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Ausgabe 1, Band 14 – März 2025

Arbeit als Denkkategorie bei Hannah Arendt und Eugen Fink

Cornelia Rémon

Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

Der Aggressionsmodus der Weltbeziehung wird aber dann und dort zum Problem, wo er zum Grundmodus jeglicher Lebensäußerung wird.“

(Hartmut Rosa 2023, 37)

Manch prominentem Vergleich wurde Arendts Werk in den vergangenen Jahrzehnten unterzogen1, eine Konfrontation mit den theoretischen Entwürfen des Husserl-Schülers Eugen Fink2 steht bislang aus. Anders als die Vergleiche mit Heidegger oder Jaspers ist es bei Fink und Arendt nicht die mehr oder weniger freundschaftlich-intime Beziehung, die einen solchen nahelegt. Eine Gelegenheit zur persönlichen Begegnung mit Arendt im Jahr 1961 vermied Fink wohl aus Loyalität zu Heidegger (Prinz 2015, 238), doch ist bei aller persönlicher Distanz eine Denkverwandtschaft kaum zu leugnen.

Arendt und Fink sind im umfassenden Sinne Zeitgenossen: Schon ihre Geburts- und Sterbedaten liegen nur wenige Monate auseinander. Beide philosophierten Mitte des letzten Jahrhunderts orientiert an Antike und Phänomenologie in dunklen Zeiten, wandten sich gegen die nationalsozialistische Herrschaft, gingen ins Exil – Fink nur vorübergehend – und retteten Nachlässe (Benjamins, Husserls) vor der Vernichtung. Sophie Loidolt zählt sie zur zweiten Generation Phänomenologinnen und Phänomenologen, die nach dem Zweiten Weltkrieg neue Denkwege beschritten (Loidolt 2018a, 1; Loidolt 2018b, 7). Dabei befassten sich beide mit menschlichem Dasein in seinen basalen Lebensäußerungen. Arendt führt dazu Grundtätigkeiten aus, Fink Grundphänomene. Auch die Auseinandersetzung mit dem Arbeiten, dem Herstellen, mit Macht und Herrschaft sowie dem gegenseitigen Überzeugen und Beraten ist beiden gemeinsam.

Am Phänomen der Arbeit leiste ich hier einen ersten Beitrag dazu, die Denkerin und den Denker ins Gespräch zu bringen. Dabei ist mein Anliegen, neben einem inhaltlichen Vergleich des Arbeitsverständnisses, eine weniger offensichtliche Gemeinsamkeit darzulegen: Sowohl bei Hannah Arendt als auch bei Eugen Fink ist Arbeit nicht nur als Tätigkeit oder Phänomen, sondern als Denkkategorie zu verstehen, deren Generalisierung in beider Augen politisches Handeln gefährdet.

1. Arbeit als Grundtätigkeit bei Hannah Arendt

Folgt man der Systematik von Vita activa, erscheint Arbeiten als dem Herstellen und Handeln untergeordnete Tätigkeit, die vegetative zyklische Prozesse innerhalb der privaten Sphäre beschreibt. Arbeit dient in Arendts Augen vor allem der Notwendigkeit (Arendt 2013 [1958], 40, 117): Um das blanke Überleben zu sichern, müssen Menschen ihre Nahrung aus der Natur gewinnen, kommen dabei aber Zeit ihres Lebens nie an ein Ende. Schließlich haben die Produkte der Arbeit keine Beständigkeit, sondern werden konsumiert. Darin besteht die Tragik der Arbeit: Immer wieder auf’s Neue ist sie nötig; „Sisyphos-Arbeit“ erscheint bei Arendt demnach als tautologischer Begriff.3 Hier findet Arendt eine deutliche Abgrenzung zum Herstellen: Dieses ist zweckgerichtet und schlägt sich in länger überdauernden Produkten nieder, die die menschliche Welt besiedeln. Es hat Anfang und Ende, Gegenstand und Produkt. Und im Gegensatz zum Handeln, das ohne eine plurale menschliche Gemeinschaft nicht denkbar ist, braucht es zur Arbeit keine weiteren Menschen. Arendt hat hier wohl ihren unmittelbaren Vollzug im Blick – in diesem ist sie nicht zwangsläufig auf andere angewiesen. Aber, soviel gesteht Arendt ein, auch sie ist bedingt von menschlichem Zusammenleben. Dies nicht nur, weil sie den Fortbestand humanen Lebens überhaupt sichert (Arendt 2013 [1958], 18), sondern weil „ein in völliger Einsamkeit arbeitendes Wesen kaum noch ein Mensch wäre; er wäre ein Animal laborans in des Wortes wörtlichster und furchtbarster Bedeutung“ (ebd., 33).

Arbeit im Sinne Arendts erscheint in ihrer Vergeblichkeit wenig attraktiv. Ohnehin wirken die antiken Kontexte, auf die Arendt sich bezieht, abwertend: Arbeit verortet sie in dieser Zeit strikt im Privatraum mit seiner Konnotation des Dunklen, Verborgenen. Im Ideal der Antike war Arbeit den Sklavinnen und Sklaven vorbehalten und ist mit Zwang, Unfreiheit und Kargheit verbunden (Arendt 2013 [1958], 41, 128). Epochenübergreifend problematisiert Arendt den Rückzug in diesen Privat- oder Intimraum, gleich ob er seinen Grund in religiöser Weltflucht oder in tyrannischen politischen Verhältnissen hat (Arendt 2019 [1959], 21). Besonders prominent wurde ihre Kritik an der Figur des „treusorgende[n] Hausvater[s]“, der „durchaus bereit war, um der Pension, der Lebensversicherung, der gesicherten Existenz von Frau und Kindern willen Gesinnung, Ehre und menschliche Würde preiszugeben“, „der nur an seiner privaten Existenz hängt und öffentliche Tugend nicht kennt“ (Arendt 2000 [1945], 34f). Hier ist eine Parallele Arendts zur griechischen Antike in der Einschätzung erkennbar, dass der private Mensch zwar nicht zum Nicht-Menschen, aber doch im moralischen Sinne unmenschlich in seinen Taten und Entscheidungen wird. Er verliert den Sinn für die Wirklichkeit einer gemeinsamen Welt, derer man sich im Öffentlich-Zwischenmenschlichen versichert.

Nun wäre Arendt aber falsch verstanden – und m. E. ist dies oft genug geschehen – wollte man in der Arbeit nur die hässliche Schwester des Handelns und Herstellens sehen, die es zur Differenzierung nun einmal braucht. Arendt referiert zwar das Arbeitsverständnis aus der Zeit der griechischen Poloi, kann dem verborgenen Privatraum aber den Aspekt des Schutzes und der Verborgenheit abgewinnen. Nicht nur die Tür schließen zu können vor allen Ereignissen außerhalb, sondern insbesondere, nicht gesehen und gehört zu werden, sich den Blicken und Nachfragen der anderen nicht aussetzen zu müssen, ist aus ihrer Sicht lebensdienlich. Besonders deutlich wird dies, wenn sie über Liebe, Geburt und Erziehung, aber auch über Scham und Schmerz schreibt (Arendt 2013 [1958], 89f, 125f; Arendt 1999 [1959], 107-112). Es braucht einen Raum für diese zutiefst menschlichen Ereignisse und Phänomene; und dieser konstituiert wiederum das öffentliche Leben. So schreibt sie in Vita activa:

Gerade weil es [ein nur in der Öffentlichkeit verbrachtes Leben, CR] sich ständig in der Sichtbarkeit hält, verliert es die Fähigkeit, aus einem dunkleren Untergrund in die Helle der Welt aufzusteigen; es büßt die Dunkelheit und Verborgenheit ein, die dem Leben in einem sehr realen, nicht-subjektiven Sinn seine jeweils verschiedene Tiefe geben. Die einzig wirksame Art und Weise, die Dunkelheit dessen zu gewährleisten, was vor dem Licht der Öffentlichkeit verborgen bleiben muß, ist das Privateigentum, eine Stätte, zu der niemand Zutritt hat und wo man zugleich geborgen und verborgen ist. (Arendt 2013 [1958], 87)

Und in Die Krise in der Erziehung stimmt sie damit überein: „Alles Lebendige, nicht nur das Vegetative, kommt aus einem Dunkel, und wie sehr es in seiner Natur liegen mag, in ein Helles zu streben, so braucht es doch die Geborgenheit eines Dunkleren, um überhaupt wachsen zu können.“ (Arendt 2020a [1958], 267). Deshalb ist der rein defizitäre oder schamvolle Blick auf den Privathaushalt für Arendt unangemessen. Das Private ist längst nicht nur ein Zustand der Beraubung: Der Schutz, den dieser Raum bietet, ist einer, der Gedeihen ermöglicht, im vegetativen wie figurativen Sinn. Seine Verborgenheit ermöglicht eine Geborgenheit und „Tiefe“, die einer „Verflachung“ des Lebens entgegenwirkt (Arendt 2013 [1958], 250). Gerade das Öffentliche braucht das Private, um überhaupt bestehen zu können – nicht nur, weil es die ökonomischen Voraussetzungen für das Überleben schafft, sondern weil der Mensch einen Schutzraum benötigt, um sich zu besinnen, nachzudenken und dann wieder an die Öffentlichkeit zu treten. Ein Argument, das öffentlich vorgetragen wird, braucht die Ausarbeitung in der Zurückgezogenheit, ob am einsamen Schreibtisch oder im privaten Gespräch. Hier kommt der Einfall zustande, hier wird die Struktur angelegt, hier wird seine Stimmigkeit überprüft, hier erhält es seine „Tiefe“ im Sinne von Substanz und Durchdachtheit. Erst mit dieser Vorbereitung kann es öffentlich überzeugen. Das ruhige Überlegen und Zurechtlegen, das Erproben und Prüfen gelingt unter den womöglich angriffslustigen Blicken der anderen kaum. Damit wird der Rückzug in den Privatraum Voraussetzung für das Politische oder, wie Arendt es in Sokrates fasst, womöglich zum oft übersehenen Bestandteil des Zusammenlebens mit anderen überhaupt (Arendt 2019 [1954], 81). Arendt schätzt das Private offensichtlich als Rückzugs- und Denkort, der mehr ist als eine präpolitische Institution; es ist unabhängig vom öffentlichen Raum Grundpfeiler menschlichen Lebens und entfaltet durch seine Lebensnotwendigkeit sogar einen weitaus größeren Drang, als dies Politisches vermag (Arendt 2013 [1958], 86). Dies klingt nun nicht mehr nach einem notbesetzen Ort, der den Menschen in seinem Menschsein beschneidet. Das Private ist zugleich das Fruchtbare, Lebensfreundliche; das Dunkle steht keinesfalls für Schlechtes oder Böses, sondern für den sprichwörtlichen Schutz der Dunkelheit.4 Auch wenn Arendt das Private in politischer Hinsicht geringer achtet als das Öffentliche: anthropologisch erscheint es als ebenbürtig.

Was für den Privatraum, in dem Arendt Arbeit verortet, gilt, lässt sich auch für die so vergeblich scheinende Arbeit selbst feststellen: Sie ist für Arendt längst nicht derart verachtenswert, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Zweischneidig ist für sie das Arbeiten: Der Fluch des immer Gleichen ist ebenso Segen, der in der Lust des rhythmischen Funktionierens und des Überflusses liegt – auch wenn solcher luxuriöser Überschuss für Arendt erst ein Phänomen der Neuzeit ist (Arendt 2013 [1958], 120f, 126). Neuere Überlegungen zur Übung gäben ihr Recht: Das ständige Wiederholen, das Arbeit in allen Zeiten kennzeichnete, mag zwar lästig sein, es hat zugleich aber einen meditativen Zug (Bollnow 2019 [1974]; Brinkmann 2018), bis hin zum von Csíkszentmihályi beschriebenen Flow-Zustand. So entstehen Lust und Glück nicht nur im schöpferisch immer Anderen, sondern im selbstvergessenen Tun des sich Gleichenden. Lobend verweist Arendt sodann in ihrer Marx-Rezeption darauf, dass dieser Arbeit mit der Zeugung und dem Gebären zusammendachte, gemäß hebräischer wie antiker Tradition (Arendt 2013 [1958], 125f): Schmerz und größte Anstrengung teilen Arbeit wie Geburt, aber auch den Aspekt der Fruchtbarkeit. Das vegetative Neue, das in Ackerbau wie in der menschlichen Generativität hervorgebracht wird, ist keine Kopie des Vorigen, sondern zeugt von einer vielfältigen Produktivität, die zugleich auf Herkunft verweist und Zukunft bedeutet.

Festzuhalten ist hier bislang: Weder verachtet Arendt den privaten Raum noch das Arbeiten. Nur wo der Rückzug ins Private überhandnimmt, kann sie ihn nicht mehr gutheißen, gleich, ob er tyrannischen Verhältnissen, religiöser Weltverachtung oder gedankenloser Familiensorge geschuldet ist. Ähnlich steht es um die Arbeit: Nicht das Arbeiten per se stellt Arendt in ein schlechtes Licht, sondern die Wendung seiner Modi und Prinzipien in andere Lebensbereiche.

2. Arbeit als Grundphänomen bei Eugen Fink

Deutliche Parallelen zu Arendts Überlegungen finden sich in Eugen Finks Deskriptionen und Deutungen des Grundphänomens Arbeit. Arbeit wird neben Herrschaft, Liebe, Tod, Spiel5 in Finks Schriften als ein derart zentrales anthropologisches Phänomen verstanden, das ihm keine weitere Rückführung auf Grundlegenderes sinnvoll erscheint (Fink 2018 [1987], 265f). Immer durchwirken sich diese Lebensdimensionen gegenseitig, immer ist der Mensch Arbeiter, Kämpfer, Liebender, Sterblicher und Spielender zugleich. Im Gegensatz zu phänomenologischen Existentialen wie Zeitlichkeit, Leiblichkeit oder Freiheit sind die genannten Grundphänomene bei Fink stets coexistentiell gedacht, also erst vor einem gemeinschaftlichen Hintergrund zu begreifen: „In der Arbeit teilen sich ja die Menschen in verschiedene Arbeitsfunktionen, sie ergänzen einander, wirken zusammen, bilden eine Gemeinschaft der Arbeit; die Arbeit hat notwendig einen mit-menschlichen Horizont, ist immer eine bestimmte Art des Mitseins mit Anderen.“ (Fink 2018 [1974], 441). Hier wird Fink deutlicher als Arendt. Denn auch wenn der Gegenstand von Arbeit Natur und Dinge sind und nicht Menschen, wie dies bei Politik oder Liebe der Fall ist (Fink 1995 [1963], 129), ist für Fink Arbeit nur in einer kulturell geteilten Welt denkbar. So wird bereits verständlicher, dass Fink ausschließlich Menschen so beschreibt, dass ihnen Arbeit wesentlich ist. Was angesichts von Tieren bei Nestbau, Jagd oder Vorratsbeschaffung zu Widerspruch reizt und aus heutiger Sicht allzu kategorisch erscheint, macht Fink an der Zeitlichkeit der Arbeit fest. Nur ein Wesen, das Vergangenheit und Zukunft als solche versteht, hat Einsicht in Not und Sorge und verhält sich zu diesen in seiner Arbeit (Fink 1989 [1964], 29).6

Ähnlich wie Arendt bestimmt Fink Arbeit grundsätzlich über das menschliche Naturverhältnis und ihren Not-wendenden Charakter. In der Arbeit kultivieren Menschen Natur zu ihrer Lebenserhaltung und zeigen damit zugleich ihre existentielle Angewiesenheit auf das, was außerhalb ihrer selbst liegt. Arendts Überlegungen zum vegetativen Leben fasst Fink in phänomenologischer Manier als „Notdurft der Leiblichkeit“ (Fink 1989 [1964], 32): Menschen sind keine Geistwesen, die weder Nahrung noch Wärme benötigen, sondern stehen durch ihre Leiblichkeit immer schon in Abhängigkeit von dem, was sie aus ihrer Umgebung gewinnen können. Menschliches Leben – das mag angesichts der ernährungslogistischen und medizinischen Möglichkeiten der europäischen Spätmoderne leicht in Vergessenheit geraten – ist äußerst vergänglich und im Grunde stets bedroht. Zugleich ermöglichen die leibliche Verfasstheit und ihre technischen Erweiterungen in Werkzeugen und Maschinen aber auch das Arbeiten und Umwerken der Umgebung. Fink bemerkt pointiert: „Ein leibloser Geist stünde machtlos vor den gewaltigsten Hebeln.“ (ebd.).

Nun sind Menschen nicht nur gänzlich abhängig davon, Lebensmittel aus ihrer Umgebung zu gewinnen. Ständig überschreiten sie, was sonst bloße Natur wäre. Hier zeigt sich für Fink die „endliche Menschenfreiheit“ (Fink 1989 [1964], 30): Diese besteht nicht in einer Ablösung von allen Bedürfnissen; zugleich fügen sich Menschen nicht lediglich in eine ökologische Nische ein und passen sich bestmöglich daran an – im Gegenteil. Arbeit hat für den Phänomenologen den Charakter von „Wildnistilgung“. Wo immer Menschen ihre Arbeit tun, wird die unberührte Natur kulturell überformt, umgestaltet, letztlich vermenschlicht. Dabei nimmt Fink Abstand von romantischen Naturvorstellungen, die sich am schon bebauten Garten, am bewirtschafteten Wald oder vielfach kartographierten Gebirgspfad orientieren, also bereits eine gezähmte Wildnis darstellen (Fink 2018 [1987], 42f; Fink 1989 [1964], 32f). Die eigentliche Bedrohung, die von echter Wildnis ausgeht, wie man sie heute womöglich nur noch im entlegensten Urwald, den größten Wüsten oder den höchsten Bergen der Welt antrifft, versuchen Menschen durch die Arbeit an ihr ja gerade zu bändigen und sie so zu einem lebensdienlicheren Raum zu machen. Dies betrifft die Feldwirtschaft, Tierzucht und Bebauung genauso wie die Herstellung von Gegenständen.

In diesen kurzen Ausführungen deutet sich bereits an: Wenn Fink über Arbeit nachdenkt, fasst er diese deutlich weiter als Arendt. Animal laborans und homo faber sind für ihn beide wesentliche Arbeitsformen. Zwar spricht auch Fink unterscheidend von Verbrauchs- und Gebrauchsdingen, von der Vergänglichkeit der Arbeitsprodukte und ihrer vorläufigen Abgeschlossenheit zugleich (Fink 2018 [1974], 455f). Doch fasst er all dies in ein gemeinsames Grundphänomen und schließt was Arendt als Herstellen bezeichnet mit ein. Arbeit stellt jegliche Lebens-Mittel bereit, die Menschen nötig haben, gleich ob für das leiblich-vegetative Bedürfnis nach Nahrung und Ruhe, das Arendt betont, als auch den Bedarf an hergestellten Dingen, ohne die menschliches Leben nicht denkbar ist: Kleidung, Häuser, Fortbewegungsmittel, kultische Gegenstände u. v. m. (Fink 2018 [1987], 42). Anhand dieser Lebens-Mittel richten sich Menschen in der Welt ein; und dies längst nicht nur im technischen, sondern im umfassend kulturellen Sinne. Ein anschauliches Beispiel Finks ist hier der Tisch: Dieser ist nicht nur Werkstück oder der Hygiene wegen erhöhte Ablage, sondern zugleich Ort der Begegnung und des gemeinsamen Mahls (ebd., 123, 128f, 141). Fink unterstreicht damit: Die Lebens-Mittel, die Menschen produzieren, sind Ausdruck der menschlichen Welthaftigkeit; in seinen Werken verhält sich der Mensch zu sich selbst. Arbeit dient nicht nur der Selbsterhaltung, sondern bewirkt eine Selbsthervorbringung des Menschen. Auch wenn Menschen von der Erde verschwänden, würde das, was sie hinterlassen, ein umfassendes Bild ihres Lebens zeichnen. In unserer Zeit überrascht uns das kaum: Was Fink in den 50er und 60er Jahren weder mit heroischem noch mit ökologisch-kritischem Unterton beschreibt, ist im Zeitalter des Anthropozäns Allgemeinwissen geworden.

Dass Arbeit anhand solcher Mittel die Not des Menschen lindert, ist einleuchtend. Fink hat, noch prominenter als Arendt, zugleich den Überfluss im Blick, den Menschen sich verschaffen:

[Der] Notwendungscharakter der menschlichen Arbeit wird im Zuge der geschichtlichen Entfaltung des Menschentums vielfach überdeckt und zugedeckt von einer merkwürdigen Ausweitung der Arbeit, sofern dann nicht das Nötige hergestellt wird, sondern auch das Überflüssige [...]. Jedoch viel stärker als durch das Luxusbedürfnis wird die Ausweitung der menschlichen Arbeitswelt vorangetrieben durch die Erfahrung, daß nicht nur die Not-Wendung in der Arbeit gelingt, daß der Mensch seiner Macht inne wird, ein unabsehbar gewaltiges Können in sich entdeckt [...]. Das Machen-können wird als gesteigertes Dasein erfahren [...]. (Fink 1989 [1964], 31)

Wo die grundlegenden Bedürfnisse gestillt sind, steht im Vordergrund der Arbeit nicht mehr die Sorge um das Leben, sondern die Lust am eigenen Können. Arbeit changiert für Fink zwischen Not und Luxus, entspannt sich zwischen Fluch und Segen (ebd., 31), wobei offen ist, ob der Segen in der Befriedung vegetativer Bedürfnisse oder dem sorglosen Überfluss liegt. Überhaupt ist die Zwiespältigkeit der Arbeit, die bei Arendt am Ende aufgezeigt werden konnte, für Fink von vorneherein als dialektische Bewegtheit offensichtlich (Fink 2018 [1987], 172f). Die durchgehende Problematisierung der technischen Machbarkeit und Schaffenskraft teilt er nicht. Vielmehr sieht er – vor aller Computerisierung – dass Arbeit in der Neuzeit „als technische Produktivkraft verstanden, zum eigentlichen Reichtum, zur eigentlichen Waffe und zur eigentlichen Wissensbahn des Menschen“ (Fink 1989 [1958], 60) wird. Obgleich die Jahreszahlen dagegen sprechen, liest es sich wie eine Mahnung an Arendt: Moderne Arbeit kennzeichnet Intellektualität; sie ist nicht länger sklavisch zu verstehen, sondern hat Anteil an der Sinn-Produktion (ebd., 58f). Dennoch ist Finks Skepsis gegenüber einem übergreifenden Gebrauch der Arbeitskategorie groß. Insbesondere die Lebensbereiche der Erziehung und Politik sieht er hier in Gefahr.

3. Arbeit als Denkkategorie

Hannah Arendt und Eugen Fink betonen beide den für menschliches Leben essentiellen Charakter der Arbeit und beschreiben sie in Arendts Fall als zyklische, dem Konsum unterworfene Tätigkeit, bei Fink als notwendendes Daseinsphänomen zur Produktion all dessen, was menschliches Leben ermöglicht. Allerdings bietet für beide Arbeit darüber hinaus noch anderes: Sie verstehen sie über ihre phänomenalen Grenzen hinaus als eine eigenständige Denkkategorie.

Dass Arendt, im Gegensatz zu Fink, das werktätige Herstellen noch von der Arbeit unterscheidet, liegt unter anderem in den unterschiedlichen Prinzipien begründet, die sie diesen zuschreibt: der Weltlichkeit, des Zweck-Mittel-Denkens, des planbaren Verfertigens und der Macht über das Material auf der Seite des Herstellens; das des vegetativen Lebens, des zyklischen Konsums, der Fruchtbarkeit und Naturabhängigkeit auf Seiten des Arbeitens. Diese hält sie für den jeweiligen Bereich angemessen. Sie können jedoch zerstörerisch wirken, wo sie sich anderer Lebensbereiche zu ermächtigen vermögen. Dabei sind Arbeiten, Herstellen und Handeln lebensweltlich kaum zu trennen. Sowohl finden sich vielerlei Zwischenphänomene als auch Übergänge und Verschiebungen. Wenn Arendts Tätigkeitsformen in Vita activa der Struktur halber recht rigide unterschieden werden, macht sie dennoch an mehreren Stellen deutlich, wie wenig ausschließlich ein bestimmtes Tätigkeitsphänomen verortet sein muss: „Vom Standpunkt des Lebens der Gattung aus gesehen, können in der Tat alle Tätigkeiten auf den Generalnenner des Arbeitens gebracht und nivelliert werden“, schreibt sie – mit mahnendem Unterton – in Vita activa (Arendt 2013 [1958], 128). Unter Arbeit, so schon 1953 im Denktagebuch, könne man jede Tätigkeit verstehen, „die auch dem Lebensunterhalt dient“ (Arendt 2016, 366). Ähnliches gilt für das Herstellen: Zwar möchte Arendt Arbeiten und Herstellen keinesfalls gleichsetzen, aber sieht doch fließende Grenzen, insofern, dass auch Arbeit nahezu immer Elemente des Herstellens trägt (ebd.). Nur da, wo ein Tun allein dem Lebensunterhalt dient, wird die Kategorie Arbeit exklusiv. Auch für das Handeln ist Arendts Abgrenzung weniger deutlich, als die Struktur und die jeweils breiten Ausführungen in Vita activa suggerieren. Arendt schreibt im ersten Kapitel: „Im Sinne von Initiative - ein initium setzen - steckt ein Element von Handeln in allen menschlichen Tätigkeiten“ (Arendt 2013 [1958], 18) und bekräftigt in Freiheit und Politik, dass letztlich alles Tun, das reines Reagieren übersteigt, ein Moment des Handeln beinhaltet (Arendt 2020b [1958], 222f). Arendt weicht die häufig starr wirkenden Grenzen ihrer Tätigkeitsformen also auf, wenn sie Phänomene wirklichkeitsnah beschreibt. Wozu dann aber die strenge Trennung? Vollrath (1995) bemerkt, dass Arendt teils bewusst gewesen sei, dass die Division des tätigen Lebens in drei Formen „wenn überhaupt, nur analytisch brauchbar“ sei. Dem "wenn überhaupt“ hätte Arendt wohl nicht zugestimmt: Ein Sinn der klaren Abgrenzung besteht für sie sicher darin, ihre Vision von Politik klar zu entfalten. Dass ihre Unterteilung aber „analytisch brauchbar“ sein könnte, dem hätte Arendt sehr wohl beigepflichtet. Arendts Grundtätigkeiten überschreiten das empirisch nachweisbare Tun und sind dabei mehr als eine Typologie von Tätigkeiten.7 Sie beschreiben, so Arendt in Kultur und Politik, nur die Lebenspraxis bis zum Beginn der Frühen Neuzeit, machen aber in ihrer Klarheit auch die moderne Gesellschaft verständlicher (Arendt 1958, 1127). So hält Arendt an der Trennung der drei Tätigkeiten insbesondere dann fest, wenn sie ihr zu Denkmitteln werden. Falsche Zuordnungen stellen dabei insofern eine Gefahr dar, dass sie Weltzugänge und Haltungen präfigurieren. Arbeiten, Herstellen und Handeln bringen, wie oben für die ersten beiden schon angesprochen, Denkparadigmen mit sich: das Zyklisch-Vegetative, das Zweckrationale und das frei Initiative. Arendt bietet hier Kategorien, mit denen nicht nur menschliches Tun, sondern auch Haltungen politischer Art deutlich werden, und gebraucht diese selbst in ihren Analysen, wie sie beispielsweise in Macht und Gewalt und Kultur und Politik zeigt. So gilt dies für das Herstellen, wo es im Sinne des Arbeitens verstanden wird, aber noch mehr für das Handeln im politischen Raum, der aus Arendts Sicht nicht vom Herstellen (und auch nicht vom Arbeiten) her gedacht werden darf (Arendt 2013 [1958], 203f). Zunächst sei Arendts Sorge an der Verabsolutierung des Herstellens aufgezeigt.

Sowohl die Reduktion von Gegenständen, erst recht aber von Menschen und Beziehungen, auf ihren Tauschwert, als auch das Prinzip der Machbarkeit und des utilitaristischen Denkens stellt Arendt für Bereiche außerhalb des Herstellens in Frage. Vom marktförmigen Tausch her gedacht unterliegt der Wert einer hergestellten Sache auch ihrer Verfügbarkeit: So kann dasselbe Ding aufgrund von Knappheit plötzlich einen deutlich höheren oder niedrigeren Tauschwert haben als zuvor. In kapitalistischen Systemen wird gar selbstverständlich, dass hergestellte Produkte Warencharakter haben und Händlerinnen oder Händler und Herstellerinnen oder Hersteller auseinandertreten. Teilweise groteske Formen nimmt dies an, wo Angebot und Nachfrage allein über den Wert eines Dinges bestimmen – statt beispielsweise Material- und Herstellungsaufwand oder die darin sichtbare Kunstfertigkeit. Arendts Skepsis einer Kategorienvermischung wird insbesondere nachvollziehbar, wenn kommerzielles Denken auf Produkte der Arbeit ausgeweitet wird, die dem Überleben dienen (z. B. Lebensmittelspekulationen) sowie auf den Menschen selbst (z. B. Sklavenmärkte, Humankapitaltheorie). Es ist also nicht die Praxis des Herstellens selbst – nur das Tätigsein selbst bemächtigt sich keiner anderen Räume – sondern Haltung und Weltzugang, die in Arendts Augen für andere Bereiche ungerechtfertigt sind. Dies gilt auch für Denkweisen des Machen- und zweckhaften Erschaffenkönnens, wo sie in den zwischenmenschlich-politischen Raum dringen. Weil die Zwecke, um derentwillen die gewalttätigen Mittel angewandt werden, in diesem Bereich nicht kontrollierbar sind, holen die Mittel selbst sie bald ein und werden bedeutender als sie selbst (Arendt 2021 [1969], 8; Arendt 2013 [1958], 278ff). Arendt nennt Krieg als Beispiel, bei dem das zwischenmenschliche Handeln unter die Zweckgebundenheit des Herstellens gerät (ebd.; Arendt 2013 [1958], 221). Dass die Mittel dabei die Zwecke einholen, gilt selbst dort, wo das Ziel als moralisch Gutes erscheint: Zum Beispiel mag zu Beginn eines Krieges die Befreiung einer unterdrückten Minderheit im Vordergrund stehen und die Mittel dafür scheinbar rechtfertigen. Die Kriegswerkzeuge können jedoch so verheerend sein, dass sie größere Auswirkungen haben und historisch besser erinnert werden als die Befreiungstat selbst. Das Herstellen zum Prinzip des Zwischenmenschlichen zu machen, erscheint daher schon theoretisch nicht möglich, überschreitet für Arendt zudem aber eine Grenze hin zur moralischen Verwerflichkeit. Der Mensch erscheint hier als Mittel, mit dem verfahren werden kann wie mit einem beliebigen Material. Darin sieht sie eine Missachtung der Einzigartigkeit der Person (Arendt 2013 [1958], 218f; Arendt 2020, 365; Arendt 1958, 1135). Sicher hat Arendt dies angesichts von zwei mittelbar erlebten Weltkriegen deutlich vor Augen gestanden: Für den Soldaten spielt die einzelne Persönlichkeit des Gegners keine Rolle; als unbekanntem Feind, den es zu töten gilt, ist ihm die Menschlichkeit genommen. In diesem Sinne braucht es im Kriegsrecht andere Gesetze für Soldaten und Soldatinnen als für Zivilisten und Zivilistinnen – die zuerst genannten dürfen verletzt oder getötet werden, die zweitgenannten nicht, will man sich nicht eines Kriegsverbrechens schuldig machen. Ihr Extrem findet Arendts Anprangerung allerdings sicher in der Ermordung von Jüdinnen und Juden sowie weiterer Personengruppen im Holocaust.8 Überhaupt sieht sie die Zweck-Mittel-Rationalität mit ihren konsequenten Ableitungen als ein Prinzip totalitärer Herrschaft an (Arendt 2021 [1955], 956f). Vehement spricht Arendt sich also gegen einen ökonomisch-technischen oder gewaltsamen Zugang zu Menschen aus; diesen hält sie für eine „Perversion des Herstellens“ (Arendt 2020, 521). Als Kant-Kennerin mag ihr die Selbstzweck-Variante des Kategorischen Imperativs vor Augen gestanden haben, die Menschheit dürfe sowohl in der eigenen als auch jeder anderen Person nie nur Mittel, müsse immer zugleich auch Zweck sein (Kant, GMS, AA IV, 429). Dass sie hier ein Denken auf die Spitze treibt, dass von Kant im „Zugleich“ weniger ausschließlich angelegt war, sei an dieser Stelle nur erwähnt. Arendt geht letztlich über Kant hinaus, indem sie utilitaristisches Denken in allen Bereichen außerhalb des Herstellens für ungerechtfertigt erklärt (Arendt 1958, 1135f).

In ähnlicher Weise, wie dies nun für das Herstellen gezeigt wurde, prangert Arendt einen Zugang zu Welt, Mitmenschen und Selbst im Sinne des Arbeitens an. Mindestens seit der modernen Arbeiterbewegung beobachtet die Denkerin die Tendenz zur Verallgemeinerung des Arbeitsdenkens (Arendt 2013 [1958], 275-278). Dabei stört sie sich sowohl an einer Haltung des Konsums als auch an der Hochschätzung des Lebens, die mit einer Abwertung der gemeinsamen Welt einhergeht. Denn was ein politisch willkommener Emanzipationsprozess ist – das breite Drängen von Arbeiterinnen und Arbeitern an die Öffentlichkeit – hat für Arendt eine Kehrseite: Wo Arbeit überall präsent ist, zur maßgeblichen Tätigkeit wird und eine Gesellschaft zur Arbeitsgesellschaft wird, ergreift das Konsumprinzip auch solche Dinge, die früher nicht als Konsumgüter verstanden wurden. Dies gilt für Hergestelltes: man denke an Kleidung, Möbel, Spielzeug oder Elektrogeräte, die in der Spätmoderne häufig so produziert werden, dass sie nur eine verhältnismäßig kurze Zeit brauchbar oder funktionstüchtig sind. Die Nachhaltigkeitsbewegung der letzten Jahre kann im Lichte von Arendts Kategorien als ein Versuch verstanden werden, Herstellungsprodukte wieder dauerhafter zu gebrauchen. Arendt führt das Problematische am Primat des Konsums in Kultur und Politik am Beispiel von Kulturgütern aus: Deren „ursprünglich eigentümliche Fähigkeit, von sich aus zu greifen“ (Arendt 1958, 1123) geht ihnen als ein Verbrauchsgegenstand letztlich verloren; sie erscheinen als ersetzbar und vergänglich. Jedoch erneuern sie sich nicht in natürlichen Kreisläufen, wie es eigentliche Konsumgüter wie Feldfrüchte oder Trinkwasser bei mäßigem Verbrauch tun, werden also verbraucht, ohne nachzuwachsen. Als Konsumwaren, denen ein monetärer Wert zugeschrieben wird, lassen sie sich in lebenserhaltendes Eigentum übersetzen, teils ohne in ihrer eigentlichen Funktion zur Geltung zu kommen. Wo die im Grunde vergängliche Arbeit in Geld übersetzt wird, greift zudem der kapitalistische Gedanke des Anhäufens von Gütern (Arendt 2013 [1958], 136). Die Sensibilität für die Sache selbst in ihrer qualitativen Gegebenheit erfährt im Lichte des quantitativen Mehr-Habens eine entscheidende Abstumpfung, die sich auf den gemeinschaftlichen wie individuellen Weltzugang auswirkt. Nahe an diesen Überlegungen spricht Hartmut Rosa im bereits eingangs angeführten Zitat von einem „Aggressionsmodus der Weltbeziehung“, der „dann und dort zum Problem [wird], wo er zum Grundmodus jeglicher Lebensäußerung wird“ (Rosa 2023, 37). Dieses Aggressionsverhältnis entstammt, so Rosa, einem andauernden Zwang zur Steigerung. Es hat „überhaupt nie ein Ende [...], weil es nie befriedet werden kann“ (Rosa 2022, 44). Demokratie, so seine zentrale These in seinem Vortrag Demokratie braucht Religion, gelingt in diesem Modus von Steigerungszwang und Aggression nicht. Rosa beruft sich auf Arendt, wenn er mit dem Natalitätsgedanken eine Möglichkeit nennt, aus einer solchen Haltung auszusteigen (ebd., 55, 66).

Ein weiteres Zeichen für einen grenzüberschreitenden Gebrauch der Arbeitskategorie ist für Arendt, dass Leben, das sie als Grundbedingung der Arbeit ausgewiesen hatte, zum höchsten Gut erhoben wird. Arendt zeigt mit einem Gang durch die Denkgeschichte der letzten beiden Jahrtausende, wie sich der antike Vorrang der gemeinsamen Welt zur Verabsolutierung des diesseitigen Lebens vollzogen hat (Arendt 2013 [1958], 397-415). Das Christentum, so Arendt, nahm hier maßgeblich Einfluss, indem es den Rückzug ins Private als zuträglich für das persönliche Heil hielt. Überhaupt führte die Ausrichtung auf ein jenseitiges, ewiges Leben dazu, dass die irdische Welt vergleichsweise unwichtig erschien und ein Einsatz für eine gemeinsame, politische Sache für weniger lohnend gehalten wurde als geistliche Übungen in der Zurückgezogenheit. Das individuelle Leben aber, als Vorstufe einer himmlischen Unsterblichkeit, wurde dabei mitaufgewertet. Zwar konnte sich die Vorstellung eines ewigen Lebens in der Moderne nicht halten, wohl aber blieb die Idee bestehen, dass das Leben des einzelnen Menschen – auch schon das vegetative Am-Leben-Sein – das höchste aller Güter sei. Wenn diese Überzeugungen noch letzte Spuren einer Initiativkraft des oder der Einzelnen hatten, so wurden diese spätestens mit der Marxschen Gesellschaftstheorie gänzlich aus dem Denken verdrängt:

[...] wenn dieser Lebensprozeß des Menschengeschlechts im Ganzen überhaupt Ziel und Sinn haben sollte, so könnte er nur in ihm selbst liegen, in der Selbsterhaltung menschlichen Lebens auf der Erde. Um das Leben des Einzelnen mit diesem Lebensprozeß im Ganzen zu verbinden, dafür bedarf es wahrlich keiner spezifisch menschlichen Vermögen; das Einzelleben ist dem Gattungsleben eingefügt durch die Arbeit, die die Erhaltung des Eigenlebens und das der Familie besorgt. Und was nicht der Lebensnotdurft dient, nicht von dem lebendigen Stoffwechsel direkt erzwungen ist, ist entweder überflüssig oder erklärt sich als eine der menschlichen Spezies eigentümliche Funktion [...]. (Arendt 2013 [1958], 409)

Diese Funktion, so Arendt, muss in diesem Denken auf natürliche Triebe zurückzuführen sein. Handeln wird im Laufe der Geschichte zwar zunächst als Herstellen verstanden, nun aber vermehrt in der Kategorie der Arbeit gefasst. In Arendts Zukunftsvisionen ist diese Entwicklung noch lang nicht an ihrem Ende: Sie vermutet künftig eine Ablösung des Menschen selbst von der Arbeit, indem Leben zu einer reinen Funktion im Sinne einer Naturkraft wird und sich nicht mehr vom tierischen oder technischen Bereich unterscheiden lässt. Die Ansätze dafür sieht sie im Behaviorismus Anfang des 20. Jahrhunderts, der sich bis in aktuelle Lerntheorien hält. Selbst auf kognitivistische und neurowissenschaftliche Modelle, die erst in den 60er Jahren bzw. zum Ausgang des Jahrhunderts aufkommen, greift Arendt vor.9

Mit Blick auf Eugen Fink sei noch erwähnt: In diesen Überlegungen zu Denkkategorien zeigt sich auch eine anthropologische Argumentation Arendts. In ihrem Denktagebuch ordnet sie Arbeiten mit seinem vegetativen Charakter dem Tier zu, Herstellen dem Gott – hier hatte sie wohl den göttlichen Demiurgen vor Augen – und Handeln dem Menschen10 (Arendt 2016, 203f). Und in Vita activa schreibt sie, nur Handeln sei „das ausschließliche Vorrecht des Menschen; weder Tier noch Gott sind des Handelns fähig, und nur das Handeln kann als Tätigkeit überhaupt nicht zum Zuge kommen ohne die ständige Anwesenheit einer Mitwelt.“ (Arendt 2013 [1958], 34). Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Denken Finks und Arendts zeichnet sich demnach in der anthropologischen Bedeutung des Arbeitens ab. Handeln, das sich als öffentliches In-Erscheinung-Treten der Person an Mitmenschen richtet und dabei die gemeinsame Welt als Anliegen hat, wird hier Merkmal des Menschen. Dies, wie gleichfalls bei Fink, ganz ohne damit auf eine Wesensbestimmung des Menschen zu zielen. Es kann vielmehr verstanden werden als eine Möglichkeit, die nur Menschen eröffnet ist, und von der sie, wenn ihnen die Welt lieb ist, tunlichst Gebrauch machen sollten. Denn, so viel wurde deutlich: Im Feld des Handelns wird ein vegetativer oder manipulativer Zugang, wie er für Arbeiten oder Herstellen erforderlich ist, dem menschlichen Gegenüber nicht gerecht.

Wo Arendt erst nach umfassenden Beschreibungen zur Kritik des grenzüberschreitenden Arbeitsdenkens kommt, wird Eugen Fink von vornherein expliziter und ausführlicher. Die von ihm vorgestellten Grundphänomene dienen von Beginn an nicht nur als Beschreibungen menschlichen Lebens, sondern als Deutungshorizonte, sind „ursprünglichere Verstehensbahnen und Vollzugsweisen menschlicher Coexistenz“ (Schwarz 1987, 68). Sie erschließen menschliche Lebensbereiche, statt sie nur zu umgrenzen, und stellen jeweils ein Seins- und Weltverständnis dar, bieten Verstehens- und Auslegungskategorien (Fink 1995 [1965], 119; Fink 1995 [1955], 353; Burchardt 2001, 152, 164). Was zunächst als hilfreiche hermeneutische Möglichkeit anklingt, kann allerdings auch in Finks Augen übergriffig werden. Bereits in seinem anthropologischen Hauptwerk weist er darauf hin, dass die von ihm beschriebenen Grundphänomene „die immanente Tendenz [haben], sich jeweils ,absolut‘ zu setzen“ (Fink 1995 [1955], 206). Gemeint ist hier offensichtlich nicht, dass das Leben nur noch aus Arbeit bestünde und darüber Familie, Politik und Spiel vernachlässigt würden. Vielmehr sieht Fink in der grenzüberschreitenden Denk- und Sprechweise im Sinne der Arbeit unsachgemäße Identifikationen. Wenn ein ökonomisches Kalkül das Liebesleben, das Gesundheitssystem oder die Kulturszene bestimmt, hält er dies für einen Kategorienfehler. Exemplarisch untersucht er den Einsatz von Termini und Denkweisen der Arbeit im Feld Erziehung (Fink 1995 [1963], 122-128) und des Politischen, das er häufig mit Herrschaft gleichsetzt (ebd.; Fink 2018 [1974]). Einen wesentlichen Schwerpunkt in Finks Schaffen bildet Erziehung, so dass Grenzüberschreitungen der Kategorie Arbeit hier auch an ihrem Beispiel ausgeführt seien.

Offensichtlich gelangt Fink erst im Laufe der Jahre zu einer umfassend skeptischen Haltung, das Arbeitsdenken zu verabsolutieren. Noch in Grundphänomene des menschlichen Daseins stellt er Überlegungen zur Arbeit am Menschen an (Fink 1995 [1955], 308f). Arbeit, so Fink, kann auch auf diesen bezogen sein, nicht nur auf dingliche Gegenstände oder Natur. Auf den ersten Blick scheint diese Aussage noch nicht sonderlich fragwürdig. Für die meisten Beispiele, die Fink anführt, wie die aus Medizin oder Kosmetik, ist dieser verdinglichende Bezug zum Menschen anerkannt. Menschen werden dabei einschränkend als Physis verstanden; insbesondere dort, wo es sich um handwerkliche Tätigkeiten handelt. Für die operierende Chirurgin spielt die jeweilige Person nur eine untergeordnete Rolle, einzelne ihrer Merkmale sind vielleicht zu berücksichtigende Einflussfaktoren, aber letztlich mag es das Karzinom eines freundlichen Bettlers oder einer garstigen Monarchin sein, für die Krankheit und operative Therapie ist dies sachlich irrelevant. Auch wenn in jeglichen Gesprächssituationen und individuell abgestimmten Therapien Patienten und Patientinnen sicher als persönliches Gegenüber angesehen werden sollten, mag in diesem Fall eine Vergegenständlichung sogar zuträglich sein, um sich auf das technische Können zu konzentrieren. Dies wäre Arendt zunächst entgegenzuhalten. Mit ihr, so wurde deutlich, wäre solches Denken kategorisch abzulehnen: Zur Arbeit kann Tätigkeit am Menschen – übrigens mit Bezug zu Platos Politeia explizit auch die der Ärztin oder des Arztes – nur symbolisch abstrahiert werden, indem Lohn für eine Tätigkeit bezahlt wird, die eigentlich uneigennützig ist, weil sie beispielsweise an Gesundheit orientiert ist (Arendt 2016, 207). Erstaunlich ist an dieser Stelle aber, dass Fink Lehrkräfte und Kinder als Beispiel heranzieht. Auch für die Pädagogik gilt, so nimmt Fink zunächst an, dass Arbeit am Menschen verrichtet wird (s. a. Brinkmann 2017, 106). Nun mögen Erziehung und Unterricht zwar metaphorisch und analog zu Arbeit als eine Art Wildnistilgung an der menschlichen Natur verstanden werden können – Bilder der Kultivierung von Pflanzen oder des Bildhauens sind in der Pädagogik nach wie vor wirkmächtig – doch ist der Mensch hier nie derart Gegenstand, wie er es in technisch verrichtbaren Disziplinen ist. So bleibt auch Fink bei dieser Position nicht stehen. In Pädagogische Kategorienlehre stellt er weitere Studien an, die Überlegungen zur Sprache miteinbeziehen. Sein Ausgangspunkt ist es, erschließende Begriffe für Erziehung finden zu wollen.11 Auf passende Begriffe, darauf, dass Phänomene adäquat sprachlich adressiert werden, legt Fink besonderen Wert, wenn diese Menschen betreffen. Hier zeigt sich eine ähnliche Sensibilität, wie sie oben für Arendt festgestellt werden konnte. Denn für Menschen, so Fink, ist die Bezeichnung keine einseitige Sache, wie dies bei einem Gegenstand der Fall ist, der eben so oder so benannt werden kann. „Auf falsche Begriffe“ reagiert der Mensch in seinem Verstehen und Verhalten „mit falschem Leben“ (Fink 2018 [1987], 146), versteht sich selbst sodann im Sinne technischer Kategorien. Zu beobachten ist dies beispielsweise, wo Menschen sich selbst und ihr Lernen analog zu Computern und ihren Speichervorgängen beschreiben. Erziehung kann aus Finks Sicht also doch nicht sinnvoll in Bildern und Begriffen der Arbeit gefasst werden. Als zwischenmenschliches Geschehen – auch hier ähnelt das Argument dem Arendts für das Politische –, insbesondere aber als Vorgang im Generationenverhältnis hält Fink, wie Arendt, das ökonomische Kalkül eines Zweck-Mittel-Denkens und der Machbarkeit für verwerflich. Möchte man unbedingt von einer Arbeitsmetapher ausgehen, so findet Fink ein anschauliches Bild: Zwar sei Erziehen nicht mit dem Töpfern zu vergleichen, als sei das Kind ein formbarer Klumpen. Am ehesten habe sie etwas mit der Formung zu tun, die die Hand des Töpfers selbst durch die Formung des Lehms erfährt (Fink 1995 [1963], 143). Erziehung ist, so Fink, nie bloß Wachstum oder Formung einer Physis, immer ist der Mensch „inkarnierte Existenz“ (ebd.). Dies zeigt sich nicht zuletzt am resonanten Wechselverhältnis zwischen dem vermeintlichen Gegenstand Kind und dem bearbeitenden Erwachsenen. Dass dieses reine Machbarkeit ausschließt, ist Tragik und Lust des Pädagogischen zugleich. Wer versucht, Erziehung als bloße Verhaltensmodifikation zu beschreiben, scheitert nicht zuletzt und glücklicherweise am freien Widerstand des Kindes (Reichenbach 2011). Wo Pädagogik gelingend technologisch verstanden wird, wie im Feld der Didaktik, muss überlegt werden, ob im eigentlichen Sinne nicht Kinder Gegenstand von Arbeitsbemühungen sind, sondern die beizubringende Sache (Rémon 2021).

Während Fink in Pädagogische Kategorienlehre die Denkbahn der Arbeit und der Technik noch als eine unter anderen beschreibt, wird sie ihm in seinen letzten Lebensjahren zur vorherrschenden. Wirkmächtig sieht er sie – und hier trifft er sich erneut mit Arendt – dann insbesondere im Bereich der Politik, die Fink als strukturierte Herrschaftsverhältnisse menschlicher Gemeinschaft versteht. Ein „entscheidender Zug“ der Moderne, so Fink, „ist die Verwischung des Unterschiedes der beiden Existenzdimensionen ,Arbeit‘ und ,Herrschaft‘.“ (Fink 2018 [1974], 462). In seinem Traktat über die Gewalt des Menschen stehen dabei Technik und Produktion im Mittelpunkt. Der Promethidenstolz, den Fink in der Kraft der Menschen sieht, „etwas in die Welt [zu bringen], was zuvor nicht darin gewesen ist“ (ebd., 323) verleitet dazu, das ganze Menschsein von der Produktion her zu denken. Im Gegensatz zum üblichen Arbeiten braucht es dann nicht einmal mehr die Orientierung auf ein Produkt hin, das als Ziel vor Augen steht. Das Produzieren selbst ist es, was als Freiheitsmoment erfahren wird (ebd., 459). Das bereits erwähnte Glück des Schaffenkönnens, das Menschen aus der Position von Geschöpfen in die von Schöpferinnen und Schöpfern bringt, übersteigt sich hier selbst. Es mündet in der Moderne, so Fink anthropologisch, in eine Selbstproduktion des Menschen. Die Parallele zu Arendt, die in ihren Werken einen Bruch mit Tradition, Religion und Autorität feststellt, ist deutlich: Bindungen an Religion, Sitte und Natur verlieren ihre Geltung als Sinninstanzen und Herkunftserzählungen. Der Mensch, der ohnehin kein festes, beständiges Wesen hat, bringt sich in seiner transzendentalen Obdachlosigkeit (Lukács) daher zunehmend selbst hervor (ebd., 324), individuell wie gemeinschaftlich, und schafft sich selbstreferentielle Sinnräume. Dies hat nicht zuletzt Auswirkungen auf das moderne Verständnis von Politik. Auch sie wird, so Finks Analysen, nun als technisches Vorhaben verstanden und Sozialverhältnisse dementsprechend gestaltet: Politik und Technik sind kaum mehr unterscheidbar (ebd., 460). Ja, „die Politik wird zu einem Bauvorhaben riesenhaften Ausmaßes, zu einem gigantischen Projekt, zu einem Fünf-, Zehn- oder Zwanzigjahresplan mit wohl auskalkulierten Bauabschnitten.“ (ebd., 364). Genauso wenig – und hier treffen wir auf Arendts Arbeitsverständnis – ist dem Politischen aus Finks Sicht eine Kategorie des vegetativen Wachstums angemessen, die so tut, als ob es sich aus einem dunklen Urgrund ohne Zutun von selbst entwickle (ebd., 451f). Auch Fink denkt Politik vom Unterschied her. Statt Arendts beliebtem Begriff Pluralität spricht er allerdings von Fremdheit, die er nicht wertend verstanden wissen will, sondern als notwendige Spannung (ebd., 437). Im Gegensatz zu Arendt vertritt der Denker hier nicht das Anliegen, eine bestimmte politische Form zu verhindern (wie bei Arendt der Totalitarismus) oder zu stärken. Politik geht für ihn einher mit Macht und Kampf, ist häufig kriegerisch (ebd.; Fink 1989 [1964], 35). Die klaren Linien, die Arendt hier zieht – und ihr Einwand, dass auch Krieg ein instrumentelles Verhältnis zum Menschen beschreibt – finden sich bei ihm nicht.

Nun sind die Konnotationen, die mit Denkkategorien einhergehen, längst nicht für alle Zeiten festgelegt. So wird an Arbeit zunehmend der Anspruch gestellt, nicht nur den Lebensunterhalt zu sichern, sondern werthaltig, sinnhaft und persönlich erfüllend zu sein. Dabei scheint es paradoxerweise das Handeln in Arendts Sinne zu sein, das sich der Arbeit bemächtigt. Letzterer werden nun wesentliche Merkmale des Politischen, wie Teilhabe und Freiheit (Arendt 2020b [1958], 201) zugeschrieben. Als New Work wird Arbeit, so könnte man überspitzt formulieren, zu einer politischen Tätigkeit, an die außerdem moralische Ansprüche gestellt werden.

4. Versagende Metaphern und die Umkehr der Denkbahnen

Arendt und Fink zeigen beide, dass Arbeit als Kategorie zerstörerisch wirkt, wenn sie das menschliche Weltverhältnis je präfiguriert und dies zu einer gedanklichen Überformung anderer Lebensbereiche im Sinne von Ökonomismus, Zweck-Mittel-Denken und Machbarkeitsvorstellungen führt. Politik, Erziehung, Liebe, Religion oder Kunst werden so zu lebenserhaltenden, technischen oder Konsum-Phänomenen, Handeln wird zum notgedrungenen Tun, das als Verdienstmöglichkeit oder kulturelles Kapital verstanden wird. Die Skepsis beider gegenüber einer Deduktion von einem allzu weit gefassten Allgemeinen verweist ex negativo auf das Arendt‘sche Verständnis von Urteilskraft, das sich in einer adäquaten Wendung eines Allgemeinen auf je konkrete Verhältnisse zeigt. Methodisch beschreiben Arendt wie Fink die Auswirkungen verabsolutierenden Denkens.

Wie schwierig allerdings eine sprachliche Fassung von Phänomenen ist, die gewohnheitsmäßig in Arbeitsbegriffen beschrieben werden, lässt sich in Arendts und Finks eigenen Schriften erkennen. Dass Fink bei aller Skepsis mit Töpfern doch ein Bild aus dem Handwerk für das Erziehen aufgreift, zeigt die Sprachlosigkeit angesichts des Zwischenmenschlichen. Auch Arendt bedient sich mit dem Bild eines „Gewebes“, in das jede und jeder Handelnde „Fäden [...] in ein bereits vorgewebtes Muster“ (Arendt 2013 [1958], 226) schlägt, letztlich beim Handwerk. Es scheint, als kämen selbst die sprachlich und denkerisch Versierten nur in versagenden Metaphern (Fink) an ihre Gegenstände heran. Anders als metaphorisch lässt sich über das Zwischenmenschliche kaum sprechen. Es bedarf einer Sensibilität für die Implikationen der Sprache, um aus Analogien nicht vorschnell inadäquate Merkmale abzuleiten.

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1Exemplarisch seien hier Heidegger (z. B. Villa 1996; Grunenberg 2008; Tömmel 2013) und Jaspers genannt (Gleichauf 2021). Pia Rojahn stellt einen Vergleich mit John Dewey in ihrer noch unveröffentlichten Dissertation an.

2Die Gesamtausgabe der Werke Eugen Finks erscheint derzeit im Verlag Karl Alber.

3Natasha Levinson hat den Gedanken einer „Arendtschen Vergeblichkeit“ („Arendtian Futility“) bei einem Vortrag am 5. Oktober 2023 im Rahmen des „Hannah Arendt and Education International Network“ unter dem Titel „Arendtian Futility and Education“ betont.

4Auch Kinder benötigen nach Arendt diesen Raum, bevor sie der Öffentlichkeit ausgesetzt sind. Meines Erachtens verführt dieser systematische Gedanke Arendt dazu, die Ereignisse um den Schulbesuch von Jugendlichen afroamerikanischer Herkunft in Little Rock (1999 [1959]) falsch einzuordnen. Ihr Argument, dass selbst die 15- und 16-Jährigen Little Rock Nine von ihren Eltern vor öffentlichen Angriffen hätten geschützt werden müssen, stellte sie Jahre später in einem Brief an Ralph Waldo Ellison selbst in Frage (Knott 2022, 9-13).

5Fink gibt deutliche Hinweise, Erziehung als ein weiteres Grundphänomen aufzunehmen (Fink 1959, 150), auch wenn diese in Grundphänomene des menschlichen Daseins noch nicht angeführt ist. Darüber hinaus betont er die Unabgeschlossenheit solcher Aufzählungen (Fink 2018 [1987], 265f).

6Einen ähnlichen Gedanken formuliert Fink im Hinblick auf die menschliche Sterblichkeit: "Geschaffenes als Geschaffenes verstehen kann grundsätzlich nur ein Wesen, das sich in seinem Sein zum Nichts verhält. Und vielleicht kann auch nur ein dem Nichts eröffnetes Wesen überhaupt ,schaffen‘, ,hervorbringen‘, ,erarbeiten‘." (Fink 1995 [1955], 116). Fink lehnt, wie Arendt, eine Wesensbestimmung des Menschen ab; unterscheidet ihn zwar nicht in biologischer Hinsicht, aber aufgrund seines wissenden Selbst- und Weltverhältnisses generell von Tieren.

7Womöglich trägt der Eindruck von lebensweltlicher Plausibilität und Typologie zugleich zur Popularität ihrer Theorie bei. Die Kategorien, die Arendt entwirft, sind schnell verständlich: der Bauer, der auf dem Feld die Ernte einholt, die Handwerkerin, die das Möbelstück verfertigt, der Diskutant in einem Bürgerrat. Die abstrahierten Prinzipien, die dahinterstehen und um die es Arendt eigentlich geht, werden so plastisch, aber grob vereinfacht. Manche der Leserinnen und Leser Arendts sind gerade diese Sprünge von vermeintlicher Faktizität zu abstrahierten Denkmitteln – zurecht – ein Ärgernis.

8Dieser Gedanke Arendts, dass Krieg letztlich mit einer Ent-Individualisierung einher geht, wird im Bemühen der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem deutlich: Die vielen Ermordeten, die in den Gaskammern und Massengräbern als bloßes Leichenmaterial erschienen, werden in der Halle der Namen einzeln aufgeführt. Der Beginn der Sammlung fiel in die Zeit der Veröffentlichung von Vita activa und möchte bis heute „die namenlosen Opfer des Holocaust [...] identifizieren, damit ihr Andenken für immer erhalten bleibt.“ (Yad Vashem Internationale Holocaust-Gedenkstätte. O. J. Die Halle der Namen. https://www.yadvashem.org/de/archive/hall-of-names.html [aufgerufen am 28.04.2024].

9Bis heute lässt sich an den Beschreibungen von Lernvorgängen auffällig feststellen, wie diese Modelle sich von Erfahrung, Wirklichkeit und Welt lösen. Zur Jahrtausendwende erschien dies besonders prominent in ihrer Liaison mit konstruktivistischen Ideen. Für einen Überblick über diese Entwicklungen s. Künkler 2008; vertiefend Meyer-Drawe 2012.

10Als viertes führt Arendt hier noch Lieben an, das sie ebenfalls dem Menschen zuordnet.

11Der vergleichsweise jungen Eigenständigkeit der Disziplin – dauerte es doch bis in das 19. Jahrhundert, bis sie sich von Theologie und Philosophie zu emanzipieren begann und bis zum Beginn des 20. Jahrhundert, bis flächendeckend eigene Lehrstühle eingerichtet wurden – allein ist es nicht zuzuschreiben, dass einheimische Begriffe pädagogischer Theorie bis heute rar sind. Auch eine pädagogische Eigenstruktur wird mehr beschworen als von allen Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftlern anerkannt. Noch immer ist die Erziehungswissenschaft mit alten wie neuen Bezugsdisziplinen verwoben und entlehnt ihre Begriffe und Methoden aus Psychologie, Soziologie und empirischer Sozialforschung, inzwischen weniger aus Theologie und Philosophie.