene schöpferisch herstellende Tätigkeit wird von ihr in eine Opposition zur Arbeit gebracht; die neumoderne Bezeichnung der geistigen Arbeit für Denktätigkeiten daher nicht dem Phänomen adäquat. 54 So sei die Bezeichnung der geistigen Arbeit Ausdruck der neumodernen undifferenzierten Verschmelzung von Arbeit, Herstellen und Handeln, gegen die sich die Arendtsche Differenzierung dieser Tätigkeiten richtet, insofern das Denken dem Herstellen wie auch dem Handeln, nicht aber der Arbeit vorgeschaltet sei. Das Argument ist so einfach und einseitig, wie auch innerhalb des Arendtschen Gedankenkarussells einleuchtend: einerseits das durch seine Gebundenheit an Lebensnotwendigkeiten determinierte Arbeiten, andererseits das seinem Wesen nach der menschlichen Freiheit entspringende Denken, das in seiner konkreten Vollzug den Bereich der Lebensnotwendigkeiten übersteigt. Ob diese Tätigkeiten aber tatsächlich so strikt voneinander getrennt sind, oder ob Denken und Arbeiten nicht fundamental in einem engeren Verhältnis zueinander stehen, als Arendt es beschreibt; der konkrete Arbeitsprozess sich vielmehr dem Zusammenwirken von Denken und dem körperliche Akt des Arbeitens verdankt und die „Möglichkeit der ‚rein geistigen‘ Arbeit“ bloß von „der leibsinnlichen, mühsalbeschwerten ‚körperlichen Arbeit‘“55 aus möglich ist? Dies sollte spätestens dann angefragt werden, wenn es tatsächlich um eine wirklichkeitsbezogene im Menschen zusammenlaufende und von diesem ausgehende Entfaltung der Grundtätigkeit des Arbeitens resp. der Gestaltung unserer Welt geht.

Dass Arbeiten, Herstellen und Handeln für Arendt wesentlich andere Grundtätigkeiten sind, ist mittlerweile klar – jedoch keineswegs, in welchem Verhältnis diese im Menschen zueinander stehen. Unklar bleibt, ob ihre Beschreibung des Arbeitens als „das unterste Niveau menschlichen Tätigseins überhaupt, die Sicherung der Lebensnotwendigkeiten und eines ausreichenden Lebensstandards“56 wertehierarchisch zu verstehen ist, oder ob sie dadurch womöglich eine Abhängigkeitshierarchie unter der Maßgabe des individuellen Lebens einführt, das der wesentlich gemeinsamen Welt gegenübersteht. Es stellt sich also die Frage, ob das Arbeiten bei ihr nicht zum direkten Beziehungsgefüge des menschlichen Miteinanders wird, aber sehr wohl als eine Tätigkeit eingeführt wird, ohne die konkrete lebende Menschen nicht zusammenfinden könnten; wird Arbeit doch bei ihr zu einer Tätigkeit, die das konkrete Leben eines jeden Menschen im Sinne des vitalen Ursprungs begründet. Nicht notwendigerweise eine Wertehierarchie, sehr wohl aber eine Komplexitätshierarchie kann auch erkannt werden, wenn sie schreibt, politische Gemeinschaften zeichnen sich dadurch aus, dass „Menschen nicht bloß zusammenleben, sondern auch zusammenhandeln und in denen das Prinzip der Organisation bekannt ist.“57 Keineswegs ausgehend von einem in sich harmonischen Miteinander, in dem der Einzelne zugunsten des ‚Großen Ganzen‘ untergeht, beruht dieses vielmehr auf der Spannung der je einzigartigen Menschen untereinander, insofern eigentliche Ko-operation ihr zufolge „gerade auf der Verschiedenheit der Ko-operierenden beruht.“ 58 Damit wird die menschliche Pluralität zum Ursprung wie auch Movens des Miteinanderhandelns, für das es auf die individuelle Erscheinung des Menschen für andere ankommt.

Letztlich ist ihre Differenzierung von Arbeiten, Herstellen und Handeln also gerade dem Problem der Welt verpflichtet. Sie wendet sich damit sich gegen die von ihr beschriebene soziokulturelle Überinterpretation der Arbeit für die Bestimmung des menschlichen Lebens wie auch eine Praxis, in der Arbeiten und Herstellen zusammenfallen; also gegen eine Entwicklung, durch die eine fundamental menschliche Welt und damit ein nicht auf Zwecke reduziertes Miteinanderleben tendenziell unmöglich werden. Gewiss ist ihre wie auch die folgende Kritik beeinflusst durch die historisch beeinflussten Erfahrungen. Doch Arendt scheint bei ihrer auf die menschliche Geschichte reagierenden Differenzierung von Arbeiten, Herstellen und Handeln sowie von Oikos und Polis, Gefahr zu laufen, die faktische Verwobenheit der im Menschen zusammenlaufenden und von dort aus ausgeübten Grundtätigkeiten zu unterlaufen. Damit scheint sie an der Kritik der historischen Auswirkungen der Arbeit festhaltend nicht darüber hinauszugehen bzw. einen Schritt hinter diese zu wagen, und damit das für ein fruchtbares Miteinanderleben hilfreiche positive Potenzial der Arbeit zu verpassen. Kurzum: führt das Arbeiten in ihrer Wirkkraft auf die Öffentlichkeit notwendigerweise zu einer Weltlosigkeit?

III. Emmanuel Levinas über die Arbeit als weltentdeckende Tätigkeit

Wie auch Arendt maßgeblich beeinflusst durch eine eigentümliche Deutung ‚des Judentums‘ sowie seiner zwar anders gelagerten, aber mal mehr mal weniger offensichtlichen Auseinandersetzung mit Martin Heideggers Denken, zeichnet sich bei Emmanuel Levinas eine interessante Ähnlichkeit zu Arendts Ausführungen über das Phänomen der Arbeit ab. Nichtsdestotrotz gelangt er zu einem völlig anderen Ergebnis des ursprünglichen Verhältnisses von Arbeit und Welt, das uns im Spiegel zu Arendts Ausführungen einen Schritt näher an im Dunklen schlummernde Möglichkeiten der Arbeit für unsere Wirklichkeit heranführt; also an jene, die nicht notwendigerweise bereits entfaltet sind, sondern vielmehr in der Auseinandersetzung mit ihr noch entdeckt und entfaltet werden können.

1. Arbeit als Sich- und Welt-entwerfende Selbstsorge

Auch Levinas führt das Arbeiten zunächst als um die Selbstsorge bestrebte Tätigkeit ein, das überhaupt erst von der Bleibe aus – der Sammlung der bei sich bleibenden und dadurch mit sich vertrauten Existenz als Ich – möglich sei.59 Diese Bleibe, die auf eine Trennung von der immer schon menschlichen Welt zurückgehe und damit der Bruch mit der „naturhaften Existenz“ sei, die überhaupt erst das Innen der Bleibe ermöglicht, führt nicht zu einer Isolation, sondern „macht die Arbeit und das Eigentum möglich“.60 Anders gesagt ist diese Konstitution eines Innen bei Levinas der Ursprung dessen, dass ein Innen sich zu einem von ihm selbst gesetzten Außen verhalten kann, insofern „die Bleibe gegenüber dem Element, von dem sie trennt, offen“ bleibt und schließlich eine „potenziell entfernende, aber auch annähernde Distanzierung ermöglicht“.61 Die auf die Bleibe zurückgehende Arbeit ist schließlich bei Levinas die Tätigkeit, durch die insofern die Welt „entdeckt“ wird, als „die Arbeit den Elementen die Dinge [entreißt]“, das heißt durch den aktiven Umgang aus den Elementen ihre Dinge gewinnt, indem sie „die Dinge hervorruft“ und schließlich „Natur in Welt verwandelt“.62 Arbeit in ihrer Bezugnahme auf die Natur, die überhaupt erst von der sich selbst fiktiv herausnehmenden, um das eigene Zentrum sammelnde Bleibe möglich ist, wird damit bei Levinas im Gegensatz zu Arendt zu einer die Natur transzendieren weltenthüllenden und welthervorbringenden Tätigkeit, während das „reine lebendige“ die „äußere Welt“ ignoriere.63

Wie auch für Arendt, sind die Bedürfnisse des Menschen Levinas zufolge der Quell unserer Existenz, um die besorgt der Arbeiter sich in seiner Gegenwart verhält zu seiner Zukunft. Doch für Levinas, der als ursprüngliche Grundmotivation des lebendigen Individuums nicht das Leiden, sondern den Genuss setzt, erscheint die Arbeit facettenreicher als bei Arendt. Zum einen sei Arbeit Levinas zufolge insofern ursprünglich „egoistisch“, als sie „den Elementen, in denen ich bade, die Dinge entreißt“ und in ihrer Wirkung auf sie das Sein der Dinge von sich selbst abhängig macht; schließlich also „die Unabhängigkeit ihres dauernden Seins auf[hebt]“.64 Zum anderen sei der Mensch in der Arbeit zugleich bei sich, aber auch nicht bei sich, insofern er sich hier in einer tätigen Weise um seinen Genuss sorgt, und er dabei aber auf eine Exteriotität antwortet, die den Menschen „zur Arbeit und Bereicherung einlädt“, schließlich also praktisch denkend auf sie bezogen in ihr handelt. 65 Weder Entfremdung noch reine Selbstverwirklichung, sondern vielmehr, dass der arbeitende Mensch in dieser einen Zusammenklang seiner Internalität und der ihm begegnenden Exteriotität versucht, wird Arbeit zu einer nicht rein dem Überleben verpflichteten Lebensaufgabe, die aus der ursprünglich leiblich daseienden Existenz der Bleibe heraus Welt eröffnet und letztlich „die eigentliche Bestimmung der Hand ist“.66 Arbeit, im Menschen eine Tätigkeit, in der im Kontrast zu Arendts Perspektive Denken und Handeln zusammenwirken, sei keineswegs ursprünglich intellektuell, sondern aufgrund des Primats der von der Hand ausgeführten Bewegung ursprünglich leiblich; sie sei zunächst „weder Sehen noch Denken“, sondern schlicht der gewaltlose Verzicht auf die „Anonymität“ des Nichts, die das Wesen der Materie im Sinne des Elementalen für den Menschen ausmacht.67

Folglich wird sie nun zu einer Tätigkeit, in der der Mensch insofern zu einem konkreten Selbstentwurf finden kann, als hier einerseits Denken, Tun (oder gar Handeln?) und Leben zusammenlaufen, weil es andererseits im Gegensatz zum Genuss in der Arbeit um den Erwerb von Besitz geht.68 Im Umkehrschluss dessen, dass der Mensch in der Arbeit um den eigenen Besitz besorgt ist und Arbeit überhaupt erst das Tableau oder auch das Feld der Welt öffnet, ist Welt Levinas zufolge „möglicher Besitz, und jede Umwandlung der Welt durch Fleiß und Geschicklichkeit […] eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse“, schließlich also auch das, was „vom Leben erworben und in der Arbeit benutzt wird“.69 Mit dem Begriff der Materie die kulturphilosophische Differenzierung von Natur und Welt unterlaufend, wird die keineswegs neoliberal verstandene fundamental ökonomische Welt bei Levinas zu einer wesentlich menschlichen Neubestimmung der Materie, die in ihrer Bezugnahme auf das Elementale dieses anonym-unbestimmte in Dinge umformt, sich dabei aber unaufhebbar auf jene Materie bezieht, die zunächst als Elementales erschienen ist. Arbeit gewissermaßen als wirkungsträchtige Membran zwischen Natur und Welt verstehend, die wechselseitig voneinander abhängig sind, haben wir es nicht mehr mit einer diametralen Gegenüberstellung von Oikos und Polis zu tun, sondern vielmehr mit einer Verflechtung, bei der sich die Dimensionen fundamental mit- und durcheinander responsiv entfalten.

2. Freiheit als Fond der Selbstfürsorge

Damit wird die Welt zugleich insofern zum Ort der in eigens gewählte Bezüge gestellten menschlichen Freiheit, als die Bewegung der Arbeit eine Welt hervorbringt, indem sie von sich aus – also aus dem eigenen Tätigsein heraus – ihre Umgebung objektiviert. Die „Zugehörigkeit [der menschlichen Freiheit] zur Welt, in der sie sich zu verlieren droht, ist gerade – und zwar gleichzeitig – dasjenige, wodurch sie sich bewahrt und bei sich ist.“70 Damit erhält die menschliche Freiheit ihren Sinn überhaupt erst von der Welt aus, die in ihrer jeweiligen Erscheinung selbst eine Erscheinungsweise der menschlichen Freiheit wird, denn „Freisein heißt, eine Welt konstruieren, damit man darin frei sein kann.“71 Ursprung dieses abhängigen Freiseins ist jedoch nicht „eine Freiheit, die vom Sein abgehoben hat“, sondern geht zurück auf „einen Willen: ein bedrohtes Seiendes, das indes über Zeit verfügt, um der Drohung zu begegnen“, die sich am radikalsten im Tod zeigt, und schließlich in der Arbeit einen konkreten Umgang findet.72

Arendt, die sich auf die Gegenüberstellung von privatem und öffentlichem Lebensbereich ebenso versteift wie auf die von Natur und Welt, zeichnet im Spiegel von Levinas Ausführungen ein unterkomplexes Bild von ‚der Arbeit‘, indem sie – scheinbar auf die bloße Tätigkeit des Industriearbeiters beschränkt – das Verflochtensein unseres Arbeitens in unseren nicht bloß physiologischen Lebenszusammenhang unterläuft. Während Levinas den Zusammenhang von oikologischer und polis-förmiger Ökonomie beschreibt, ohne – wie wir noch sehe werden – das menschliche Miteinander darauf zu reduzieren, verhärtet Arendt die Differenzierung von oikos und polis zu einem Dualismus, der streng genommen die Bedürftigkeit des Menschen tendenziell zu unterlaufen und schließlich auch zu einem Antagonismus von Oikos und Polis zu führen droht. Gewiss steht das menschliche Leben nicht notwendigerweise im Dienst der Arbeit, wie wir Menschen nicht bloß über das Arbeiten miteinander verknüpft sind. Doch einerseits sind wir Menschen auch über die Arbeit miteinander verwoben – ob in Produktionsverhältnissen, in Dienstleistungsberufen oder in der Befriedigung unserer Lebensbedürfnisse; im Arbeiten immer auch bezogen auf das, was uns als Welt erscheint, da der Sinn der jeweiligen Materialien vom Menschen gestiftet wird; und verhalten uns zu unserem eigenen Lebensentwurf, den wir beeinflusst durch andere Menschen gewinnen. Damit kann die Arbeit weder vollends von der Sphäre der Öffentlichkeit noch vom Denken befreit werden und letztlich nicht so streng vom Herstellen und Handeln getrennt werden, wie Arendt es versucht. Arbeit ist, weil sie von Menschen ausgeführt wird, die fühlend, denkend und wollend leben, immer auch beeinflusst von und getragen durch Ideale, selbst durchfurcht, Ausdruck von und mehr oder weniger bewusster Aushandlungs- und Wirkort von Idealen. Denken und Arbeiten – nicht von ihrer Tätigkeit, sondern von ihrem Phänomen her betrachtet, bei dem es um die Tiefendimensionen der Bewegungen geht – stehen sich nicht gegenüber, sondern können einander in einem hochdynamischen Mit-, Gegen- und Zueinander bedingen in einem Sinne, dass sie einander fundieren, umgreifen und entgegenstreben. Ihr spannungsvolles Zusammenlaufen kann womöglich zu menschlichen Handlungen führen, die im Stande sind, eine neue Welt zu erschaffen – und zwar, wenn sowohl der Stellenwert wie auch das Wie des Arbeitens reflektiert und im Anschluss an diese Reflexionen auch modifiziert wird. Denn Arbeit wird bei Levinas zugleich zu einer lebensnotwendigen Tätigkeit, aber auch – und das steht im Widerspruch zu Arendts Beschreibung – zu einer Dimension, die fundamental involviert ist an der Entfaltung der menschlichen Freiheit. Selbst eine Tätigkeit, durch die Natur in Welt umgewandelt wird, wird sie zu einer Erscheinungsform der menschlichen Freiheit, und als solche eine, die gerade die Abhängigkeit der menschlichen Freiheit von unserer Natur, unserer Welt, anderen Menschen und der Realisierung im Tun erlebbar macht. Kurzum: die menschliche Freiheit zeigt ihre Wirkkraft in der realen Entfaltung ihrer selbst, wozu es des aktiv eingreifenden und sich verhaltenden Subjekts bedarf.

Mit anderen Worten zeigt Arendt in ihrem Narrativ der Arbeit eine bemerkenswerte Präzision und Aufmerksamkeit gerade hinsichtlich der Verschiebungen und Auswirkungen innerhalb der soziokulturellen Geschichte auf, zeigt aber selbst eine erstaunliche Unbeweglichkeit in Bezug auf die Praxis und Bedeutsamkeit des Arbeitens, indem sie schon fast rigide auf ihr Verständnis von Arbeit beharrt, und nicht erst den Versuch unternimmt, im Zuge ihrer Genealogie des Arbeitens einen neuen Umgang mit dieser menschlichen Grundtätigkeit, letztlich also eine neue Art und Weise des Arbeitens zu reflektieren. Diese Unbeweglichkeit ist vermutlich letztlich Ausdruck ihres eigenen bereits (vor)bestimmten Verständnisses von Arbeit, der zufolge diese gerade nicht der Ort der menschlichen Freiheit sein könne; die Arbeitspraxis schließlich nur dann ihrem Phänomen gerecht wird, wenn sie sich in den Bahnen ihrer Natur bewegt.

3. Entfaltung der Freiheit im Angesicht des Anderen

Zurück zu Levinas. Die Freiheit des Menschen gebiert sich ihm zufolge nicht in einer Unabhängigkeit zu anderen. Vielmehr verweist bereits die sich qua Differenzierung herausnehmende in sich sammelnde Bleibe auf anderen Menschen, denn „[d]ie Innerlichkeit der Sammlung ist eine Einsamkeit in einer Welt, die schon menschlich ist“, gewinnt sich also aus der Erfahrung mit Anderen, deren „Anwesenheit“ selbst im Moment der Erfahrung „auf diskrete Weise eine Abwesenheit ist.“73 Wie auch Arendt, negiert Levinas, dass die Arbeit der alleinige Ursprung der menschlichen Beziehungen untereinander ist. Doch im Kontrast zu Arendt wird sie nicht zum Grundverhältnis, durch das sich der Einzelne erhält und dadurch die Möglichkeit von einer aus Individuen bestehenden Gemeinschaft eröffnet, sondern vielmehr das Ereignis der „Zweideutigkeit des Leibes, durch den das Ich im Anderen gebunden ist, aber immer von Diesseits kommt.“74 Im Zuge dessen sei der Ursprung der Arbeit ein von der Hand erprobtes und durchgeführtes Suchen und Versuchen75, eine Bewegung, „das Ziel zu suchen und auszumachen76; Arbeiten schließlich nicht schlicht eingebettet in zielgerichtete Kontexte, sondern in ihrer heuristisch-(Welten)eröffnenden Wirkweise selbst eine Sinn- wie auch Möglichkeiten-eröffnende Tätigkeit, die „nur für ein Seiendes möglich [ist], das die Struktur des Leibes hat, für ein Seiendes, das Seiende erfaßt, d. h. für ein Seiendes, das sich bei sich sammelt und mit dem Nicht-Ich nur in Beziehung ist.“77 Daher sei sie auch nicht eine kontinuierlich Wiederholung einer überzeitlichen Technik, sondern selbst eine Tätigkeit, die sich aus der Spannung von Mensch, Erde und Welt verwirklicht, dabei zugleich Einfluss hat auf diese und ihre Technik aus dem „versuchende[n] Herumtasten“ der Hand gewinnt.78 So bewegt sich der Arbeiter nicht im Arendtschen Kreislauf der Natur, sondern entdeckt in der Arbeit seine eigene Differenzierung. Der Arbeit kommt so ein hermeneutisches wie auch heuristisches Moment zu, von dem aus der Mensch eine Erkenntnis über sich, letztlich vermutlich auch ein neues Verhältnis zu sich gewinnen kann, das ihm ein anderes Verhältnis zu seiner Umgebung eröffnet.79

Zu guter Letzt – und das eröffnet einen im Gegensatz zu Arendt fundamental neues Verhältnis von Arbeit und Welt resp. der Frage des Anderen in diesem Gefüge und dem Potenzial der Arbeit für dieses Gefüge – sind Bleibe, Arbeit und Welt Bewegungen, durch die Menschen sich überhaupt erst tatsächlich begegnen können. Da meine Bleibe Levinas zufolge insofern meine Begegnung mit dem Anderen fundiert, als ich ihm dabei „mein Haus öffne“80, wird der Bereich der Innerlichkeit kein egoistisches Unterfangen, bei dem diese Innerlichkeit bloß für mich existiert, sondern der Ort, wo bzw. von dem aus ich dem Anderen begegne und für die es der Arbeit bedarf. Arbeit als welteröffnende Tätigkeit wird im Zuge dessen nicht als direkter Ursprung des Miteinanders formuliert – das Miteinander also nicht auf die Tätigkeit der Arbeit reduziert –, sondern Arbeit insofern als eine Grundbewegung eingeführt, deren Besitzstrebsamkeit ermöglicht, dass ich andere Menschen in mein Haus einladen kann.

Das Haus geht dem Anderen nicht zuvor, ist also auch keine „Verwurzelung“, sondern eine „Loslösung“, eine Separation aus dem ursprünglichen Geflecht mit der Welt, die auch den Anderen beherbergt. Arbeit und die Begegnung mit dem Anderen sind nicht dualistisch voneinander getrennt, sondern laufen in der Leiblichkeit des Menschen bzw. dem konkreten Leib, zusammen. „Eine menschliche oder zwischenmenschliche Beziehung vermag sich nicht außerhalb der Ökonomie abzuspielen, man kann ein Antlitz [als das der andere Mensch mir erscheint] nicht mit leeren Händen und geschlossenem Haus ansprechen: Die Sammlung in einem Haus, das dem Anderen offensteht – die Gastlichkeit –, ist der konkrete und ursprüngliche Tatbestand der menschlichen Sammlung und der Trennung.“81 Für Levinas gründend in „dem Begehren des absolut transzendenten Anderen“, der kein Mensch ist und wohl im Begriff des Gottes sein strukturelles Äquivalent findet, sind das Haus wie auch die Ökonomie der Fond, von dem aus sich die Einladung eines anderen Menschen zu sich selbst eröffnet, womit er Arendts Dualismus von oikos/ Arbeit und polis/ Handeln unterläuft, ohne dadurch eine Modifikation der Arbeit im Ausgang des Miteinanders thematisch werden zu lassen, aber auch nicht in eine Verherrlichung der Arbeit im Sinne der Erwerbsarbeit verfällt.82 Und doch wird damit die Arbeit als eine Bewegung eingeführt, die überhaupt erst „das Angebot der Welt gegenüber dem Anderen“ eröffnet, der „die besessene Welt in Frage stellt“ – und damit womöglich immerhin eine Modifikation der Welt oder vielleicht sogar ein anderes Verhältnis des Selbst zu seiner Welt eröffnet. Kurzum wird sie damit zu mehr als eine bloß lebenserhaltenden Tätigkeit, sondern zu einer, die fundamental ausgerichtet ist auf andere Menschen wie auch auf den Anderen im Sinne des Göttlichen bzw. von diesen herkommt, und – wie bereits thematisiert – fundamental involviert ist in die Entfaltung der menschlichen Freiheit, die ihre Erscheinung erst vom konkreten Lebensvollzug her gewinnt. Im Angesicht dessen wird die Praxis der Arbeit zu einer, die in einem weit über die biologische Selbsterhaltung hinausgehende Wirkkraft auf unser konkretes Miteinanderleben hat. Damit fundamental nicht ausschließlich im Bereich der ‚Natur‘ eingeordnet, die strenggenommen aufgrund der Wirkkraft des menschlichen Handelns immer schon in einem spezifischen Sinne beeinflusst ist durch den Menschen, wird die Arbeit zugleich Ausdruck wie auch der Ort eines Zusammenrückens vermeintlich disparat-autonomer Bereiche. Damit wird Arbeit nicht nur zu einem bedeutsamen Vehikel unsere Miteinanderlebens im Sinne des Lebens mit anderen Menschen wie auch unserer Umgebung, das diese Verhältnisse nicht nur gefährden, sondern auch im dem Lebendigen adäquaten Sinne befruchten kann. Ebenso wird aufgrund der ursprünglichen Verschmelzung der Bereiche eine qualitativ größere Aufmerksamkeit für die konkrete Gewichtung und die konkreten Verhältnisse angefragt, womit wir uns in einer kritischen Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit bewegen. Kurzum: so wichtig eine kritische Betrachtung der soziokulturellen Arbeitsverhältnisse auch ist, reicht es nicht aus, Arbeiten, Herstellen und Handeln derart strikt voneinander zu trennen, wenn diese Tätigkeiten doch im Menschen zusammenlaufen, von diesem ausgeübt werden und damit auch auf diesen wirken. Das scheint erst bei Levinas durch und wird nun mit Fink zur Entfaltung gebracht, um schließlich in Ergänzung mit Haraways Anliegen das revolutionäre Potenzial der Arbeit für das Leben als eine der Möglichkeiten des Menschen entsprechende Potenzierung der möglichen Wirkkraft in und durch die Arbeit zu entdecken.

IV. Eugen Fink über die Arbeit als gestaltend-schöpferisches Grundphänomen der menschlichen Existenz

Vor aller Wissenschaft wird unser Menschenleben bestimmt und in Bewegung gehalten durch die Vielfalt und das Gegenspiel der wesentlichen Existenzphänomene: durch Liebe und Streit, durch Arbeit, durch Kampf um die Herrschaft, durch die Scheu vor den Himmlischen und die Ehrfurcht vor den Abgeschiedenen (Fink 1958, 2).

Was in Arendts Arbeit als Grundtätigkeit oder auch Levinas Arbeit als Selbstkonstitution und -erhaltung eher unterschwellig zum Ausdruck kommt, wird von Eugen Fink – zugegebenermaßen in den Bahnen eines divergenten Verständnisses von Welt – formuliert, wenn er die Arbeit als ein Grundphänomen des Menschen bezeichnet. Doch diese oberflächliche Übereinstimmung erweist sich als eine spannungsreiche Differenz, die gerade hinsichtlich des Verhältnisses von Arbeit und Welt bzw. Arbeit und Binnenwelt einen entscheidenden Unterschied macht, da bei Fink das von Arendt unterlaufene und bei Levinas latent durchscheinende gestaltend-schöpferische des Arbeitens betont wird.83 Arbeit als ein Grundphänomen zu begreifen, heißt für Fink, dass diese unaufhebbar zum menschlichen Leben gehört; „das ganze Dasein gleichsame die Farbe, die Stimmung und die Sprache“ der Arbeit gewinne, sie als „ein Grundphänomen des menschlichen Lebens“ allerdings erst im Zusammenwirken mit anderen Grundphänomenen ihre Wirkkraft entfaltet.84 Als solche tritt sie nicht schlicht sur plus zum Leben hinzu und ist zugleich ursprünglich involviert in die Entfaltung des Miteinanders. Sie ist eine Tätigkeit, die „mit dem Menschen selbst“ anfängt und streng genommen nur fiktiv als eine „reine Anfangssituation“ konstruiert werden kann85; schließlich eine unaufhebbare Lebenssituation, in denen der Mensch „seinen eigenen Daseinsvollzug erfährt“86 und damit zu einer Reflexion über die Grenzen der menschlichen Wirklichkeit einlädt. Folgen wir dieser Einladung.

1. Arbeit als sich-verhaltendes Grundphänomen

Auch Fink verortet das Grundphänomen der Arbeit in den Kreis der Natürlichkeit des Menschen. Doch diese fasst er weiter als Arendt, indem Arbeit bei ihm auch, aber nicht bloß die Antwort auf körperliche Bedürfnisse und Nöte ist, sondern – entgegen der Arendtschen Trennung von Arbeiten, Herstellen und Handeln – ihr sowohl ein herstellender wie auch ein sozialer Charakter inhärent sei. Er spricht ihr also jene herstellende und auch intersubjektiv-schöpferische Dimension zu, die Arendt zugunsten ihres eigentümlichen Handlungsverständnisses vom Bereich der Arbeit zu trennen versucht. Nicht unbedeutend ist dabei, dass sich ihm zufolge im Gegensatz zu Arendts Auffassung im Arbeitsprodukt das Herstellen und auch das Denken kreuzen, da sich hier eine Idee und ein gewisses Wissen in der konkreten Erscheinung zeigen, die überhaupt erst durch den herstellenden Charakter der Arbeit möglich sei. „Herstellen“, so Fink, sei „immer ein Herausstellen ins Licht“, schließlich „ein Bewirken von solchem, was nicht einfach von Natur aus da ist.“87 Diese schon auf den Arbeitsprozess bezogene Beschreibung geht schließlich darauf zurück, dass wir sowohl leibsinnlich wie auch verstehend unsere Umgebung erfahren, in die wir qua unserer Existenz verwoben sind. „In unserer leibsinnlichen Existenz sind wir von der Natur gleichsam eingenommen, durchwaltet und durchstimmt.“88 Dieser Durchmachtung der Natur werden wir uns gerade in Momenten der Entbehrung inne. Und in „diesem Entbehrungswissen gründet die menschliche Arbeit, soweit sie ihr Motiv in der Notdurft der leibsinnlichen Existenz des Menschen hat.“89 Arbeit gründe zugleich in der „verstehenden Offenheit“ des Menschen „für seine leibliche Kommunion mit der Erde. […] Nur der leibhaft in der Erde verwurzelte und um solche Verwurzelung wissende Mensch kann arbeiten.“90 Der Leib ist nicht nur insofern Ursprung der Arbeit, als dieser uns zu ihr aufruft; er ist es auch, indem diese ihm entspringt – „jede menschliche Arbeit überhaupt bedarf des Leibes. Nur weil wir einen Leib haben, können wir arbeiten, können einen Widerstand entfalten, können fremdes Seiendes umformen und umgestalten.“91 Er geht damit über die Arendtsche Bindung der Arbeit an den Körper hinaus, da der Leib eben nicht bloß der biologischen Selbsterhaltung dient, sondern als in sich spannungsreiche psychophysische Einheit unsere Involviertheit in all ihren Dimensionen begründet und zugleich zu jedem Zeitpunkt ein Ausdruck unserer (bisherigen) Involviertheit ist.

Tiefergehend betrachtet ist Arbeit Fink zufolge das aktive Sich-Verhalten des Menschen zu der eigenen Ungeborgenheit, die darauf zurückgeht, dass der Mensch seinem Ursprung nach „die bewusstlose Geborgenheit des Tiers verloren und die Naturentrücktheit der Götter nicht erreicht“ habe, und als solche Quell unserer Nöte ist.92 Selbst das Zwischenwesen par excellence, das sich zu seiner eigenen Zwischenwesentlichkeit verhält, sei die Arbeit nicht bloß „eine bestimmte Möglichkeit unter vielen Möglichkeiten, uns zu den uns umgebenden Umweltdingen aktiv zu verhalten.“ Sie ist also dies und mehr als dies, denn Arbeit sei „primär nicht Gestaltung von Dingen, sondern Gestaltung unseres Verhältnisses zu den Dingen. […] Die Arbeit verändert nicht in erster Linie Dinge, sondern unseren Umgang mit den Dingen“.93 Wir bewegen uns demzufolge im Arbeiten nicht schlicht im bereits präfigurierten Kreislauf der Natur, wie Arendt es behauptet, sondern kreieren in der Arbeit ein spezifisch-konkretes Verhältnis zu den Dingen, aus der wir unsere konkrete Existenz schöpfen. „Die Arbeit verändert – in einem offenen Geschichtsgang“, also nicht im Voraus bestimmt, sondern dynamisch aus dem Zusammenwirken konkreter Verhältnisse erwachsend – „fortschreitend das menschliche Naturverhältnis.“94 So wie Arbeit bedingt sei durch ein bestimmtes Naturverhältnis, so verändert sie dieses; ist also ein wirkmächtiges Verhältnis zu dem Sich-Verhalten des Menschen, der „existiert, indem er sich ‚verhält.‘“95 Mit anderen Worten sei Arbeit „die geschichtliche Bewegtheit des humanen Naturbezugs“96, womit eine jede Geschichte der Arbeitspraxis immer auch zu einer Geschichte eines konkreten menschlichen Naturverhältnisses wird. Arbeit ist also nicht bloß das Verhalten zum nichtmenschlichen, auch nicht eine Bewegung in überzeitlich vorgezeichneten Bahnen, sondern liegt vielmehr ihrem Wesen nach in der „Umgestaltung des humanen Naturbezugs als solchen“97, womit auch explizit auf andere Menschen ausgerichtete Dienstleistungstätigkeiten impliziert wären. Sie wird zu einer Facette der menschlichen Geschichtsschreibung, die auf historisch gewachsene Konstellationen reagiert: „Arbeit – ganz formell genommen – ist eine bestimmte Weise des menschlichen Umgangs mit den weltlichen Dingen – und auch mit den Mitmenschen. Der arbeitende Mensch läßt das ihn umgebende Seiende nicht in dem vorgefundenen Zustande, sondern er wirkt mannigfaltig darauf ein“, wodurch er seine eigene Geschichte bearbeitet: „Die Menschheitsgeschichte ist in einem wesentlichen Sinne die Geschichte der humanen Arbeit.“98 Diese kann, wie Arendt aufzeigt, in eine lebensfeindliche Wirklichkeit abdriften – wohlmerklich: kann, muss aber nicht.

2. Arbeiten und Freiheit

Folgen wir Finks Spur, so heißt das auch, dass wir uns – wie auch bei Levinas und im Gegensatz zu Arendt – in der Arbeit immer auch verhalten zu unserer Freiheit, die aufgrund der Endlichkeit des Menschen keine vollkommene, sondern eine durch die Endlichkeit des Menschen limitierte Freiheit ist; eine Freiheit, die „vielleicht nur ein Umweg der Natur ist.“99 Das Moment der Freiheit hebt im Zuge dessen weder auf eine Autarkie von äußeren Umständen noch auf eine durch das Denken eingeführte Transzendenz ab, sondern meint im Sinne des in der Arbeit erbrachten „freiheitliche[n] Vollzug[s] der Verformung100 eine auf Distanzierung, Planung, Absicht und Voraussicht basierende Tätigkeit, die in ihrer vermeintlichen Überwindung des Natürlichen gebunden bleibt an diese, und sich zugleich nicht ihren Regeln ergibt, sondern sich im Überschwang der eigenen Bedürfnisse in ihren Werksgebilden selbst entäußert.101 Einerseits planende Fürsorge um seine Bedürfnisse, andererseits Betätigung seiner „Freiheitsmacht“ und Ausleben seiner „Schöpferkraft“102, sei das Herzstück dieser Bewegungen die „Naturentfremdung des Menschen. Damit meinen wir jenes Spannungsverhältnis, daß der Mensch sich einerseits der Natur gegenübersetzt, andererseits aber von ihr durchmachtet bleibt. Arbeitend handelt der ‚naturentfremdete Mensch gegen die Natur und zugleich mit der Natur.“103 Menschliche Arbeit ist also keine göttliche creatio ex nihilo, keine Schöpfung aus dem Nichts, das sich an die Stelle des Nichts setzt, sondern sie „ist ein endliches Schaffen, setzt schon eine uns umgebende und auch uns selber einnehmende und durchstimmende Natur voraus“.104 Sie gründet in unseren Bedürfnissen, gründet „jedoch nicht so in den natürlichen Bedürfnissen, daß sie mit der Bedürfnisbefriedigung erschöpft wäre“105, sondern wird zum Austarierungs- und Erfahrungshorizont unserer Freiheit samt der damit aufgehenden Macht: „in der Arbeit wird er seiner Freiheit inne, erkennt sich als schöpferische, schaffende Macht, die zur Sache werden kann dafür, daß anderes ist. Der Mensch erfährt sich als ein Tor ins Wirkliche: Aus seiner Freiheit kann ‚Seiendes‘ bestimmten Gepräges entstehen. […] Arbeit ist ein Weg zur Selbstvergewisserung der menschlichen Freiheit“, die als eine endliche Freiheit selbst abhängig ist vom Tod und der Weltbezüglichkeit des Menschen. Keineswegs befriedigt über die Arbeit, erfährt er über sie, dass sie „nicht Ende seiner hervorbringenden Kraft bedeutet, daß weitere Möglichkeiten des Herstellens und Verfertigens vor ihm liegen.“106 In der Arbeit zeigt sich zugleich die „Macht und Ohnmacht des Menschen“, der in der Arbeit gestalterisch oder gar schöpferisch107 tätig ist, aber auch der Arbeit bedarf, um sein Überleben gewährleisten zu können, und letztlich über seine existenziell notwendigen Bedürfnisse hinausgeht, da ihm aufgrund der eröffnenden Wirkweise der Arbeit neue Möglichkeitshorizonte offenbar werden.

Arbeit und Freiheit müssen sich also nicht vollends ausschließen, gehen aber auch nicht ineinander auf, sondern stehen in einem engen spannungsreichen Verhältnis zueinander, wenn man sich bewusst macht, das wir einerseits unsere Art und Weise des Arbeitens beeinflussen, uns dadurch Handlungsfelder erschließen und letztlich dadurch auf unser Verhältnis miteinander und immer auch auf andere Menschen Einfluss nehmen. Andererseits kann sie als Ausdruck wie auch als Entfaltungsort unseres Weltverhältnisses verstanden werden, von dem aus sich die Bedeutsamkeit des Arbeitens für unseren gesamten Lebensvollzug und auch unserer Welt erweisen würde. In den Worten Finks erhalt der Wesensort des Menschen seinen Sinn nicht in Abgrenzung zu anderem Seienden, wie auch der Umgang mit den Dingen nicht bereits festgelegt ist, sondern „zu den Dingen in der Welt verhält er sich, weil er zuvor und ursprünglicher sich zur Welt selbst verhalten hat. Das Weltverhältnis ist die fundamentale Seinsverfassung der menschlichen Existenz, in der Selbstsein, Mitsein und Sein-bei-Dingen insgesamt gründen.“108

3. Die soziale Dimension des Arbeitens

Zugleich gewinnen wir unser Verhältnis zu den Dingen auch durch unsere intersubjektive Verwobenheit: „Das Sein-bei den Sachen ist je schon ein vergemeinschaftetes in gemeinsamer praxis, poiesis und theoria.“109 Dem Arbeiten ist also ein wesentlich sozialer Charakter inhärent, durch den das Gemeinsame insofern zu ihrem Dreh- und Angelpunkt wird, als es erst durch ein gemeinsames Tätigsein möglich sei, einem jeden das Gefühl der der Arbeit vorgeschalteten Bedürftigkeit bekannt sei und die durch das Arbeiten hervorgebrachten Produkte potenziell auch für andere Menschen verfügbar sind. In der Arbeitsteilung komme schließlich

der grundsätzlich soziale Charakter der Arbeit heraus; sie ist nicht bloß ein Bezug des Menschen zur Natur, zum Stoff, nicht nur eine Dokumentation unserer Freiheitsgewalt […] – sie ist vor allem ein Verhältnis des Menschen zu sich und ein Verhältnis der Menschen untereinander. Arbeit ist nicht isolierte Tätigkeit des einzelnen, sie ist Mit-Arbeit, Zusammen-Arbeit. Arbeit hat von zu Hause aus einen kollektiven Sinn. […] Arbeit als Vorsorge, als Vorgriff auf Künftiges setzt ein Verstehen der Zeit als solcher voraus – und zu solcher Zeitoffenheit gehört wesentlich die Anerkennung des anderen Mitmenschen, der Einblick in das Schema eines möglichen, wechselseitigen Einstehens füreinander, etwa in der elementarischen Form der vorsorgenden Fürsorge der Eltern für die Kinder. In der Arbeit ist immer mitmenschliche Situation miterschlossen. […] auch der Robinson auf der einsamen Insel schafft nicht bloß und ausschließlich ‚für sich‘; seine arbeitende Werktätigkeit hat eine intersubjektive Bedeutsamkeit; er könnte mit anderen sich die Arbeitsprodukte teilen.110

Sowohl der produzierende Arbeitsprozess wie auch die dadurch hervorgebrachten Arbeitsprodukte bewegen sich nicht in den Wegbahnen eines solitären Menschen, sondern sind ursprünglich intersubjektiv geöffnet – womit schließlich das Gefahren-, aber auch das Fürsorgepotenzial eröffnet ist. So stünden Arbeitsprodukte potenziell auch anderen zur Verfügung, die selbst vertraut seien mit den „Grundnöten unseres Daseins“111, weswegen jede/r Arbeitende diese Arbeit „potenziell für alle anderen“ verrichtet. Die Arbeitsteilung sei insofern eine besondere Form dieser potenziellen Arbeit für andere, als diese „von Anfang an im Horizont einer gemeinschaftlichen Lebensfürsorge“ [steht]. Die Arbeitsteilung ist also ein Ausdruck ursprünglicher kollektiver Verbundenheit.“112 Sie sei schließlich eine konkrete Antwort darauf, dass die Arbeit aufgrund ihrer intersubjektiv-sozialen Dimension „notwendig korporative Formen aus[bildet]“, sich von ihr aus also Gruppen und Gemeinschaften stiften, die sich von anderen abgrenzen. 113 „Der menschliche Naturbezug […] ist das Verhältnis einer Gruppe, eines Volkes, eines Sozialverbandes, ist eine wesentliche Grundweise des Miteinanderseins im formenden, gestaltenden Bezug zur Natur um uns und in uns. Arbeit ist gemeinschaftliche Existenz im poietischen Naturumgang.“114

Die Verlagerung auf einen Arbeitsschritt könne „überhaupt nur gewagt werden, solange das Vertrauen auf die wechselseitige Verantwortung der Menschen füreinander, das Vertrauen auf einen solidarischen Gemeingeist intakt ist“115 – erfordert also eine gewisse Offenheit für und Einfühlung in den Anderen. Arbeit steht demzufolge ursprünglich potenziell im Dienste der Grundnöte meiner selbst und auch anderer Menschen; ist also nicht bloß egozentrische biologisch bedingte Selbstfürsorge, sondern immer auch ein Dienst, der auf den Anderen wirkt; und zwar auf konkrete andere Menschen, nicht bloß im Sinne einer biologischen Erhaltung des Menschengeschlechts. Arbeit ist also Fink zufolge weder bloß die Arendtsche Selbsterhaltung bzw. Selbstverwaltung des einzelnen Menschen, noch nur das Moment, durch das der Mensch seine Welt verstehend kennenlernt, sondern all dies, und zwar in der Verwobenheit seines Daseins in intersubjektive Netze. Arbeit wird damit zu einem Ort, von dem aus in seinem Zusammenwirken mit anderen Grundphänomenen soziale Verhältnisse geschaffen werden; wirkt also grundlegend an der Konstitution des Binnenweltlichen mit.116 Selbst ein Verhalten zu unserer ursprünglichen Verantwortung für unsere Existenz, wird sie zu einer ursprünglich ethischen Dimension, womit ihr lebenssichernder Charakter auf eine qualitativ andere Ebene gehoben wird. Wie auch bei Arendt und Levinas eine unaufhebbare Tätigkeit des Menschen, geht Fink so weit, ihr die von Arendt und Levinas diskreditierte fundamentale soziale Wirkkraft anzuerkennen, ohne dabei das Soziale auf die Arbeitsverhältnisse zu reduzieren. Indem er sie beschreibt als „ein bedeutsames Grundphänomen des Daseins, aber nicht das einzige oder einzig fundamentale,“ da „auch andere Sozialfaktoren im Bau der Gesellschaft“ wirken, setzt er ihre Wirkkraft in ein Verhältnis zu anderen Grundphänomenen, von deren spanungsreichen Zusammenwirken aus überhaupt erst konkrete soziale Verhältnisse erwachsen. So sei der „frühe Sozialverband […] geprägt durch eine bestimmte Ordnung der erotischen, der Macht- und Arbeitsverhältnisse; je ein bestimmtes Verhältnis der Geschlechter zueinander bestimmt auch mit dem Machtordnung und auch die Arbeitsordnung […].“117

Vielleicht dringt schon hier der Appell an eine Auseinandersetzung mit der Frage der Art und Weise unseres Arbeitens durch, wenn Fink schreibt: „Die Menschen haben nicht alle die gleiche Chance im Dasein. Mit der Ungerechtigkeit der Natur muß man sich abfinden. Aber nicht mit der Ungerechtigkeit der von Menschen geschaffenen sozialen Verhältnisse.“118 Arbeit, die von Fink als spannungsreicher Zwischenort der bedürftigen Natürlichkeit des Menschen und der sozialen Verhältnisse beschrieben wird, hat womöglich gerade aus diesem verhältnisstiftenden Zwischen heraus das Potenzial, unser Verhältnis zu uns selbst, den Anderen und dem, was uns als Welt erscheint bzw. für uns zu Welt wird, zu verändern. Doch diesem Potenzial können wir uns bloß dann annähern, wenn wir Arbeit nicht schlicht als ursprünglich egozentrische Überlebensstrategie eines einzelnen, in der Arbeit vermeintlich solitär sich um sich selbst sorgenden Menschen begreifen, sondern uns ihrer egozentrischen wie auch gemeinschaftlichen Wirkkräfte bewusst werden. Die Frage nach der Arbeit, so können wir sagen, stellt immer auch die Frage danach, wer wir gegenwärtig sind und wie wir leben, aber auch wer wir sein und wie wir leben wollen – gemäß unserer Bedürfnisse, Möglichkeiten und Träume. Dies zeigt sich vor allem auch in Finks Engführung von Arbeit und Herrschaft als zwei „verschiedene, aber strukturverwandte Existenzphänomene“ dessen, „was Nietzsche als ‚Willen zur Macht‘ bestimmt“, das heißt „die Grundformel einer Weltauslegung ‚jenseits von Gut und Böse‘, welche der wirklichen, der irdischen Welt treu bleibt und sich nicht in imaginäre ‚Hinterwelten‘ flüchtet.“119 Diese beiden aus dem Überlebensdrang herkommenden und das gesamte Leben begleitenden120 Erscheinungsweisen des Eros sind in der Lage, eine homophile, aber auch eine homophobe Umgebung zu stiften, wobei dem Menschen das Vermögen zukommt, sich zu diesen Möglichkeiten des Eros zu verhalten – die Geschichte des Menschen mit dem Eros also keineswegs auserzählt ist, sondern umgekehrt von dort aus seine Entfaltungsmöglichkeit erhält.

V. Mit Eugen Fink und Donna J. Haraway über das revolutionäre Potenzial der Arbeit

Arbeit ist Fink zufolge weder per se gut, noch per se schlecht121, sondern je nach ihrer konkreten Form in einer einzigartigen Verschränkung zugleich „Freundschaft zur Erde“ und gegen die Wildnis gerichtet; helfender Freund und feindschaftlich-gesinnter Vernichter, Teilnahme an der Welt und Abgrenzung von ihr. Arbeit in ihrer selbstverstehenden und selbstentwerfenden Antwort auf die Nichtfestgestelltheit des Menschen ist zugleich auch insofern „Herstellung und Entstellung“, als der Mensch sich in der Umformung der Natur selbst setzt, sich also eine eigene Welt schafft und damit eine „Kommunikation mit der Umwelt [versucht]: der Mensch vermenschlicht die Dinge – und verdinglicht sich dabei unversehens. […] Dieses ganze gespannte Verhältnis von Selbstbehauptung und Selbstverlust bestimmt in einem weiten Ausmaße die innere geschichtliche Dialektik der menschlichen Arbeit“122

1. Die Grenzen verrückende Wirkkraft der Arbeit

Arbeit, selbst potenziell wie auch historisch eine Praxis des Ausfechtens „bestimmter Willenstendenzen gesellschaftlicher Machtgruppen“123 bewegt uns – und hat damit einen fundamentalen Einfluss darauf, was uns als Welt und Wirklichkeit erscheint. „[D]ie Arbeit steckt in den Dingen selber, hat sich in ihnen niedergeschlagen, ‚objektiviert. Unsere Umwelt ist in einem hohen Maße eine aus der Arbeit hervorgegangene Geschichtswelt“, insofern die Arbeit zwar bezogen ist auf die Wildnis, diese jedoch zurückgedrängt hat und damit in ihre Schranken gewiesen hat – jedenfalls hinsichtlich des eigenen Wahrnehmungsbereiches.124 Sich selbst keineswegs in den Bahnen einer prästabilisierten harmonischen Natur bewegend, sondern in ihrer Bezugnahme auf materielle Vorkommnisse Wirklichkeit, Welt und Erde wesentlich modifizierend, ist sie längst nicht reduzierbar auf die lebenserhaltende Funktion, die Fink zufolge in der Antike der „autarkeia“ gegenüberstünde. 125 Sie ist selbst ein Ort der Selbst(er)findung des Menschen, die die Grenzen von Welt, Wirklichkeit und Erde bewegend verrückt; ein Zwischen, das durch die „Polarität von Not-Wendung ‚natürlicher‘ Bedürfnisse und geschichtlicher Aktion der Freiheit gekennzeichnet“126 ist. Diese in der Arbeit schlummernde Dynamik zeige sich Fink zufolge vor allem – und man kann womöglich sagen: immer stärker – im „Arbeitsverständnis der modernen Welt […]; es ist ‚prometheisch‘ in dem doppelten Sinne der rastlosen titanischen Unruhe und der ’Empörung‘: der Auseinanderfall der werktätigen Tat und des Gebrauchs des Arbeitsproduktes bildet dabei das revolutionäre Element.“127 Dass damit kein Loblied auf das Arbeitsverständnis der modernen Welt gesungen werden kann, dürfte klar sein – wenn man sich vor Augen hält, dass hier durch das Paradigma der Arbeit sowohl das Leben des Menschen wie auch das Leben im Gefüge der Lebewesen auf dieser Erde bedroht wenn nicht teilweise sogar schon getilgt sind.128 Und doch sollten wir nicht unter den Teppich kehren, dass die Art und Weise unseres Arbeitens zu einem „revolutionären Sprengstoff“ taugen kann – zugegebenermaßen im Verhältnis zu den anderen Grundphänomenen des Menschen, aber eben auch von einer konkreten Modifikation der Arbeitspraxis aus.129 Diese potenzielle Revolution umgreift nicht nur uns Menschen, sondern die Erde und das, was uns als Welt erscheint im Ganzen. Denn „[d]er Mensch hat die unheimliche Gewalt einer begrenzten, endlichen poiesis – er erschafft nicht wie der Gott und nicht wie die Natur – aber er kann in seiner Freiheit die Dinge umgestalten, umbilden, welche die Natur in ihr natürliches Bild erscheinen ließ […].“130

Doch es scheint, um – hier textlich-theoretisch – die volle Schlagkraft dieses Grundphänomens bzw. dieser Grundtätigkeit zu entfalten, reicht es nicht aus, bloß implizit die Arendtsche Trennung von Arbeiten, Herstellen und Handeln zu unterlaufen, sondern aus einem wirkungsreichen Zusammennehmen dieser Tätigkeiten nicht in eine Verabsolutierung oder Verherrlichung der Arbeit abzudriften, aber mit Haraway sehr wohl explizit die Verantwortlichkeit unserer Arbeitspraxis für unsere Weltstiftung, und zu guter Letzt für unsere Erde und das Leben auf ihr in den Vordergrund zu rücken.

2. Fiktion. Revolution und Welt im Spiegel eines weitgreifenden Zusammenarbeitens

Haraway, in deren Paradigma, „[w]ir werden miteinander oder wir werden gar nicht“ und ihrer Forderung der „ Sympoiesis – machen mit“ wohl eine radikalisierte Weise der Arendtschen Betonung des Miteinanders erkennbar ist, entfaltet die von ihr angestrebte Veränderung der Menschen aus einer eigentümlichen „Verbindung aus tatsächlichem Spielen und Arbeiten.“131 Mit dem Ziel, durch ein sich der eigenen Responsibilität bewusstes „gemeinsames Weitermachen“ „auf der Erde, auf Terra, ein endliches Gedeihen [zu] ermöglichen“132, das im Dienste „voller signifikanter Andersheit“133 steht, wird die Frage nach der Praxis unserer Arbeit zu einer, die sich im Ausgang des Leben und der Erde, schließlich auch dem, was uns als Welt erscheint, stellt. Welt jedoch nicht im Arendtschen Sinne verstanden als ein Abgrenzungsbereich der Menschen vom Kreislauf der Natur, sondern vielmehr als konstellative Fiktion, die sich aus dem Verhalten der Menschen zueinander und ihrer Umgebung speist134; schließlich ein Ort, der seinen Sinn aus dem Verhältnis der Menschen zu der Erde gewinnt und ein „Zeitort des Lernens“ ist, „um die Idee eines responsablen (response-able) gemeinsamen Lebens und Sterbens auf einer beschädigten Erde nicht aufzugeben“135, wird sie zu einem Bereich, deren Geschichte sich aus der Spannung von kollektivem Tun und Wissen schreibt. Damit die von Arendt vielleicht etwas zu hart voneinander getrennten Bereiche des Denkens und Handeln aufgrund ihrer wesentlich zusammenwirkenden Wirkkräfte zusammenführend, bewegt auch ihr angestrebt weltverändernder dem Leben verschriebener Ansatz sich in den Wegbahnen eines geschichtsschreibenden Arbeitsverständnisses, das die von Arendt so stark gemachten Weltbezogenheit in ihrer Konkretion von Denken und Handlung vonseiten der Fiktivität neu aufgreift. Arendt, die sich kennzeichnenderweise im Zuge der ihrerzeit aufkommenden Raumfahrt, die sich von der Erde abkehrt und anderen Planeten zuwendet, mit der Frage der Welt beschäftigt, und sich dabei – streng genommen – in ihrem eigenen Weltbegriff insofern von der Erde entfernt, als Welt bei ihr als Abgrenzung zu dieser beschrieben wird, da sie das Miteinander rein vom Miteinander der Menschen untereinander zu verstehen scheint, wird damit weitergeführt und letztlich gewissermaßen vonseiten der vom Denken entzündeten Fiktion in eine Verwirbelung von Denken und Handeln gebracht, deren Evidenz sich vonseiten einer pädagogischen Praxis zeigt. Trotz der Gefahr, sich selbst in den Fangnetzen des Fiktiven zu verstricken, und damit im Äther des Unwirklichen steckenzubleiben, lässt Haraway sich von der Hoffnung tragen, dass die fiktive Wirkkraft des Denkens in seiner fundamentalen Koalition mit dem Arbeiten in eine wirklichkeitsverändernde Praxis umschlagen kann, die sich responsiv zum dissonanten Rhythmus des Lebens bewegt.

Nicht bloß bezogen auf die menschliche Selbsterhaltung, sondern als Bewegung, die auf dem Hintergrund der Abhängigkeit der Lebewesen voneinander am treffendsten im Begriff der „ ‚Zusammenarbeit‘“ zum Ausdruck kommt, umgreift ihr Verständnis von Arbeit sowohl das Zusammenwirken der Lebewesen miteinander, als auch das gegenseitige und miteinanderwirkende Befruchten der vermeintlich voneinander differenzierten Disziplinen im wissenschaftlichen Kontext.136 Arbeit, verstanden als eine Selbstentfaltung, die sich in ihrer Bezugnahme auf die eigenen Ursprünge zu dem verhält, was uns als Erde, Welt und den eigenen Wirkkräften erscheint; schließlich ein Verhalten, das sich mehr oder weniger bewusst zu den begrenzenden, aber auch bespielbaren und schöpferisch eröffnenden Grenzen des Lebens verhält, wird so zu einer Grundbewegung des Lebens, zu der der Mensch sich einer ausgezeichneten Weise verhalten kann. Aufgrund dieses Könnens dazu angehalten, Arbeit nicht schlicht im Sinne eines „eingeschränkte[n] Individualismus“ als rein egozentrische Selbsterhaltung des Einzelnen zu praktizieren, sondern sich dadurch aktiv zu der eigenen Verwobenheit mit der Erde und in der im Zuge der eigenen Erfahrungen konstituierten Welt zu verhalten, kann sie zu einem existenziellen Zwischenort des Lebens werden, der sich aktiv zu der ethischen Eingelassenheit des Menschen in seine Umgebung sorgt.137 Arbeit also nicht als Ausschlusskriterium oder gar Gegenspieler des Ethischen, sondern umgekehrt eine ihrer ‚Stellschrauben‘, indem sie auf unsere „allgemeine Lebenseinstellung und Lebensführung“ wirkt; also auf jenes, das Bernhard Waldenfels als den (menschlichen) Ethos begreift.138 In anderen Worten: das Arbeiten als eine Tätigkeit, die im Zuge ihrer weltstiftenden Wirkkraft phänomenal – das heißt ursprünglich und vorbewusst – unseren Ethos, also unser Verhältnis zu dem, was uns angeht, beeinflusst, und zugleich Ausdruck dessen ist, wird nun zu einer fundamental ethischen Tätigkeit. Schließlich also eine Grundtätigkeit des Lebens, die insofern zu einem Ort des Revolutionären taugt, als sie im Zuge ihrer ursprünglichen Bedeutsamkeit für unseren Lebensvollzug ein responsables Verhältnis zu den Dingen und auch uns selbst eröffnen kann, die im Sinne der vorpolitischen Bedeutung des auf dem Lateinischen kommenden <revolvere> als ‚zurückrollen, zurückwälzen‘ das Leben von seinen Ursprüngen oder auch seinen Grundphänomenen und Grundtätigkeiten her entfaltet.139 Dieses Revolutionäre kann wohl insofern in dem von Haraway formulierten, aber auch bei Fink und sogar bei Levinas durchdringenden Zusammenwirken von Arbeiten, Herstellen und Handeln eine höhere Wirksamkeit entfalten, die eher den Bedürfnissen der Menschen auf dieser Erde und ihrer Welt bzw. ihren Welten Rechnung tragen kann, da sich aus dieser Spannung heraus potenziell ein Verhältnis entfalten und als Welt in die Wirklichkeit hineinfalten kann, das um ein gemeinsames Leben bemüht ist. Gerade die Melange der von Arendt getrennten Grundtätigkeiten des Menschen scheint im Zuge ihrer Lebensbedeutsamkeit den Menschen entsprechen zu können, da wir ein selbst dynamisches Verhältnis zu unseren Referenzpunkten pflegen, das doch zu jedem Zeitpunkt ein Verhältnis ist, also eines, indem die Komplexität unserer mehrdimensional erlebten Erfahrungen zusammenlaufen.

VI. Eröffnender Abschluss

Wie wir gesehen haben, geht das menschliche Grundphänomen der Arbeit weit über eine gewöhnliche Verkürzung ihrer auf den Bereich der Erwerbsarbeit hinaus. Sie durchflicht die inneren Tiefenschichten unseres Daseins, weswegen eine naive Abkehr von ihr die Komplexität dieses Phänomens ebenso unterläuft wie auch die unserer menschlichen Existenz im lebend-vibrierenden Sinne. Ohne im Sinne eines naiven (Neo)Liberalismus das Phänomen der Arbeit insofern verherrlichen zu müssen, als das Leben sowie die Selbstbestimmung des Menschen vermeintlich vollends in ihr ihren Höhepunkt erhält, obliegt ihr eine qualitativ andere Möglichkeit: aufgrund ihrer gestalterisch-schöpferischen Wirkkräfte kann die Art und Weise, wie wir arbeiten und was wir dabei produzieren unser Verhältnis zu dem, was uns als Welt erscheint, ebenso verändern wie auch unser Verhältnis zu uns selbst und auch im Miteinander. Von Arendt als eine fundamental egozentrische, biologisch bestimmte, weltferne Grundtätigkeit eingeführt, bei der sich der Einzelne um sein Überleben sorgt, und sich in der Moderne als Dreh- und Angelpunkt der Arbeitsgesellschaft aufgeschwungen hat, erhält das Grundphänomen der Arbeit in der Spannung zu Levinas wesentlich egozentrischem, aber potenziell weltoffenem oder auch welterschließendem Arbeitsverständnis wie auch zu den wesentlich intersubjektiven Beschreibungen von Fink und Haraway die Tiefe, die auf ihre Mehrdimensionalität, ihr historisches Werden, die Bedeutsamkeit der Konstellation der Menschen miteinander und zu guter Letzt auf die Verflechtung von Arbeit und Leben verweist. Zugleich scheint uns sowohl Arendts kritische soziokulturelle Analyse der Arbeit ebenso fruchtbar wie auch ihre Differenzierung. Denn zum einem dringt damit bei ihr durch, wie bedeutsam das Arbeiten für unser konkretes Leben ist und welche Gefahren damit einhergehen. Zum anderen weist uns ihre Differenzierung von Arbeiten, Herstellen und Handeln auf entscheidende Grenzen der jeweiligen Tätigkeiten hin. Zum anderen wird in kritischer Auseinandersetzung mit ihrem Denken zugleich fraglich, ob eine Differenzierung sinnvoll ist, oder es womöglich auch um eine fundamentale Umkehrung der Verhältnisse gehen könnte, bei der das Leben in all seiner verwirbelten Komplexität das Herzstück bildet, womit eine radikale Differenzierung hinfällig werden würde.

Von eben jener geschichtsschreibenden „Lebensbedeutsamkeit“140 der Arbeit aus werden wir in ihren Strudel verwirbelt, in dem wir uns qua unseres Lebens bewegen. Denn gestehen wir uns ein, dass wir nicht nur in einer Epoche leben, „in der die gigantische technische Macht der Arbeit den Vordergrund der menschlichen Welt bestimmt“, sondern deutlich wird, inwiefern unsere konkrete Arbeitsweise unseren Lebensraum beeinflusst, so scheint noch immer evident, dass „die Frage nach dem Sinn der Arbeit zur vordringlichen Entscheidungsfrage nach dem Sinn des Daseins überhaupt werden“ muss, die sich schließlich als eine Frage nach der Welt gibt.141 Anders gesagt drängt sich uns die Frage nach der Arbeit in einer Dringlichkeit auf, die in ihrer existenziellen Wirkweise beschlossen liegt. In ihrer teleologischen Bewegung ausgerichtet auf die Zukunft, in der durch die ‚Früchte der Arbeit‘ Bedürfnisse erfüllt werden sollen, und zugleich wirksam in der Gegenwart, wobei sich ihre Auswirkungen immer nur nachträglich zeigen, ist es fundamental für uns – und das heißt auch für das, was uns als Welt erscheint – wie wir arbeiten. Dieses Verhalten, das uns in ein Verhältnis zu den Dingen bringt und sowohl uns als auch ‚die Dinge‘ und sich selbst verändert; ein Verhalten, das sich in der Spannung zwischen Fragilität und titanischer Macht bewegt, ist nicht nur Selbsterhaltungsmittel des Einzelnen, sondern als solches wesentlich bezogen sowie wirkend auf unsere Umgebung. Nicht der alleinige Dreh- und Angelpunkt des Miteinanders, ist die Frage nach der Arbeit doch gerade aufgrund ihrer Wirksamkeit immer auch eine politische, die die Frage nach unserer Welt mitumgreift. Daher scheint es – wahrlich nicht nur, aber dann doch in einem einen möglichen Umschwung evozierenden Sinne – hinsichtlich der Erscheinung von Welt in all ihren Spielarten darauf anzukommen, was wir als Arbeit begreifen und wie wir mit diesem Grenzen stiftenden Phänomen umgehen. Jedenfalls dann, wenn wir uns eingestehen, dass es nicht nur darauf ankommt, „welche Erzählungen welche Erzählungen erzählen“142, sondern auch darauf, wie wir miteinander – anderen Menschen wie auch unserer Umgebung – umgehen, da wir uns dadurch etwas geben und nehmen.

Arendt, die selbst nicht die Unterscheidung von einkommensgesteuerter Arbeit und interessengesteuerter Arbeit vorschlägt – vermutlich, um bloß nicht eine Verschmelzung von Arbeit und dem Bereich des Politischen zu riskieren – unterläuft also gerade das schöpferische Potenzial der Arbeit, um dieses im Bereich des davon getrennten Politischen aufzuwerten; verpasst also letztlich die Tiefe und Komplexität der Bedeutsamkeit der Arbeit für das Leben, das sich in der Spannung des weltlich verwobenen Menschen zu seiner Gemeinschaft gebiert. Das Verhältnis von Arbeit und Welt wird daher bei ihr zu einem Nicht-Verhältnis, oder vielleicht sogar zu einem Antagonismus, der den Einzelnen dazu treibt, sich entweder für sich oder die Gemeinschaft zu entscheiden – was unmöglich scheint, da, wenn jeder sich für ersteres oder für zweiteres entschiede, kein Mensch da sei, um sich zu einer Gemeinschaft zusammenzuschließen. So wird ihr schließlich die von ihr eingeführte und gutzuheißende Kritik an der Arbeitspraxis selbst zum Verhängnis; verfällt sie doch in eine dogmatische Antihaltung, in der sie der Differenzierung von miteinander verwobenen Phänomenen verfallen gegen das Bisherige anzukämpfen scheint, um das Eigene durchgesetzt zu wissen. Anstatt die Arbeit insofern für die eigenen Ansprüche des Zusammenbringens unserer individuellen wie auch pluralen Existenz fruchtbar zu machen, als diese Grundtätigkeit als ein stets kritisch zu reflektierendes Vehikel eines humanen Zusammenlebens dienen könne, bei der sich Menschen gemeinsam mit der Idee des Guten und möglichen Verwirklichungen auseinandersetzen, worum es schließlich um nicht mehr oder weniger als um die Grenzen des Lebens geht, kehrt sie sich im Angesicht der geschichtlich entwickelten Verfallsgeschichte der Arbeit radikal von diesem möglichen Selbstverwicklungsherd des Menschen ab. Stattdessen verweist sie die Arbeit in den Bereich des Naturkreislaufes, was gemäß der Trinität Arbeiten, Herstellen und Handeln heißt, ihr gerade das Schöpferische abzusprechen – und damit das, was eine auf Arbeits- und Konsumtionsprozesse reduzierte Lebenswirklichkeit wohl dringend bräuchte.

Vielleicht finden wir vorläufig eine erste Antwort auf die Frage des Verhältnisses von Arbeiten und Welt zwischen Fink und Levinas in dem Sinne, dass die Arbeit uns das, was uns als Welt erscheint, näher bringt, sowie wir sie damit beeinflussen – und zwar hinsichtlich ihrer Erscheinung wie auch unserer Wahrnehmung ihrer. Wie Levinas beschreibt, eröffnet uns das Arbeiten jene Welt, auf die wir uns nachträglich verstehend beziehen wie auch in ihr bewegen können, und wird zugleich getragen von einem immer nur vorläufigen ursprünglich werdenden Verständnis von Welt. Sie gründet also auf einem spezifischen und eröffnet ein nicht im Voraus bestimmbares Verstehen-Können, das als eine Orientierung des Menschen in seinem konkreten Lebensvollzug fungieren kann. Den Auftakt nehmend von einer Arendtschen Betonung des ursprünglich pluralen Miteinanders ausgehend von für die eigene Verantwortung einstehenden Einzelnen, die erst im Miteinander das, was ihnen als Welt erscheint, stiften, und lernend von dem wesentlich kritischen und mit dem Potenzial des Fiktiven spielenden Enthusiasmus Haraways, der zufolge sympoietisches Denken und Handeln sich aus dem Zusammenarbeiten der Menschen (und bei ihr jeglicher Lebensformen) miteinander verdankt, ist womöglich eine Art und Weise des Arbeitens denk-, und vielleicht sogar umsetzbar, die nicht im Dienste einer kapitalistischen Ökonomie neoliberaler Prägung steht, sondern sich dem Leben verpflichtet verhält. Ein Leben, dessen Ursprung nicht die Begegnung wesentlich vereinzelter Geschöpfe ist, sondern das sich aus der Spannung einzigartiger Lebewesen sowie nichtlebendiger Entitäten und der wesentlichen Verwobenheit dieser miteinander gebiert.

Literatur

Arendt, Hannah (1958): Vita activa. Oder Vom tätigen Leben. München/ Berlin 1967.

Arendt, Hannah: Denktagebuch. 1950-1973. München/ Berlin 2020.

Fink, Eugen: Sein, Wahrheit, Welt. Vor-Fragen zum Problem des Phänomen-Begriffs. Den Haag 1958.

Fink, Eugen: Grundphänomene des menschlichen Daseins. Herausgegeben von Egon Schütz. Freiburg 1979.

Haraway, Donna J.: Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän. Aus dem Englischen von Karin Harrasser. Frankfurt am Main 2018.

Levinas, Emmanuel: Zwischen Uns. Versuche über das Denken an den Anderen. München 1995.

Levinas, Emmanuel: „D. Die Bleibe“. In: Ders.: Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität. Übersetzt von Wolfgang Nikolaus Krewani. Freiburg/ München 2014. 217-252.

Metzger, Arnold: Phänomenologie der Revolution. Frühe Schriften. Mit einem Nachwort von Ulrich Sonnemann. Frankfurt am Main 1979.

Sandel, Michael J.: Vom Ende des Gemeinwohls. Wie die Leistungsgesellschaft unsere Demokratien zerreißt. Aus dem Amerikanischen von Helmuth Reuter. Frankfurt am Main 2020.

Revolution“, in: DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, hrsg. v. d. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, <https://www.dwds.de/wb/Revolution>, abgerufen am 05.04.2024.

Waldenfels, Bernhard: Sozialität und Alterität. Modi sozialer Erfahrung. Berlin 2015.

Weidtmann, Niels: „Die interkulturelle Dimension des Menschen.“ In: Zeitschrift für Kulturphilosophie. Herausgegeben von Ralf Becker, Christian Bermes und Dirk Westerkamp. 2021/1. 161-176.

1Fink 1979, 218; Herv. Hrg.

2Arendt 1958/ 1967, 31.

3Arendt 1958/1967, 16.

4Arendt 1958/1967, 18. Das Herstellen „errichtet eine künstliche Welt, die von der Sterblichkeit der sie Bewohnenden in gewissem Maße unabhängig ist und so ihrem flüchtigen Dasein so etwas Bestand und Dauer entgegenhält; das Handeln schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerungen und damit für Geschichte“ (Arendt 1958/1967, 15).

5Arendt 1958/1967, 18; 15.

6Arendt 1958/ 1967, 49.

7Arendt 1958/ 1967, 194.

8Ebd.

9Arendt 1958/ 1967, 161f.

10Arendt 1957/ 1967, 89.

11Arendt 1958/1967, 134.

12„Die Tätigkeit der Arbeit entspricht dem biologischen Prozeß des menschlichen Körpers, der in seinem spontanen Wachstum, Stoffwechsel und Verfall sich von Naturdingen nährt, welche die Arbeit erzeugt und zubereitet, um sie als die Lebensnotwendigkeiten dem lebendigen Organismus zuzuführen. Die Grundbedingung, unter der die Tätigkeit des Arbeitens steht, ist das Leben selbst“ (Arendt 1958/1967, 14).

13In diesem Sinne schreibt Arendt in der Vita activa: „In dieser Hinsicht ist der Körper wahrlich das Urbild allen Eigentums, da er dasjenige ist, was man beim besten Willen nicht gemeinsam besitzen oder mit einem anderen teilen kann. Nichts ist weniger gemeinsam und entzieht sich mit solcher Bestimmtheit der Mitteilbarkeit als körperliche Freuden und Leide, die Lust und Unlust des Leiblichen, die sich der Sichtbarkeit und Hörbarkeit und damit der Öffentlichkeit entziehen“ (Arendt 1958/1967, 132).

14Arendt 1958/1967, 130.

15Arendt 1958/1967, 33.

16Strenggenommen ist diese Selbstversorge jedoch keineswegs eine rein egozentrische, sondern umgreift vielmehr eine egozentrische wie auch eine intersubjektive. Der Säugling, der bloß aufgrund der Fürsorge anderer um ihn überleben kann und schreit, um andere auf die eigenen Bedürfnisse aufmerksam zu machen, ist hier wohl bloß das deutlichste Beispiel dieses Phänomens.

17Arendt 1958/ 1967, 15.

18Ebd.

19Vgl. Arendt 1958/ 1967, 15.

20Der Begriff des Interesses deutet hier im Sinne des Inter esses den Zwischenbereich an, auf den der Mensch bereits eingelassen ist, wenn er interessiert ist.

21Platon zufolge sei Philosophie nur dann möglich, wenn der Mensch sich von der Arbeit befreie, da diese ursprünglich unfreie Verhältnis im Widerspruch zum freien Reich der Philosophie stehe. Arbeit wird bei ihm zur Sache des Sklaven. Bei Aristoteles wiederholt sich insofern diese Bewegung, als das rechte und gute Leben bei ihm dann gelungen sei, wenn der Mensch sich von der Arbeit befreit habe, wiewohl er entgegen Platon die „menschlichen Lebensnotwendigkeiten“ (Arendt 1958/1967, 47) als Ursprung der Polis annimmt (vgl. Arendt 1958/1967, 45f. Vgl. a. Platon, Politeia 5478 A-D).

22Vgl. Arendt 1958/ 1967, 79.

23Vgl. Arendt 1958/ 1967, 31ff.

24Arendt 1958/1967, 36.

25Arendt 1958/1967, 127.

26Beinahe fatalistisch bemerkt sie, „wenn die Arbeit so leicht geworden ist, daß sie kein Fluch mehr ist, Menschen besteht die Gefahr, daß niemand mehr sich von der Notwendigkeit zu befreien wünscht, bzw. daß ihrem Zwang erliegen, ohne auch nur zu wissen, daß sie gezwungen sind“ (Arendt 1958/1967, 143).

27Arendt 1958/1967, 157. Dese scheinbare Aussichtslosigkeit geht darauf zurück, dass das animal rationale in der Moderne als das fundamentale Verständnis des Menschen alle anderen Grundtätigkeiten überformt; also eine Grundtätigkeit sich zum alleinigen Ursprung emporgeschwungen hat.

28Arendt 1958/ 1967, 121.

29Ebd.

30Arendt 1958/ 1967, 122.

31Arendt 1958/ 1967, 120.

32„Bestimmt man den Menschen als ein· Animal laborans, so kann er in der Tat nichts wesentlich anderes sein als ein Tier, bestenfalls die höchste der Tiergattungen, die die Erde bevölkern“ (Arendt 1958/ 1967, 79).

33Arendt 1958/1967, 122.

34Die laut Michael Sandel seit Reagan erstarkende um sich greifende Meritokratie oder auch Leistungsgesellschaft legitimiert sich ihm zufolge auf dem Hintergrund der Annahme, dass „diejenigen, die ganz oben landen, daran glauben, dass ihr Erfolg moralisch gerechtfertigt“ (Sandel 2020, 25) sei, weil der eigene Status auf die eigenen Leistungen zurückgeführt wird. Das gefährde ein Gemeinwohl, das alle zu umgreifen versucht, „[d]enn je mehr wir uns für eigenverantwortlich und autark halten, desto schwieriger ist es, Dankbarkeit und Demut zu lernen. Doch ohne diese Empfindungen ist es so gut wie unmöglich sich um das Gemeinwohl zu sorgen“ (Sandel 2020, 27).

35Dies ist gewiss nicht im Sinne Arendts, die sich ja gerade kritisch mit der soziokulturellen Entfaltung der Arbeit auseinandersetzt. Und doch läuft ihre Auseinandersetzung Gefahr, in diesem Sinne gedeutet zu werden, da bei nicht immer deutlich wird, inwiefern die soziokulturelle Entfaltung mit der phänomenologischen Dimension zusammenhängt und auch nicht immer deutlich ist, auf welcher Ebene wir uns befinden.

36Vgl. diesbezüglich die ausführliche Kritik von Arnold Metzger 1979, 24, die ihm als Initialmotor und Leitfaden seiner eigenen Argumentation einer fürsorglichen Gemeinschaft dient, für die Wirtschaft wie auch Arbeitsmarkt bedeutsame Aspekte des Lebens neben anderen sind (vgl. Metzger 1979, 85).

37Arendt 1958/1967, 120. Arendt versteht unter „Naturprozessen Vorgänge, die ohne menschliche Hilfe entstehen, und [unter Naturdingen all das, was nicht ‚gemacht‘ ist, sondern aus sich heraus wächst und eine Gestalt annimmt. (Dem entspricht auch die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ‚Natur‘, ob wir es aus dem lateinischen nasci, geboren werden, herleiten, oder es weiter in seine griechische Wurzel verfolgen, und von der ‚Physis‘ sprechen, wörtlich dem Gewachsenen)“ (Arendt 1958/1967, 136).

38Arendt 1958/1967, 118. Inwiefern dieser Rhythmus der Natur jedoch keineswegs festgefugt ist, sondern selbst durch beispielsweise die menschliche Arbeit aus dem Takt gebracht werden kann, zeigt sich in der von Arendt beschriebenen modernen Konsumgesellschaft, in der das vorherrschende Diktum der Produktivität zu einer der Natur ungemäßen Ausbeutung ihrer führt. Diese setzt sich bin in die heutige Zeit in einer gesteigerten Weise fort, insofern die mit der Erde gegebenen Stoffe tendenziell vernichtend aufgezerrt werden, und beispielsweise in industriellen Zusammenhängen den biologischen Zusammenhang durch Abfallprodukte der eigenen Verarbeitungsprozesse aus dem Takt bringen; also zwar etwas ‚zurückgibt‘, jedoch etwas, das nicht dem entspricht, was zuvor dem Kreislauf entnommen worden ist, sehr wohl aber auf diesen wirkt.

39So schreibt sie im Juni 1953: „Der Fluch der Arbeit ist nicht die Mühe, sondern der Zwang“ (Arendt 2020, 374; im Original unterstrichen.). Während im Paradies Adams Arbeit noch Ausdruck der ursprünglichen Dependenz von Mensch und Welt gewesen sei, wurde sie danach zu einem Überlebenskampf des Menschen – also das Leben an die Stelle der Welt gesetzt (vgl. ebd.).

40Dass Arendt mal über Welt und mal über menschliche Welt schreibt, sollte nicht missverstanden werden in einem Sinne, dass es sowohl das eine, als auch das andere geben. Vielmehr dient die Titulierung der menschlichen Welt dem Aspekt, dass der Arendtsche Weltbegriff wesentlich vom herstellenden und handelnden Menschen seine Bedeutung erhält, und dieser menschliche Ursprung bei ihrem Weltbegriff mitgedacht werden muss.

41Arendt 1958/ 1967, 107. „Arbeitsprodukte“ sind Arendt zufolge „Konsumgüter […], die nicht dazu bestimmt sind, dauerhaft zu sein und in der Welt für Zeit zu verweilen“ (Arendt 1958/1967, 114).

42Arendt 1958/ 1967, 231.

43Arendt 1958/ 1967, 122.

44Ebd.

45Arendt 1958/ 1967, 116.

46Vgl. Arendt 1958/ 1967, 114f.

47Vgl. Arendt 1958/ 1967, 89.

48Arendt 1958/1967, 12.

49Arendt 1958/ 1967, 82.

50Arendt 1957/ 1967, 121.

51Vgl. Arendt 1958/ 1967, 79ff.

52Arendt 1958/1967, 139.

53Arendt 1958/1967, 294.

54„Denken und Herstellen sind zwei voneinander ganz verschiedene Tätigkeiten, die niemals zusammenfallen“ (Arendt 1958/1967, 108). Daher kommt sie auch zu der Schlussfolgerung: „Sofern also der geistige ‚Arbeiter‘ überhaupt ein Produkt zustande bringt, sofern sich seine Tätigkeit nicht im reinen Denken erschöpft, verdankt er diese Produktivität dem Werk seiner Hände und nicht der ‚Arbeit‘ seines Kopfes. Er ist ein Herstellender wie andere Herstellende auch“ (ebd.).

55Fink 1979, 243. Laut Fink geht das Arbeiten auf „Entscheidungen zu Handlungen“ zurück, wobei es ihm einerseits darum geht, dass – in einer auffälligen Ähnlichkeit zu Levinas – „in der ‚Hand-lung‘ die Hand mitgemeint werden muß“ und andererseits Arbeit Ausdruck der menschlichen „Vorsorge und Planung“ sei (Fink 1979, 226).

56Arendt 1958/1967, 150.

57Arendt 1958/1967, 145.

58Ebd.

59Vgl. Levinas 2014, 221ff.

60Levinas 2014, 224. Keine reine Isolation, denn „im Haus stell sich das Ich einer Natur gegenüber, obwohl es gleichzeitig in den Elementen badet“ (Levinas 2014, 245).

61Ebd.

62Levinas 2014, 225.

63Ebd

64Levinas 2014, 226.

65Levinas 1995, 24.

66Levinas 2014, 227. „Die Hand ist das Organ des Greifens und Fassens, des ersten und blinden Greifens in das Gewimmel: Auf mich, auf meine egoistischen Zwecke, bezieht sie Dinge, die dem Element entrissen sind, dem Element, das, anfang- und endlos, das getrennte Seiende umfängt und überschwemmt“ (Levinas 2014, 228). Die Hand kann erst durch die Bleibe, die ursprünglich leibliche Existenz etwas auf sich beziehen. „Die Welt ist nicht das Resultat dieser Vertagung, über die ihrerseits durch ein abstraktes Denken entschieden würde. Der Aufschub des Genusses hat keine andere konkrete Bedeutung als dieses Zur-Verfügung-Stellen, das ihn vollzieht, das seine Energie ist. Für die Entfaltung dieser Energie ist eine neue Konstellation im Sein erforderlich; diese Konstellation vollzieht sich kraft des Aufenthaltes in einer Bleibe und nicht kraft eines abstrakten Denkens“ (Levinas 2014, 225).

67Levinas 2014, 229; 230. Die Arbeite verzichte auf die „Anonymität“ der Materie, „da der ursprüngliche Zugriff der Arbeit sie in eine Welt des Identifizierbaren einführt“ (Levinas 2014, 229; Herv. VS).

68Genuss im Sinne Levinas ist ein „Besitz ohne Erwerb, deren sich die Sinnlichkeit erfreut; die Sinnlichkeit badet im Element, sie ‚besitzt‘, ohne zu ergreifen“ (Levinas 2014, 227).

69Levinas 2014, 234; 238.

70Levinas 2014, 239f.

71Levinas 2014, 240.

72Levinas 2014, 239.

73Levinas 2014, 222.

74Levinas 2014, 240.

75Vgl Levinas 2014, 242.

76Levinas 2014, 241.

77Ebd.

78Ebd.

79In diesem Sinne schreibt Levinas, „die ‚Vorstellungen‘ des Ziels und die Bewegung der Hand […] definieren ein Seiendes, das inmitten einer Welt, in der es verwurzelt ist, von diesseits dieser Welt zu dieser Welt kommt –, von einer Dimension der Innerlichkeit aus; sie definieren ein Seiendes, das in der Welt wohnt, d. h. das dort bei sich ist. Das suchende Tasten offenbart diese Stellung des Leibes, der sich dem Sein eingliedert und zugleich in seinem Zwischenbereich bleibt; der Leib steht immer unter der Aufforderung, einen Abstand auf gut Glück zu überwinden, und hält sich ganz allein in diesem Abstand“ (Levinas 2014, 242).

80Levinas 2014, 247.

81Levinas 2014, 250.

82Ebd.

83Ausgehend von einem kosmologischen Weltbegriff, demzufolge Welt als Möglichkeit aller Möglichkeiten die Binnenwelt fundiert, selbst aber nie zu ihrer Erscheinung gelangt, bezeichnet Fink mit dem Begriff der Binnenwelt bzw. den binnenweltlichen Verhältnissen die ontische Dimension der Welt, also jenen Ort, wo konkrete Menschen leben und aufeinander treffen. Um einen Dialog zwischen Fink, Arendt, Levinas und Haraway hinsichtlich der Gestaltungskraft der Arbeit für die Frage der Welt zu eröffnen, scheint eine Fokussierung auf die Dimension des binnenweltlichen bei Fink sinnvoll.

84Fink 1979, 305. Vgl. a. Fink 1979, 220. Im Zuge der faktischen Verwobenheit der Grundphänomene miteinander ist Fink sich dessen bewusst, dass eine Daseinsinterpretation bloß von dem Grundphänomen der Arbeit her „leicht einen utopischen Charakter“ annehmen kann (ebd.).

85Fink 1979, 229f.

86Weidtmann 2021, 174.

87Fink 1979, 248; 219.

88Fink 1979, 223.

89Fink 1979, 224.

90Ebd. Dieses Verstehen ist kein wissenschaftliches, sondern meint „ein viel ursprünglicheres, reicheres und geheimnisvolleres Verstehen. Wir wissen um unsere Verwobenheit mit dem umfangenden Seienden. Entfremdet der Natur, aus ihrem bergenden Schutz entlassen, können wir ihr doch nie völlig entkommen: wir entkommen ihr sozusagen nur so weit, um unsere Verfallenheit an sie zu erfahren“ (Fink 1979, 222).

91Fink 1979, 225.

92Fink 1979, 301. Zu eben jenen existenziellen Nöten verhält sich der Mensch im Arbeiten (vgl. Fink 1979, 222).

93Fink 1979, 306.

94Fink 1979, 307.

95Ebd.

96Fink 1979, 308.

97Fink 1979, 309.

98Fink 1979, 229.

99Fink 1979, 255. Während der Handwerker diesen Ursprung der Freiheit tendenziell verdrängt, gehe der Landwirt „mit der Natur und nicht gegen die Natur“ (Fink 1979, 257) setzt sich also seiner Abhängigkeit von ihr aus.

100Fink 1979, 238.

101Fink 1979, 232.

102Fink 1979, 235.

103Ebd.

104Fink 1979, 236. Natur, so Fink, „ist das weltweite Vorhandensein unbelebter und belebter Materie, ausgedehnt über das Sonnensystems und weiter hinaus über das galaktische System bis zu den fernsten Spiralnebeln flimmernder Sternenheere und über alle unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten hinaus“ (ebd.).

105Fink 1979, 227.

106Ebd.

107Während bei Gestaltungsprozessen bereits bestehende wie auch immer gegebene Materialien umgeformt werden, zeichnet sich der schöpferische Akt dadurch aus, dass hier etwas genuin Neues aufkommt, ohne dass dadurch das Gewordensein des Bisherigen negiert wird.

108Fink 1979, 320.

109Fink 1979, 319.

110Fink 1979, 267f.; Herv VS.

111Fink 1979, 268

112Fink 1979, 270.

113Fink 1979, 309.

114Ebd.

115Fink 1979, 270. Problematisch für die Lebensganzheit werde die Arbeitsteilung dann, wenn sie zusammen mit dem Grundphänomen der Herrschaft Einzug nimmt in das Miteinander. Denn „mit einer solchen machtmäßigen Durchgliederung [in ‚ausübender‘ und ‚anordnender‘ Arbeit] ist die Möglichkeit einer Entartung gegeben“ (Fink 1979, 274).

116Mit der binnenweltlichen Existenz bezeichnet Fink zufolge unsere endliche Daseinsweise auf der Erde (vgl. Fink 1958, 58), wohingegen die Welt als der Kosmos der eröffnende Horizont des Lebens sei.

117Fink 1979, 261.

118Fink 1979, 264.

119Fink 1979, 322; Herv. VS. Der irdischen Welt treu bleiben heißt für Fink, dass die Individualität des Einzelnen zusammengebracht wird mit Verflochtenheit des Menschen mit ‚allem anderen‘ – der „Einzelne existiert im Raum der Gattung […]. Der Einzelne hat sein Leben nicht von sich selber, er kann sich nicht selbst hervorbringen oder durch einen Willensakt setzen“ (Fink 1979, 328), sondern ist vielmehr eine menschliche Erscheinung des Eros.

120Herrschaft und Arbeit als Existenzphänomene zu begreifen, heißt auch, der Mensch lebte nie ‚herrschaftsfrei‘, so wenig wie ‚arbeitsfrei‘“, da er ihrer „zeitweiligen Dauerform“ der Ordnung bedürfe (Fink 1979, 313f.).

121Während Fink zufolge Marx „die fortschreitende Vermenschlichung der Welt“ prognostiziert, vertritt Fink die These „die steigende Humanisierung der Natur bringt jedoch nicht eine steigende Humanität der zwischenmenschlichen Beziehungen mit sich; im Gegenteil. Der Fortschritt der Humanisierung ist mit einem Rückschritt der Humanität verbunden, was sich in der Tatsache des ‚Proletariats‘ bezeuge“ (Fink 1979, 297).

122Fink 1979, 259.

123Fink 1979, 253.

124Fink 1979, 241.

125Fink 1979, 250.

126Ebd.

127Fink 1979, 249.

128Vgl. Arendt 1958/1967, 60ff, wo sie beschreibt, wie die moderne Verherrlichung der Arbeit zu einer Ausbeutung des Menschen resp. seines Lebens zugunsten der Produktivität der Arbeit geführt habe.

129Vgl. Fink 1979, 241. Vgl. Auch Haraway 2018, deren Werk von dieser Hoffnung getragen wird.

130Fink 1979, 244.

131Haraway 2018, 12f.

132Haraway 2018, 20.

133Haraway 2018, 22.

134„SF-Welten sind keine Gefäße. Sie sind Strukturierungen, riskante Ko-Machenschaften, spekulative Fabeln“, die auf vorangegangene Strukturen reagieren, „ein riskanter Vorschlag innerhalb von unnachgiebig kontingenten, relationalen, historischen Verhältnissen“ (Haraway 2018, 26).

135Haraway 2018, 10.

136Haraway 2018, 179. Hinsichtlich der interdisziplinären Zusammenarbeit vgl. Haraway 2018, 135.

137Haraway 2018, 10.

138Vgl. Waldenfels 2015, 324.

139Zur Etymologie dem Terminus der ‚Revolution‘ vgl. DWDS. ‚Revolution‘.

140Fink 1979, 218.

141Ebd.

142Haraway 2018, 56.