Ausgabe 1, Band 14 – März 2025
Anerkennungsprozesse in postmigrantischen Gesellschaften vor dem Hintergrund Arendts Grundtätigkeiten menschlichen Lebens.
Claudia Tutino
Zentrum für politische Bildung und Vielfalt in der Polizei NRW (LAFP NRW)
Hannah Arendt ist eine der bedeutendsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Werke und Schriften beeinflussen daher nicht nur die Philosophie bis heute, sondern auch die politische Theorie sowie politische Soziologie (Jaeggi 2016). Ihr fokussierter und kritischer Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse bietet darüber hinaus vielfältige Anknüpfungspunkte an Diskurse über politische Beteiligungsprozesse und -möglichkeiten in modernen und insbesondere pluralen Demokratien. Des Weiteren bilden die Ausführungen über die „menschlichen Tätigkeitsfelder“, also das Arbeiten, Herstellen und Handeln, wie Arendt sie in „Vita Activa“ (Arendt 2020) beschreibt, vielversprechende Anschlusspotentiale an Diskurse um gegenwärtige Machtverhältnisse. Doch wie drücken sich moderne gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse in einer Demokratie aus, in welcher alle Menschen (rechtlich) gleichgestellt sind? Vor dem Hintergrund dieser Frage werden im Folgenden insbesondere die Bereiche der Arbeit und des Handels genauer beleuchtet. Der Fokus soll damit auf der Arbeitsmarktintegration sowie politischen Partizipation von Migrant:innen liegen.
Arbeit [sichert] das Am-Leben-Bleiben […]; das Herstellen errichtet eine künstliche Welt, die von der Sterblichkeit der sie Bewohnenden in gewissem Maße unabhängig ist und so ihrem flüchtigen Dasein so etwas wie Bestand und Dauer entgegenhält; das Handeln schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte. (Arendt 2020, 25).
Arendt zeichnet in „Vita Activa“ die Tätigkeitsbeschreibungen entlang Aristoteles‘ Überlegung nach und legt den Tätigkeitsformen eine gewisse Hierarchie zu Grunde. Die politische Tätigkeit, also das Handeln, stelle die höchste bzw. bedeutendste Form menschlicher Tätigkeiten dar (Arendt, 2020, S. 30ff.)1; das Arbeiten hingegen, sichere in erster Linie das Überleben. Und doch weist auch Arendt darauf hin, „daß ohne ein gesichertes Eigentum niemand sich in die Angelegenheiten der gemeinsamen Welt mischen konnte“ (Arendt 2020, 49). D.h. für gegenwärtige Interpretationen umso deutlicher, dass die wenigsten Personen in kapitalistisch geprägten Gesellschaftskulturen Handeln können, ohne auch Arbeiten zu müssen; ein Kontrast, der sich zu den Handelnden des antiken Griechenlands deutlich ergibt. Arbeiten, Herstellen und Handeln dürfen aus gegenwärtiger Perspektive folglich nicht als voneinander unabhängige, gar künstlich getrennte Tätigkeitsfelder missverstanden werden. Sie bedingen und ermöglichen sich womöglich eher gegenseitig.
Insbesondere aus einer arbeitssoziologischen Perspektive wird deutlich, dass Arbeit bzw. Erwerbsarbeit, nicht nur das bloße Überleben sichert. Arbeit ist ein wichtiger Schlüssel zur sozialen Integration und gesellschaftlicher Teilhabe (Böhmer 2015, 26), welche letztlich auch das Handeln ermöglichen kann. Weiterhin kann der Zugang zum bzw. der Ausschluss vom Arbeitsmarkt als Abbild von Herrschaftsverhältnissen moderner (kapitalistischer) Gesellschaften gefasst werden. Arbeitsmärkte dienen demnach als Katalysatoren gesellschaftlicher Ungleichheitsstrukturen (Böhmer 2015, 37) und sagen in ihrer Analyse viel darüber aus, wie Gesellschaften funktionieren2. So behalten sich arbeitsdifferenzierte Gesellschaften durch spezifische Zugangsvoraussetzungen und Qualifikationsmerkmale vor, welche Personen bzw. welche gesellschaftlichen Gruppen für welche Tätigkeiten vorgesehen sind. So bildet der Arbeitsmarkt mit all seinen Beschäftigungsformen und Branchen letztlich auch eine gesellschaftliche Ordnung entlang sozialer Hierarchien ab. Soziale Ungleichheitsverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt lassen sich entlang unterschiedlicher Merkmalen analysieren. Exemplarisch sind hier die Differenzierungsmerkmal von Gender, Klasse, Ethnizität und Herkunft zu nennen.3 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie eine Fokussierung auf die Arendt’schen Tätigkeiten in modernen Gesellschaften noch heute dazu beitragen kann, postmigrantische Ungleichheitsverhältnisse zu attestieren.
Wenngleich Arendt beim Handeln ein „Zusammenhandeln“ im öffentlichen Raum meint und es ihr eigentlich – einer republikanisch-zivilgesellschaftlichem Interpretationen folgend (Heuer, Heiter, und Rosenmüller 2011, 380) – um zivilgesellschaftliche Beteiligung oder auch um eine gelebte partizipative Demokratie mündiger Bürger:innen geht, ist das politische Handeln in einer Parteiendemokratien – trotz all ihrer Kritik daran4 – aus gegenwärtigen soziopolitischen Analysen politischer Partizipation nicht wegzudenken. Wenngleich Arendt die Verantwortung für Angelegenheiten des Gemeinwesens lieber nicht in die Hände von Institutionen und Berufspolitiker:innen geben würde, spiegeln sich, für die deutsche Parteiendemokratie an dieser Stelle eine Lanze brechend, politisch-zivilgesellschaftliche Handlungsergebnisse auch im gegenwärtigen parteiförmigen politischen System Deutschlands wider. Exemplarisch sind hierfür Gleichstellungsforderungen zu nennen, welche von der Straße in die Parlamente diffundierten und rechtliche Grundlagen der Gleichberechtigung und Antidiskriminierung erzeugten. Somit kann aus gegenwärtigen und hiesigen Verhältnissen heraus der Parteiendemokratien nicht die Handlungsfähigkeit in Gänze abgesprochen werden, wenngleich eine gesunde Skepsis von Bürger:innen im Sinne einer zivilgesellschaftlichen Kontrollfunktion wünschenswert ist und bleibt. In Parteiendemokratien handelt es sich somit ggf. eher um ein Übersetzungsverhältnis zivilgesellschaftlich-politischer Organisation, die etwa in Vereinen und Bewegungen ihren Anfang nimmt und in politische Handlungen der Legislative überführt wird. Gerade die Repräsentanzforschung weist darauf hin, dass politische Repräsentant:innen in Parlamenten Anliegen von bspw. Minderheitengruppierungen gezielt in den politischen Prozess einbringen können (Linden 2021, 195); so können die Policies dieser Gruppen letztlich trotz Repräsentanzstruktur einer Parteiendemokratie gestärkt und auf einer übergeordneten politischen Ebene verhandelt werden. Dieser Beitrag widmet sich folglich einem Verständnis von politischen Handlungsformen, welche sowohl das zivilgesellschaftliche politische Handeln aber eben auch die parlamentarische Repräsentanzen einschließt.
In diesem Beitrag werden daher verschiedene Themenfelder zusammengeführt: Arbeit, gesellschaftliche Machtverschiebungen durch politische Repräsentanz und die damit einhergehende Aushandlungen postmigrantischer Verhältnisse. Inspiriert durch Arendt’s Darstellungen menschlicher Tätigkeiten, stellt sich also die Frage: Wer arbeitet und wer darf handeln in einer Gesellschaft, die sich als postmigrantisch versteht? Dieser Beitrag, inspiriert durch Arendt’s Tätigkeitsformen, nimmt eine arbeits- und migrationssoziologische Perspektive auf hiesige Macht- und Herrschaftsverhältnisse postmigrantischer Gesellschaften ein. Hierfür wird zunächst das Konzept der Postmigrantischen Gesellschaft von Naika Foroutan (Foroutan 2021) vorgestellt. Eine arbeitssoziologische Perspektive bietet es an über den Arendt’schen Arbeitsbegriff hinaus zu gehen und die Bedeutung sowie integrative Leistung von Arbeit darzustellen. Arbeit wird insbesondere vor dem Hintergrund der Funktion gesellschaftlicher Teilhabe ggü. dem Arendt’schen Arbeitsbegriff aufgewertet. Des Weiteren folgt der Aufsatz den Tätigkeiten der „Vita Activa“, indem die politischen Beteiligungsprozesse und -möglichkeiten einer postmigrantischen Gesellschaft (Foroutan 2016; 2021) vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnissen prozesssoziologisch (Elias 1965; Ernst und Becke 2019) reflektiert werden. Hierbei werden auch parteipolitische Vertreter:innen, die in Repräsentanz für Bürger:innen auftreten, als Handelnde verstanden und damit der hiesigen Demokratieform Rechnung getragen. Im Fokus stehen folglich die Prozesse der migrantischen Anerkennung und Teilhabe sowie Prozesse der Ablehnung und sozialen Schließung, welche von der Ausbildung pro-pluralistischer Solidargemeinschaften sowie anti-pluralistischen Gruppierungen begleitet werden.
2. Zur Anerkennung in postmigrantischen Gesellschaften
Den Begriff der postmigrantischen Gesellschaft wurde in den vergangene Jahren in Deutschland maßgeblich durch Naika Foroutan (Foroutan 2021; 2016) geprägt. In ihrer Gegenwartsanalyse geht sie auf die Bedeutung pluraler Demokratien und die Versprechungen von Anerkennung und Gleichheit ein, die damit insbesondere für Migrant:innen einhergehen (Foroutan 2021). In Bezug auf das Einwanderungsland Deutschland, in welchem mittlerweile fast jede dritte Person eine Migrationsgeschichte hat (Statistisches Bundesamt 2024b), stellt sie daher die Frage: „Kann eine solche multipel diverse Gesellschaft noch in Unterteilungen von Migranten und Nichtmigranten gedacht werden oder muss eine Gesellschaftsanalyse hier über das Migrantische hinaus – also postmigrantisch – erfolgen?“ (Foroutan 2016, 227). 5 Soviel sei vorweggenommen: Wenngleich der rechtliche Anspruch an gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe unabhängig von der Herkunft gegeben und der normative Anspruch an gleichberechtigte, intersubjektive Anerkennung erklärte Ziele einer pluralen Gesellschaft sind, scheinen sich aktuelle gesellschaftliche, rechtliche und politische Diskurse weiterhin an der Differenzierungen zwischen Migrant:innen und Nicht-Migrantinnen festzuhalten.
Gleichzeitig stellt Foroutan jedoch auch heraus, dass der gesellschaftliche Wandel, der mit der deutschen Migrationsgeschichte einhergeht, „teilweise als Überfremdung, als Verlust der eigenen Identität oder als Überforderung“ wahrgenommen wird (Foroutan 2016, 240). Dass die Verhandlung von gesellschaftlicher Teilhabe in postmigrantischen Gesellschaften und die Integration von Migrant:innen konfliktär verlaufen, zeigt auch El-Mafaalani (2018). So zeige sich gelingende Integration und Teilhabe paradoxerweise gerade daran, dass gesellschaftliche Konflikte aufgrund von Aushandlungsprozessen, z.B. um verschiedene Ressourcen wie Bildung, Kapital oder gleichgestellte Teilhabe, zunehmen – Aushandlungsprozesse, welche sich auch in politischen Arenen, bspw. im Rahmen von Migrations-, Antidiskriminierungs- und Arbeitsmarktpolitiken, abbilden. Dabei verwebt Foroutan „eine deskriptiv-analytische Perspektive mit einer normativ-politischen Vorstellung davon, wie wir zusammenleben möchten in Gesellschaften, die von zunehmender Heterogenität gekennzeichnet sind“ (Foroutan 2016, 248). Dafür identifiziert Foroutan fünf zentrale Eckpfeiler postmigrantischer Gesellschaften: „Anerkennung, Aushandlungen, Ambivalenzen, Allianzen, Antagonismen“ (Foroutan 2016, 239). Diese werden im Folgenden dargestellt.
Die politische Anerkennung, die in Deutschland u.a. auf Grundlage des Berichtes der Unabhängigen Kommission Zuwanderung – vornehmlich bekannt als Süssmuth-Kommission – ab 2001 einsetzte, legte den Grundstein für ein gesellschaftliches Verständnis darüber, dass „Einwanderung bzw. Migration als konstituierende[r] Baustein der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung“ (Foroutan 2016, 239) wahrgenommen wurde. Diese politische Anerkennung und die damit einhergehende Legitimität migrationsbezogener Themen im demokratischen Diskursen, schuf „eine stärkere rechtliche Basis für die Aushandlung von Positionen, Repräsentationen und Gleichheit“ (ebd.) für Migrant:innen in Deutschland. Die Anerkennung von Migrant:innen als politische Subjekte ist damit Grundstein für die Einbringung migrationsbezogener Themen in den politischen Diskurs.6
Die politische Anerkennung führte weiterhin zu einem „sozialen, kulturellen, strukturellen und emotionalen Aushandlungsprozess um Anerkennung“ (Foroutan 2016, 240). Dass diese Aushandlungsprozesse durchaus konfliktär verlaufen, ist wenig verwunderlich, gehen sie bis heute doch noch damit einher, dass „Etablierten nicht mehr Rechte zustehen dürften als Neubürgern“ (ebd.) und dies immer wieder ausgehandelt wird (Elias 1965; Treibel-Illian 2017). Diese Prozesse werfen noch heute „Fragen nach nationaler Identität, Zugehörigkeiten, Privilegien und Repräsentationen“ (Foroutan 2016, 240) auf. Folglich geht es auch um „Machtressourcen, die nun auch von Minderheiten in Anspruch genommen werden“ (ebd.; Treibel-Illian, 2017). Insbesondere die Selbstorganisation von Minderheiten und dem aktiven Einfordern der legalistischen Gleichstellungsprinzipien bildet das Handeln Arendt’s ab. Dies führt mitunter zu gesellschaftlichen Ambivalenzen.
„Die Omnipräsenz des Migrationsthemas erzeugt eine zunehmende Ambivalenz in der Positionierung der Mehrheitsgesellschaften, die einerseits Einwanderung als notwendig ansehen und kognitiv befürworten. Andererseits gibt es affektiv Angst vor Überfremdung und Verlust der eigenen Kultur“ (Foroutan 2016, 241). Das führt letztlich zu der (ernüchternden) Erkenntnis, dass die rechtliche Anerkennung sowie Politiken der Antidiskriminierung insbesondere auf der emotionalen Ebene der Mehrheitsgesellschaften noch lange nicht zur „intersubjektiven Anerkennung“ (Honneth 2014, 148ff) führen, was im Übrigen Grundvoraussetzung für politisches Handeln im öffentlichen Raum nach Arendt wäre (Mahrdt 2022). Diese Ambivalenzen gibt es allerdings auch auf migrantischer Seite: Sie changieren zwischen dem „Wunsch nach mehr Repräsentation, de[m] Bedarf nach Identitätspolitik und Sprecherpositionen sowie d[er] Forderung nach Quoten und Antidiskriminierungsrichtlinien“ einerseits und der „Sehnsucht nach Normalisierung und Unsichtbarkeit“ andererseits (Foroutan 2016, 241f.). Neben Foroutans Ausführungen zu Prozessen der Anerkennung kam auch Honneth außerhalb des migrationsbezogenen Diskurses um Anerkennung zum Schluss, dass gerade die „emotionale Zuwendung“ (Honneth 2014, 151) von Personen(-gruppen) zueinander eine bedeutende Rolle für gelungene Anerkennung spielt. Dies ermöglicht letztlich den vierten Kernpunkt Foroutans genauer zu beleuchten, nämlich die Bildung von postmigrantischen Allianzen.
Mit postmigrantischen Allianzen sind Beziehungsgeflechte gemeint, „die über die subjektive Bezugsebene [also die emotionale Zuwendung, Anm. CT] hinausgehen, die sich vor allem anhand einer Haltung zur Gesellschaft definieren und weniger anhand von Herkunft“ (Foroutan 2016, 242). Das führt dazu, dass „Widerstände gegen rassistische Ausschlüsse und Othering-Prozesse gemeinsam ausgefochten“ werden und „Differenzen […] zunehmend anhand der Haltung zur offenen Demokratie verhandelt [werden]“ (Foroutan 2016, 243). Migrationspolitische Themen betreffen folglich nicht nur Migrant:innen, „sondern auch diejenigen, die über Nähe-Verhältnisse direkt oder indirekt mit Migrationsgeschichten verbunden sind“ (Foroutan 2016, 243). Diese Einsicht ermöglicht es „Allianzpartner, in das Konzept des Postmigrantischen hineinzudenken“ (Foroutan 2016, 244). Gleichwohl kann weder auf der intersubjektiven noch auf der politischen Ebene davon ausgegangen werden, dass eine derartige Allianzbildung die grundsätzliche egalitäre Haltung einer ganzen Nation abbilden würde. Dies zeigt sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Bevölkerungen anderer Nationalstaaten, in denen rechtspopulistische und ultranationalistische Strömungen soziopolitische Bedeutung erlangen, was unweigerlich zum fünften Kernelement führt, zu Antagonismen und Polarisierung.
„Während sich auf der einen Seite Minderheiten und Allianzpartner politische Rechte erkämpfen, mehr Positionen erhalten, sichtbare Repräsentation einfordern, Antidiskriminierungsrichtlinien verabschiedet und Diversity-Konzepte in allen gesellschaftlichen Bereichen erarbeitet werden, erstarken gleichzeitig die Gegenbewegungen“ (Foroutan 2016, 245). Diese Gleichzeitigkeit von Anerkennung und Konflikt beschreibt ein, wenn nicht sogar das, grundlegendes Paradoxon der Integration (El-Mafaalani 2018). „Die Frage nach dem ‚Wer sind wir und wer gehört zu diesem Wir‘?‘“ (Foroutan 2016, 244) begleitet die Diskurse um Teilhabe, Zugehörigkeit und letztlich sozialer Nähe und Solidarität. Diese Distinktionspraktiken des „Wir“ und die „Anderen“, von „Etablierten und Außenseitern“ (Elias 1965) bringen ganz neue Dynamiken von Macht und Hegemonie mit sich, wie teils offene, teils getarnte antipluralistische Praktiken der exkludierenden Solidarität insbesondere rechter Akteure zeigen (Sorce u.a. 2022).
Diese Antagonismen treten gesamtgesellschaftlich und einstellungsbasiert als „distanzierte Mitte“ (Zick, Küpper, und Mokros 2023), kriminalistisch und praxisorientiert entlang von politisch Motivierten Taten und Hasskriminalität (Bundesministerium des Inneren, Bau und Heimat und Bundeskriminalamt 2023) und parteiförmig als antipluralistische bis hin zu unverhohlen rechtsradikale bis rechtsextremistische Diskurse in den Parlamenten des Bundesgebietes (Tutino und Schillig 2021) zu Tage. Aber, es darf nicht vergessen werden: „[E]xklusive, homogen imaginierte Gesellschaftsvisionen finden sich ebenfalls innerhalb der Migrantengruppen. Die postmigrantische Gesellschaft kann also nicht als utopische Friedensgemeinschaft imaginiert werden, sondern als konfliktive Aushandlungsgesellschaft“ (Foroutan 2016, 246).
Dass diese postmigrantischen Aushandlungsprozesse noch lange nicht abgeschlossen sind, zeigt sich empirisch an mehreren Stellen. Exemplarisch sei hier die Bildungsforschung, Migrationsforschung, Ungleichheits- und Intersektionalitätsforschung benannt. Doch ein wichtiger Bereich, in dem „Einwanderung als [zwingend] notwendig ansehen“ (Foroutan 2016, 241) wird, ist der des Arbeitsmarktes und der damit verbundenen (migrationsbezogenen) Arbeitsmarktpolitiken. Arbeit, wie bereits einleitend festgehalten, gilt als ein wichtiger Punkt gleichberechtigter, gesellschaftlicher Teilhabe (Böhmer 2015, 26). Die Partizipation von Migrant:innen auf dem Arbeitsmarkt wird vor dem Hintergrund gegenwärtiger Herrschaftsverhältnisse und postmigrantischen Machtbalancen im Folgenden genauer beleuchtet. In diesem Zusammenhang wird eine kurze Geschichte der Arbeitsmigration und arbeitsbezogenen Migrationspolitik dargelegt. Hierbei werden insbesondere die politischen Anerkennungsprozesse als Initialzugang zum Arbeitsmarkt in den Fokus gerückt. Um aktuellen Zuwanderungsbewegungen nach Deutschland gerecht zu werden, wird neben der Arbeitsmigration auch der Arbeitsmarktzugang von Geflüchteten behandelt. Im Anschluss daran wird ein weiterer Fokus auf die politische Repräsentanz von Migrant:innen gelegt, um gegenwärtige Anerkennungsprozesse vor dem Hintergrund politischer Diskursmacht zu reflektieren. Dies ermöglicht, die Arendt’schen menschlichen Tätigkeiten von der Arbeit bis zur Handlung vor dem Hintergrund postmigrantischer Verhältnisse zu reflektieren, welche sich in formellen politischen Strukturen sedimentieren.
„Arbeit“, so beschreibt Günther Voß die Arendt’sche Sichtweise, „ist nicht die Freiheit zur Gestaltung des Lebens, sondern Ausdruck des unaufhebbaren Zwangs zur Erhaltung des Lebens, dem der Mensch von Geburt an unterliegt, als kontinuierliche existenzielle Notwendigkeit“ (Voß 2010, 48 Herv. CT). Während auch klassische Definitionen von Arbeit, wie etwa die von Karl Marx, Arbeit als „Existenzbedingung des Menschen“ (Marx 1962 [1890]: 57) darstellt, leistet Arendt mit ihrer Perspektive der Vita Activa eine differenzierteren Umgang mit dem Arbeitsbegriff, indem sie ihn erstens vom Herstellen und Handeln trennt und damit letztlich auch auf die „aristotelische Unterscheidung zweier grundlegender menschlicher Handlungsformen, „Poiesis“ (Herstellen) und „Praxis“ (Tätigsein)“ (Voß 2010, 48) eingeht. Und zweitens, indem sie ihn kritisch reflektiert auf die modernen Arbeitsgesellschaften (im Gegensatz zur griechischen Antike) anwendet und damit zwangsläufig weiterentwickelt.
Arbeit, so halten es folglich auch Soziolog:innen fest, „ist keine anthropologische Konstante und dies gilt genauso wenig für die Begriffe, Diskurse und Praktiken von Arbeit, die sich in einem historischen Kontext gegen andere durchsetzten“ (Richter und Rütten 2022, 6). Folglich wurde der Begriff immer wieder angepasst, verfeinert und unter Berücksichtigung neuer Forschungsperspektiven analysiert. Das liegt u.a. an der Wirkmacht von Arbeit, welche im Verlauf der Moderne in nahezu all gesellschaftlichen Bereichen vordringt und damit zum wesentlichen Strukturmerkmal von Vergesellschaftung avanciert. „Arbeit ist soziologisch als Beziehung zwischen Menschen, ihren Einstellungen und ihrem Handeln zu verstehen“ (Hirsch-Kreinsen 2008, 33).7 Trotz „variablen Ordnungsstrukturen und Regelungsformen“ von Arbeit (ebd.), welche sich in Transformationen der Arbeitsgesellschaft (Ernst und Becke 2019) abzeichnen, gibt es bestimmte Kernelemente: „In den meisten Definitionen von Arbeit wird diese […] im Kern als zweckgerichtete Tätigkeit zur Befriedigung von Bedürfnissen verstanden“ (Flecker 2017, 17), oder als eine Form des sozialen, oder auch strategischen Handelns, bei dem „die materiellen Aspekte einer Handlungssituation und die damit verbundenen Interessen der beteiligten Akteure im Vordergrund [stehen]“ (Hirsch-Kreinsen 2008). Bezieht man diese soziologischen Definitionen von Arbeit auf den Arendt’schen Arbeitsbegriff moderner Arbeitsgesellschaften, fallen bereits erste Gemeinsamkeiten auf, nämlich dass die Funktion von Arbeit den Zweck einer existenziellen Grundsicherung, so wie sie Aristoteles noch für antike griechische Verhältnisse beschrieb, in der modernen Arbeitsgesellschaft übersteigt. Arbeit dient zunehmend der Befriedigung weiterer Bedürfnisse wie bspw. dem Erwerb von Konsumgütern und der Aneignung von Privateigentum (Arendt 2020, 147ff.) – was das moderne Subjekt als „Animal laborans“, im Übrigen und beklagenswerterweise zunehmend im Privaten, isoliere und vom politischen Handeln bzw. der Entwicklung eines weltbezogenen Gemeinsinns abhalte8.
Eine wichtige Entwicklung durchläuft der soziologische Arbeitsbegriff im Laufe der Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als dessen Folge die betriebliche Organisation von Arbeit in den Fokus der Arbeitssoziologie rückte (Voß 2010, 29). Insbesondere in der Zeit der Industrialisierung wird deutlich, um welche Form von Arbeit es maßgeblich geht: um Erwerbsarbeit. Gerade vor dem Hintergrund des aufkommenden „Geist des Kapitalismus“ (Weber, 1992 [1904]) und der parallel verlaufenden Entwicklung kapitalistisch geprägter Wirtschaftsverhältnissen ist Erwerbsarbeit eine derjenigen Arbeitsformen, an der sich Verhältnisse von Macht und Ohnmacht besonders deutlich abzeichnen lassen. Arbeitsbezogene Herrschaftsverhältnisse, die Arendt in Anlehnung an Aristoteles anhand antiker griechischer Verhältnisse von Sklaven und Herrschern darstellt, beschreiben Marx und Engels auf Grundlage einer Klassentheorie (Marx und Engels 2017). Ihnen gemein ist die Beschreibung eines gesellschaftlichen Zustands der Über- und Unterordnung, der nahezu naturgesetzmäßigen Status erreichte. Arbeit kann in diesem Zusammenhang als Medium verstanden werden, wodurch diese Machtverhältnisse ausgedrückt werden. Arbeiten, Herstellen und Handeln folglich als modus operandi gesellschaftlicher Statusverhältnisse.
Marx und Engels stellen dabei herrschende Über- und Unterordnungsverhältnisse von Proletariern und Bourgeoisie in den Fokus. Die produktionsmittelbesitzende Bourgeoisie, die andere Menschen für sich arbeiten lassen und somit die eigene existenzielle Sicherung des Überlebens auf die für sich Arbeitenden übertragen – ein Umstand, den man, so Arendt, als „moralisch anfechtbar“ verstehen könnte (Arendt 2020, 241). Marx und Engels schreiben daher auch: „Die Proletarier haben nichts […] zu verlieren, als ihre Ketten“, aber sie hätten „eine Welt zu gewinnen“ (Marx und Engels 2017, 77), konnten sie sich der Unterordnung durch die Bourgeoisie entziehen. Am Beispiel der industriellen Massenproduktion wird zum einen ein Kritikpunkt Arendts an Marx‘ Schriften selbst deutlich, zum anderen begründet sie genau durch die Marx’sche Perspektive ihre Differenzierung von Arbeiten und Herstellen. Das Herstellen geht mit der Produktion einer „künstliche Welt“ einher, welche „menschliches Leben überdauert, ihm widersteht und als objektiv-gegenständlich gegenübertritt“ (Arendt 2020, 23). Beim Herstellen verweist Arendt etwa auf Werkstücke eines Handwerkers oder eines Künstlers (Mahrdt 2022). Dieses handwerkliche Herstellen unterscheidet sich jedoch sichtlich stark von Massenproduktionen, in etwa von Konsumgütern, bei welchem „der Wert [der Produkte] also nichts zu tun hat mit Berufsethos oder dem individuellen Stolz auf die eigene Leistung“ (Arendt 2020, 304). Durch die Massenproduktionen für die Konsumgesellschaft, entsteht so auch eine Entfremdung zum Werk, die letztlich auch eine Weltentfremdung ist.
Über die ökonomische Verengung des Arbeitsbegriffes auf Erwerbsarbeit hinaus geht u.a. Herbert Marcuse (1970). Mit seinen Worten: Sinn der Arbeit sei eine zweckmäßig vollzogene Praxis, welche ein „Hervorbringen und Weiterbringen des Daseins und seiner Welt“ (Marcuse 1970, 20) fördere. Dabei unterscheidet er das „Sein“, welches existenziell durch Arbeit gesichert werden müsse, vom „Dasein“, was durch Arbeit „erarbeitet“ (ebd., S. 25) werden und letztlich mit Freiheit und Selbsterfüllung assoziiert werden kann. Marcuses Ausführungen beinhalten folglich eine Annahme, die mit der Naturgegebenheit der arbeitsbezogenen Machtverhältnisse bricht, nämlich, dass „der Mensch […] die Bedingungen seines Lebens durch Arbeit verändern“ (Voß 2010, 44) könne. Damit einher gehe „die freie Entfaltung des Daseins in seinen wahren Möglichkeiten“ (1970: 39). Doch, „die freie Entfaltung des Daseins“ (ebd.) und die Veränderung der eigenen Lebensbedingungen durch harte Arbeit scheint nicht allen gleichermaßen zu Teil zu werden. Dies wird u.a. durch den wissenschaftlichen Diskurs und die lebensweltliche Realität prekärer Beschäftigungsverhältnisse deutlich, deren davon Betroffene fern ab von individueller Selbstentfaltung leben (müssen).
Interessanterweise kann das Streben nach individueller Entfaltung in kapitalistisch geprägten Gesellschaften, etwa durch die Akkumulation von Privateigentum oder die aktive Teilhabe an einer Konsumgesellschaft, genau dazu führen, dass geltende Herrschaftsverhältnisse einer kapitalistischen Marktwirtschaft, die Gewinner und Verlierer hervorbringen, weiterhin aufrecht erhalten bleibt. „Denn indem die eigenen Interessen durch die Akzeptanz von gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen verfolgt werden, werden sie zugleich verletzt, weil das konkurrenzfördernde ökonomische Prinzip aufrechterhalten wird und mögliche Bündnispartner_innen für die Erweiterung der gemeinsamen Lebensbedingungen verloren gehen“ (Paulus und Grubenmann 2020, 168). Oder in Arendt’s Worten: „Erst wenn die Menschen nicht mehr als Privatpersonen handeln, die um ihr eigenes Leben und Überleben besorgt sind, sondern, wie Marx zu sagen pflegte, als ‚Gattungswesen‘, für welche die Reproduktion ihres individuellen Lebens aufgeht im Lebensprozeß des Menschengeschlechts, kann der kollektive Lebensprozeß einer ‚vergesellschafteten Menschheit‘ sich nach den Gesetzten einer ihm inhärenten Notwendigkeit entfalten“ (Arendt 2020, 155).
Zusammenfassend, soviel kann sowohl in Rekurs auf Aristoteles wie auch Marx festgehalten werden, lassen sich gegenwärtige (arbeitsbezogene) Herrschaftsbeziehungen nicht mehr nur entlang von Klassenzugehörigkeiten9 erklären. Vielmehr hilft der Einbezug weiterer Faktoren wie u.a. Geschlecht, oder auch Herkunft, ungleiche Machtverhältnisse des Arbeitsmarktes – im Sinne einer intersektionalen Perspektive auf Arbeit (Becker-Schmidt 2008) – differenzierter zu betrachten. Folglich ist auch davon auszugehen, dass sich arbeitsmarktbezogene Differenzierungen wie Privilegierung oder Diskriminierung entlang unterschiedlicher Distinktionsmerkmale ausformen: Dazu gehören neben Merkmalen der körperlichen und geistigen Konstitution auch kulturelle Faktoren, wie Religion, Herkunft, die sich gegenseitig bedingen und bestärken können.
Wenngleich die Existenzsicherung weiterhin ein bedeutendes Argument für die Verrichtung von Lohnarbeit liefert, zeigt sich in gegenwartbezogenen Arbeitsdiskursen, dass sich das Verständnis von Arbeit verändert. Dieser Veränderung inhärent ist das Verhältnis von „freudvollen als auch leidvollen Aspekte von Arbeit“ (Flecker 2017, 17), aber auch Diskurse um eine gesunde work-life-balance, Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung sowie Aspekte der Identifikation mit Arbeit bzw. Selbstverwirklichung durch Arbeit. Eingefordert werden diese Entwicklungen insbesondere durch die jüngste Arbeitnehmer:innen (der sog. „Generation Z“), bestärkt durch den Wandel eines Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt.10 Kann in diesem Zusammenhang also von einer Machtverschiebung gesprochen werden, die Arbeitenden erlaubt, die freie Entfaltung des Daseins mit Erwerbsarbeit zu verbinden, ohne dabei die grundlegende Eigenschaft der Erwerbsarbeit, das Überleben, zu verlieren? Wer arbeitet also noch im Arendt’schen Sinne, wer stellt her und wer handelt in einer Gesellschaft, in welcher die „Entfaltung des Daseins“ eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen scheint?
Diesen Fragen wird im Folgenden nachgegangen. Exemplarisch wird die Bearbeitung dieser Fragen entlang des Themenfeldes Migration erfolgen. Denn gerade vor dem Hintergrund des Mangels an Arbeitskräften gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Phasen der politisch forcierten Arbeitsmigration. Wenngleich der derzeitige Arbeitsmarkt eher einem Arbeitnehmermarkt entspricht, wird im Folgenden genauer beleuchtet, in welcher Art und Weise sich möglicherweise arbeitsbezogene Machtfigurationen verschieben, wer Vorteile des Fachkräftemangels nutzen kann und wer in Arbeit des Überlebens wegen verweilt. Kurzum: Ermöglicht die vorangegangene Differenzierung des Arbeitsbegriffes entlang von Macht- und Ohnmachtsverhältnissen, Über- und Unterordnungsgefügen einen kritischen Blick auf gegenwärtige Machtfigurationen innerhalb einer kapitalistisch geprägten postmigrantischen Arbeits- und Leistungsgesellschaft?
4. Migrationsbezogene Arbeitsmarktpolitiken in Deutschland
Wenngleich Deutschland seit Jahrzehnten, gar Jahrhunderten als Einwanderungsland bezeichnet werden kann, waren Migrationspolitiken immer wieder, wenn nicht gar maßgeblich, geprägt von funktionalen Aspekten der Arbeitsmarktpolitiken. Migrationsbezogene Arbeitsmarktpolitiken müssen damit auch mit einer „Ökonomisierung des Anderen“ (Lederle 2008) in Verbindung gesetzt werden. „Je nützlicher und verwertbarer diese [Migrant:innen, CT] für die Wirtschaft sind, desto einfacher […] sind die rechtlichen Möglichkeiten für die Einreise und den Aufenthalt ausgestaltet“ (Sare 2018, 66). In Zeiten des Fachkräftemangels und des aktuellen demographischen Wandels in Deutschland ist der wirtschaftliche Nutzen, gar die Notwendigkeit von Arbeitsmigrant:innen, andauernd aktuell, wie bspw. das aktuelle Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Bundesregierung zeigt. Eine hochgradig funktionale Perspektive auf Migrationspolitik, welche sich seit den 1950er Jahren fortzuführen scheint. Im Arendt’schen Sinne zielen diese Politiken in großen Teilen auf die Tätigkeit der Arbeit, aber auch in Teilen auf das Herstellen, wenn man Handwerksberufe bedenkt. Doch wie verhält sich diese funktionale Perspektive der Arbeitspolitik in Bezug auf die soziale Integration und Prozesse der Vergesellschaftung und Anerkennung in pluralen demokratischen Gesellschaften? Und was bedeutet es, „wenn die Aufnahmegesellschaft nicht an der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe von Migrant*innen interessiert ist oder sich dieser sogar entgegenstellt?“ (Sardoschau und Jaschke 2023, 8).
4.1 Anwerbung von Gastarbeitenden
Exemplarisch für diese funktionale und ökonomische Perspektive auf Migration war die Anwerbung der sog. Gastarbeitenden der 1950er und 1960er Jahre. „So wurde 1955 ein Anwerbeabkommen mit Italien abgeschlossen, 1961 mit der Türkei und vielen anderen süd- und südosteuropäischen Staaten sowie nordafrikanischen Staaten“ (Schirilla 2023, 14). Das Wort Gastarbeit macht es schon deutlich – auf eine dauerhafte Ansiedlung und somit Integration der Arbeitsmigrant:innen zielte die Politik zu dieser Zeit nicht ab. Die Folge: „Ein Leben zwischen ‚symbiotischer Segregation‘ und ‚sozialer Isolation‘“ (Merz-Benz 2015). Dabei trugen Gastarbeitende zwischen den 1950er und 1970er Jahre maßgeblich zur Nachkriegswirtschaft und somit dem deutschen Wirtschaftswunder bei, wobei die soziale und politische Anerkennung der tatsächlichen Leistung nicht gerecht wurde. Während die meisten Gastarbeitenden wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehrten, blieben andere in Deutschland, fanden hier eine neue Heimat, integrierten und etablierten sich.11 Aufgrund der Vorstellung eines zeitlich begrenzten Arbeitsaufenthaltes konnte von einer staatlich versierten Integrationspolitik keine Rede sein, was gegenwärtige Fragen nach der Integrationsverantwortung aufwirft. Muss Integration vom Staat ausgehen, oder liegt die Verantwortung für die Integration bei den jeweiligen Individuen?
4.2 Aussiedelnde und Spätaussiedelnde
Abgelöst wurde die Zeit des Anwerbens von Arbeitsmigrant:innen durch die Einwanderung von sogenannten Aussiedlern in den 1970er und 1980er Jahren, sowie Spätaussiedlern ab den 1990er Jahren. Aussiedler:innen und Spätaussiedler:innen „stellen eine der größten Zuwanderungsgruppen in Deutschland dar“ (Friedrichs und Graf 2022, 4). Die Rede ist hier von Deutschstämmigen aus Mittel- und Osteuropa, die insbesondere nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in das Herkunftsland ihrer Vorfahren zurückkamen, weswegen auch von einer „[e]thnisch privilegierte[n] Zuwanderung“ (Friedrichs und Graf 2022, 21) gesprochen werden kann; ab 1989 und bis in die 1990er Jahre hinein kamen ca. 4 Millionen Spätaussiedler nach Deutschland (Schirilla 2023, 14). Wenngleich sie rechtlich Deutsche waren und auch die deutsche Staatsangehörigkeit hatten, waren ihre Sozialisationserfahrungen (Sprache, Kultur aber auch gesellschaftliche Verhältnisse) oftmals divergent zur denen der deutschen Gesellschaft; die rechtliche Anerkennung, deutsch zu sein, und die soziale Anerkennung innerhalb der Gesellschaft zeigten sich oftmals als disparat und hatte Auswirkung auf Integration und gesellschaftliche Teilhabe (ebd.). „Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland“, so heißt es in einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung 1998, wurde „von den Aussiedlern um den Preis des beruflichen Abstiegs erkauft“ (Mammey und Schiener 1998, 25:119). Eine Studie aus dem Jahr 202212 kommt zu dem Ergebnis:
(Spät)Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler sind insgesamt gut integriert. Ihre Arbeitsmarktbeteiligung ist hoch und ihr Durchschnittseinkommen liegt zwischen dem der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund und dem der übrigen Personen mit eigener Migrationserfahrung. Zugleich sind überdurchschnittlich viele [über ein Drittel, CT] von ihnen als Arbeiterinnen und vor allem Arbeiter tätig. Etwa ein Drittel der (Spät)Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler ab 65 Jahren ist armutsgefährdet. (Friedrichs und Graf 2022, 4)
Insbesondere durch die Armutsgefährdung im Alter sind mehr Aussiedler:innen und Spätaussiedler:innen auf staatliche Unterstützungsleistungen, etwa Grundsicherung, angewiesen (Friedrichs und Graf 2022, 5). Das mag mitunter damit zusammenhängen, dass das durchschnittliche Einkommen während des Berufslebens im Vergleich zu anderen Erwerbstätigen mit Migrationserfahrung (ebd.) im Vergleich niedriger ist und somit weniger Beiträge für die Altersvorsorge gezahlt werden konnten.
Im Vergleich zu anderen Personen mit Migrationserfahrung berichten (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler kaum von Diskriminierungserfahrungen (Friedrichs und Graf 2022, 5). „Die Daten belegen [aber auch, CT], dass (Spät)Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler häufiger negative Haltungen zu Flüchtlingen zeigen als die Vergleichsgruppen“ (ebd.). Dies könnte u.a. mit intermigrantischen Abgrenzungsprozessen zusammenhängen, wie sie Treibel-Illian (2017) beschreibt. Treibel-Illian arbeitete diesbezüglich heraus, dass manche Migrant:innen, die schon länger in Deutschland leben, sich ggü. Neueingewanderten nicht etwa solidarisch zeigten, sondern sich abgrenzen und die neuen Migrant:innen abwerteten; als Erklärung hierfür führte sie, ganz im Sinne Elias‘ (1965), die Dauer des Lebens an einem bestimmten Ort an, welche die Aufenthaltsdauer der Neuangekommenen überschritt. Dass diese Etablierungsprozesse von Migrant:innen mit besserer Integration und zunehmender gesellschaftlicher Teilhabe einhergehen, konnte bezogen auf die Aussiedler:innen und Spätaussiedler:innen empirisch nachgewiesen werden (Friedrichs und Graf 2022, 5).
4.4 Flucht
Neben der (Arbeits-)Migration sind es aber auch Fluchtbewegungen, die dazu führen, dass Menschen nach Deutschland kommen. Bei dem politischen Umgang mit Geflüchteten zeigt es sich als problematisch, dass kriegerische Zustände der letzten Jahre bspw. in Syrien, der Ukraine oder neuerdings auch in Nahost als vorübergehender Zustand begriffen werden. Unterschwellig bleibt also die Option bestehen, dass wieder Frieden in den jeweiligen Regionen einkehrt und die verlassene Heimat wieder zum sicheren Herkunftsstaat erklärt wird.
Die politische und soziale Folge von Flucht im Aufnahmeland bedeutet für die Betroffenen, dass sie sich in einem zeitlich unbegrenzten Schwebezustand befinden. Politisch bzw. bürokratisch drückt sich dieser Schwebezustand zunächst in langwierigen Prüfungszeiträumen des Asylantrages aus, später dann in zeitlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigungen oder Duldungsstatus. Sozial bedeutet dies für geflüchtete Menschen, dass sie nicht wissen, wie lang sie in Deutschland bleiben dürfen und welche Perspektiven sie zu erwarten haben.
Sardoschau und Jaschke (2023) kommen in einer wissenschaftlichen Untersuchung13 zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten mit der Dauer ihres Aufenthaltes in Deutschland zunimmt.
Unter den Geflüchteten, die sich zwischen zwei und drei Jahren in Deutschland aufhalten, sind 11 % erwerbstätig. Nach vier und mehr Jahren steigt die Quote auf fast 50 %. Obwohl auch bei den durchschnittlichen Bruttolöhnen der Geflüchteten im Zeitverlauf ein deutlicher Anstieg zu beobachten ist, beträgt er nach vier und mehr Jahren nur knapp 1.300 Euro. Basierend auf Auswertungen des IAB [Institut für Arbeits- und Berufsforschung] entspricht dies ca. 45 % des Lohnniveaus von Personen ohne Migrationshintergrund in Deutschland. (Sardoschau und Jaschke 2023, 8)
Ähnlich wie es Friedrichs & Graf (2022) für die (Spät)Aussiedler:innen herausstellen konnten, sei anzunehmen, dass auch Geflüchtete aufgrund des niedrigen Lohnniveaus häufig auf staatliche Unterstützung angewiesen seien, wie etwa Arbeitslosengeld II oder Wohngeld (Sardoschau und Jaschke 2023, 11). „Hinzu kommen direkte Einkommensteuereinbußen und indirekte Steuereinbußen (über Verbrauchs- und Umsatzsteuern), die sich nachteilig auf die Finanzierbarkeit wichtiger öffentlicher Dienstleistungen und Programme auswirken“ (ebd., S. 11). Sardoschau und Jaschke (2023) kommen daher zu dem Schluss, dass Xenophobie auf dem Arbeitsmarkt ökonomische Kosten erzeuge, die durch gleichberechtigtere Arbeitsmarktintegration vermeidbar wären. Nicht zu vergessen sind an dieser Stelle auch die sozialen Kosten von Xenophobie sowie die psychischen Auswirkungen, die der Ausschluss für Geflüchtete haben kann. Kurzum: Gelingende Integration und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe brauchen eine Zukunftsperspektive.
4.5 Arbeitsmarktsituation und Zuwanderung heute: Zahlen, Daten und Fakten
Zum Jahresende 2023 schätzt das Statistische Bundesamt die Einwohnerzahl in Deutschland auf ca. 84,7 Millionen Menschen (Statistisches Bundesamt 2024b). Die Nettozuwanderung fiel dabei im Jahr 2022 im Vergleich zu 2023 noch doppelt so hoch aus (ebd.). Diese erhöhte Zuwanderungsquote im Jahr 2022 hing insbesondere mit der Fluchtbewegung aus der Ukraine zusammen; rund 1,1 Millionen Menschen flohen im Rahmen des russischen Angriffskrieges nach Deutschland (ebd.). Gleichzeitig glich die Geburtenrate die Sterberate im Jahr 2023 nicht aus, ein Trend, der sich seit der Wiedervereinigung Deutschlands beharrlich hält (ebd.). „Um den Folgen des demografischen Wandels auf dem Arbeitsmarkt zu begegnen“, so hält es das Statistische Bundesamt fest, „ist Deutschland auf die Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland angewiesen“ (Statistisches Bundesamt 2024c). „Es zeigen sich Engpässe vor allem in Pflegeberufen, im Bereich der medizinischen Berufe, in Bau- und Handwerksberufen und in IT-Berufen. Aber auch Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer sowie Erzieherinnen und Erzieher werden händeringend gesucht“, berichtet die Bundesagentur für Arbeit (2023, 6).
Schätzungsweise 23,9 Millionen Menschen haben in Deutschland eine Einwanderungsgeschichte14, das sind rund 28 % der Bevölkerung; weitere 13,9 Millionen Menschen sind Ausländer:innen (Statistisches Bundesamt 2024a). „Insgesamt hatten ein Viertel (25 %) aller Erwerbstätigen von 15 bis 64 Jahren eine Einwanderungsgeschichte. Damit lag ihr Anteil an den Erwerbstätigen etwas unter ihrem Bevölkerungsanteil von 28 %“ (Statistisches Bundesamt 2024c). „Menschen mit Einwanderungsgeschichte“, so lässt es sich konstatieren, leisten „in vielen Berufen einen wichtigen Beitrag auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ (ebd.). In einer Prognose des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden bis 2026 ca. 240.000 Stellen auf dem Arbeitsmarkt unbesetzt sein – ein Defizit, bei welchem die aktuellen Prognosen künftiger Migration bereits einberechnet sind (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2022, 37). „Nur bei einer Nettozuwanderung von 400.000 Personen pro Jahr bliebe das Erwerbspersonenpotenzial bis 2035 konstant“ (Fuchs, Söhnlein, und Weber 2021, 1). Doch wie werden Menschen, die aus anderen Ländern zuwandern, letztlich auf dem Arbeitsmarkt integriert? Welche Voraussetzungen gelten und in welchen Berufsfeldern arbeiten sie? Diesen Fragen wird im Folgenden nachgegangen.
5. Teilhabe durch Arbeit: Arbeitsmarktpolitiken
Wenn man sich genauer mit der Integration von Zugewanderten in den deutschen Arbeitsmarkt auseinandersetzen möchte, ist es notwendig, bestimmte Differenzierungen vorzunehmen. Rechtlich macht es einen Unterschied, unter welchen Bedingungen und aus welchen Gründen Personen nach Deutschland kommen und dies hat Folgen für die Regularien, die den Arbeitsmarktzugang bedingen. Im Folgenden wird daher unterschieden zwischen (Arbeits-)Migrant:innen und Geflüchteten. Während mit Arbeitsmigrant:innen diejenigen gemeint sind, die mit dem konkreten Ziel, in Deutschland zu arbeiten, nach Deutschland kommen und daher auswandern, kommen Geflüchtete aus ganz anderen Gründen nach Deutschland. Wenngleich sie zunächst in Deutschland Schutz suchen und zumindest für einige Zeit in Deutschland bleiben, stellen sich auch für Geflüchtete Fragen des Arbeitsmarktzuganges, wie bereits zuvor einführend dargestellt wurde. Zunächst wird daher auf reguläre Migration eingegangen, bevor auf die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten eingegangen wird.
5.1 Arbeitsmarktintegration von Migrant:innen
Den gesetzlichen Rahmen für die Einwanderung zu Arbeitszwecken nach Deutschland gehen hauptsächlich auf das Aufenthaltsgesetz und die Beschäftigungsverordnung zurück. Derzeit wird insbesondere die Einwanderung von Fachkräften15 (Fachkräfteeinwanderungsgesetz) forciert und entsprechend die Zuwanderung zu Arbeitszwecken erleichtert. Ziel ist die Schaffung langfristiger Perspektiven für ausländische Fachkräfte. Je länger Migrant:innen in Deutschland bleiben, desto stärker und positiver wirkt sich der Faktor der Aufenthaltsdauer auf Integrationserfolge und gesellschaftliche Teilhabe aus.
5.1.1 Voraussetzungen
Für Fachkräfte aus Ausbildungsberufen ist „[n]eben einem Arbeitsvertrag […] erforderlich, dass die Gleichwertigkeit mit einer inländischen qualifizierten Ausbildung festgestellt wird und das Gehalt dem eines deutschen Arbeitnehmers entspricht“ (Bundesministerium des Innern und für Heimat 2024). Für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung bietet die sog. „Blaue Karte“ oder „Blue Card“ besondere Privilegien für Migrant:innen und ihre Familien. Voraussetzung hierfür ist ein „abgeschlossenes Hochschulstudium […], das mit einem deutschen Hochschulstudium vergleichbar ist“ oder ein Mindestverdienst von 58.400 Euro brutto (Stand 2023) (Bundesministerium des Innern und für Heimat, 2024). Dieser Mindestverdienst gilt nicht für sog. „Mangelberufe“, wie bspw. Ärzt:in oder Ingenieur:in; hier gibt es besonders viele unbesetzte Stellen, sodass dort der Mindestverdienst auf 45.552 Euro brutto herabgesenkt wurde (Stand 2023). Auch hier müssen die Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit und Gehalt) denen von deutschen Arbeitnehmer:innen in den jeweiligen Berufen entsprechen. Eine „unbefristete Niederlassungserlaubnis“ kann entweder nach 33 Monaten oder nach „Nachweis guter Deutschkenntnisse sogar schon nach 21 Monaten“ beantragt werden (Bundesministerium des Innern und für Heimat 2024).
Von 2012 bis 2022 haben nach einer Auswertung des Ausländerzentralregisters fast 200.000 akademische Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten erstmalig eine Blue Card erhalten. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, lebten 83 % derjenigen, die diesen Aufenthaltstitel zwischen 2012 und 2017 erhielten, nach fünf Jahren weiterhin in Deutschland. Im Vergleich zu internationalen Studierenden (55 %) weisen Inhaberinnen und Inhaber einer Blue Card nach fünf Jahren somit eine höhere Verbleibquote auf. (Statistisches Bundesamt 2023)
Hieran wird deutlich, dass der geförderte Arbeitsmarktzugang für ausländische Akademiker:innen sowie ausreichend Zukunftsperspektiven zu einer langfristigen Arbeitsmarktintegration beitragen können.
Auch IT-Spezialist:innen wird der Arbeitsmarktzugang erleichtert, sofern eine „ausgeprägte berufspraktische Erfahrung unabhängig von einem formalen Abschluss“ sowie ein Mindestverdienst von 52.560 Euro brutto (Stand 2023) nachgewiesen werden kann (Bundesministerium des Innern und für Heimat 2024). Die „aufenthaltsrechtlichen Richtlinien der Europäischen Union“ ermöglichen EU-Bürger:innen u.a. Studierenden, Forschenden und unternehmensintern transferierten Arbeitnehmer:innen gesonderte Möglichkeiten zur innereuropäischen Mobilität. Auch der Aufenthalt zu Qualifizierungszwecken ist möglich – bei hinreichenden Sprachkenntnissen (Sprachniveau A2) (Bundesministerium des Innern und für Heimat 2024).
5.1.2 Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Arbeitssuche
Ein Visum zum Aufenthalt zur Arbeitsplatzsuche kann von Fachkräften für sechs Monate beantragt werden, sofern die Berufsausbildung anerkannt wurde und entsprechende Deutschkenntnisse zur Ausübung der Tätigkeit vorhanden sind. Im Falle von Hochqualifizierten muss das Studium vergleichbar mit dem deutschen Abschluss sein. In beiden Fällen muss der Lebensunterhalt für die Zeit selbst bestritten werden. Bei erfolgreicher Arbeitssuche kann dann eine „Blaue Karte“ beantragt werden. 18 Monate Zeit zur Arbeitsplatzsuche erhalten ausländische Absolvent:innen eines deutschen Studienganges, 12 Monate Zeit bekommen Absolvent:innen einer deutschen Berufsausbildung, um einen passenden Beruf zu finden. Zwischenzeitlich ist beiden Gruppen gestattet, ihren Lebensunterhalt mit anderen Tätigkeiten zu verdienen. „Wurde die Berufsausbildung oder das Studium in Deutschland absolviert, kann diese Niederlassungserlaubnis bereits nach zwei Jahren der Beschäftigung erteilt werden“ (Bundesministerium des Innern und für Heimat 2024).
5.1.3 Anreize für Unternehmer:innen und Selbstständige
Des Weiteren erhalten Selbstständige und Unternehmer:innen „erleichterte Bedingungen im Aufenthaltsrecht“ (ebd.). So sollen nicht nur Anreize für Unternehmensgründer:innen geschaffen werden, „in Deutschland zu investieren“, auch „[p]auschale Forderungen nach Mindestinvestitionssummen und einer Mindestzahl zu schaffender Arbeitsplätze gibt es nicht“ (Bundesministerium des Innern und für Heimat 2024). Ähnlich Bedingungen gelten auch für Selbstständige.
5.1.4 Arbeitsmarktintegration von Schutzsuchenden
Politisch reagierte man in Deutschland in den vergangenen 10 Jahren durchaus unterschiedlich auf die arbeitsmarkbezogene Integration verschiedener Bevölkerungsgruppen im Rahmen von Flucht und Asyl (hier bezogen auf Geflüchtete aus Syrien und der Ukraine). Die allgemeinen rechtlichen Regelungen zum Asyl hängen in Deutschland maßgeblich mit dem Artikel 16a Grundgesetz, Artikel 14 (1) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention zusammen. Den Arbeitsmarktzugang von Asylsuchenden und Geflüchteten regelt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Asylbewerbende16 bzw. Geflüchtete erhalten einen Arbeitsmarktzugang nach drei Monaten, sofern sie nicht verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2024).
Für eine gewisse Zeit, höchstens 18 Monate, müssen Asylsuchende in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen. Familien mit minderjährigen Kindern müssen dort jedoch nur sechs Monate verbringen. Danach sollen sie in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden. Je nach Bundesland ist auch eine Unterbringung in einer Wohnung möglich. (Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration & Die Beauftrage des Bundes für Antidiskriminierung, 2024; vgl. § 47 Asylgesetz)
Falls Asylbewerbende oder Geflüchtete in Begleitung minderjähriger Kinder sind, gelten ähnlich wie bei der Unterbringung auch andere Regeln für Beschäftigung. Geflüchtete in Begleitung minderjähriger Kinder dürfen nach sechs Monaten eine Beschäftigung aufnehmen (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2024). Erst nach neun Monaten erhalten Asylbewerbende und Geflüchtete Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie ohne Kinder nach Deutschland kamen, auch wenn sie eine Verpflichtung dazu haben, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2024).
Wenn der Antrag auf Asyl abgelehnt wurde, die betroffenen Personen aber nicht in das Herkunftsland zurückkehren können (z.B. Reiseunfähigkeit oder eine fehlende Verkehrsverbindung in ein vom Krieg zerstörtes Land) gelten Menschen als Geduldete (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2024). Sofern die Einschränkungen durch Reiseunfähigkeit o.ä. nicht mehr vorliegen, können Gelduldete abgeschoben werden. Dieser Status hat Auswirkungen auf den Zugang zum Arbeitsmarkt: Geduldete haben nach sechs Monaten einen Arbeitsmarktzugang, wenn sie zum Wohnen in der Aufnahmeeinrichtung verpflichtet sind, ansonsten nach drei Monaten (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2024). Generell besteht u.a. kein Arbeitsmarktzugang „in den ersten drei Monaten des Aufenthaltes, für die Zeit des Aufenthaltes in einer Erstaufnahmeeinrichtung (§ 47 und § 61 des Asylgesetzes)“ (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2024).
5.1.5 Sonderregelungen für Geflüchtete aus der Ukraine
Für ukrainische Geflüchtete wurde seitens der Europäischen Union eine „Richtlinie über den vorübergehenden Schutz“ (Bundesregierung 2024b) eingerichtet. Dieser zunächst einjährige Status kann entsprechend der politischen Lage in der Ukraine verlängert werden und geht mit entsprechenden Rechten für Geflüchtete einher: Allen voran das Aufenthaltsrecht und der Zugang zu Wohnraum, aber eben auch der Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Sozialfürsorge und medizinischen Betreuung (Europäischer Rat 2024). Damit entfällt das Arbeitsverbot von mindestens acht Monaten. Für unbegleitete Kinder und Teenager, wird eine gesetzliche Vormundschaft eingerichtet und der Zugang zu Bildung ermöglicht (ebd.). „Der vorübergehende Schutz wird automatisch gewährt, doch sollten alle, die davon profitieren, in dem EU-Land, in dem sie bleiben wollen, einen Aufenthaltstitel beantragen“, so informiert der Europäische Rat auf seiner Homepage (2024). „Der vorübergehende Schutzstatus schließt die Möglichkeit nicht aus, den Flüchtlingsstatus oder andere Arten von Schutz zu beantragen, die es in den EU-Ländern gibt“ (ebd.). Ein solches Verfahren kann die bürokratischen Prozesse im jeweiligen EU-Aufnahmeland erheblich entlasten, verschafft Zeit und sorgt für weniger Druck für die notwenigen Beantragungen seitens der geflüchteten Menschen und bietet ihnen zumindest für ein Jahr eine vergleichsweise sichere Perspektive u.a. durch sofortigen Arbeitsmarktzugang nach abgeschlossenem Integrationskurs.
Durch den erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt, auch „Jobturbo“ genannt (Bundesregierung 2023), wird nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein wichtiger sozialer Beitrag zur Integration und gesellschaftlichen Teilhabe geleistet. Rund 20% aller erwerbsfähigen geflüchteten Menschen aus der Ukraine waren im November 2023 berufstätig (Bundesregierung 2024a). Und zeitgleich ermöglicht dieses Verfahren den Ukrainer:innen, früher finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, Selbstwirksamkeit zu erfahren und nicht auf staatliche Zahlungen angewiesen sein zu müssen.
Beschäftigung, so lässt es sich daher zusammenfassen, ist ein grundlegendes Element gesellschaftlicher Teilhabe. Doch die Beschäftigungs- bzw. Arbeitslosenquote allein geben uns noch keinen Aufschluss darüber, welche Personen denn nun im Arendt’schen Sinne arbeiten, herstellen oder handeln. Indem man sich die Strukturierung des Arbeitsmarktes etwas genauer anschaut, kann man weitere Informationen darüber erlangen, welche Beschäftigungsformen von welchen Bevölkerungsgruppen überproportional häufig ausgeführt werden und welche Rolle dabei Migrant:innen spielen.
Was Arendt in Anlehnung an Aristoteles bereits in „Vita Activa“ herausstellte, ist die Bedeutung von Freiheit, politisch handeln zu können und dem Zwang, arbeiten zu müssen (Arendt 2020, S. 30). Politische Beteiligung (Handeln), so liest es sich anfänglich bei Arendt, avanciert somit zu einem elitären Luxusgut derjenigen, die auf ein „auf Erwerb gerichtetes Leben“ nicht angewiesen sind (ebd.). Um arbeitsbezogene Prozesse, wie etwa Integration durch Arbeit sowie damit einhergehende Anerkennungsprozesse wie politische Repräsentanz, genauer in den Blick zu nehmen, lohnt es sich, zunächst die Struktur des Arbeitsmarktes zu beleuchten. Denn die Positionierung von Arbeitnehmer:innen auf dem Arbeitsmarkt wirkt sich unweigerlich auf die soziale Positionierung generell aus. Das Arbeitsverhältnis wirkt dabei in viele Bereiche des sozialen Lebens hinein. Es wirkt sich auf Status und Ansehen, finanzielle, aber auch soziale Ressourcen aus.
6.1 Beschäftigung von Erwerbstätigen mit Migrationsgeschichte
Setzt man sich damit auseinander, welchen Berufen Erwerbstätige mit Migrationsgeschichte nachgehen, so wird deutlich, dass „Menschen mit Migrationshintergrund mehrheitlich an das untere Arbeitsmarktsegment gebunden“ und „dadurch stark von Segregation und Stigmatisierungsprozessen betroffen“ sind (Ottersbach 2015, 144). Statistisch lässt sich diese Feststellung durch Auswertung der Daten des Mikrozensus 202217 stützen. Erwerbstätige mit Einwanderungsgeschichte finden sich bspw. überproportional häufig in Reinigungsberufen (59,7 %), der Gastronomie (45,6 %), sowie im Hochbau (40 %). Auch in der Körper- (36 %) und Altenpflege (30 %) liegen die Anteile der Erwerbstätigen mit Migrationsgeschichte höher als im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. „Erwerbstätige mit Einwanderungsgeschichte sind häufiger in gering qualifizierten Berufen tätig als Erwerbstätige ohne Einwanderungsgeschichte. Im Jahr 2022 stellten sie die Mehrzahl aller Hilfsarbeitskräfte (52 %)“ (Statistisches Bundesamt 2024c).
„In anderen Berufsgruppen“, so konstatiert das Statistische Bundesamt weiter, „sind Erwerbstätige mit Einwanderungsgeschichte dagegen vergleichsweise selten anzutreffen“ (Statistisches Bundesamt 2024c). Nur 6 % der Erwerbstätigen mit Migrationsgeschichte arbeiteten in Berufen bei Polizei, Gericht und des Justizvollzugs. Auch der Anteil von Erwerbstätigen mit Migrationsgeschichte bei den allgemeinen Streitkräften ist unterrepräsentiert (10 %). Ebenso verhält es sich „bei Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen“ (11 %). „Ähnlich selten übten Menschen mit Einwanderungsgeschichte auch Berufe in der Landwirtschaft (11 %) aus. In Bank- und Versicherungsberufen betrug der Anteil Erwerbstätiger mit Einwanderungsgeschichte 16 %“ (Statistisches Bundesamt 2024c). Außerdem sind Erwerbstätige mit Einwanderungsgeschichte seltener Führungskräfte: „Ihr Anteil an allen Führungskräften im Jahr 2022 betrug 18 %. Gleiches gilt für akademische Berufe, wo 19 % der Erwerbstätigen eine Einwanderungsgeschichte hatten“ (Statistisches Bundesamt 2024c).
Wie bereits aufgezeigt, sind Erwerbstätige mit Migrationsgeschichte häufiger in gering qualifizierten Berufen tätig. Hierunter fallen auch viele Berufe, die von prekären Beschäftigungsverhältnissen geprägt sind (Bouju 2022). Prekäre Beschäftigungsverhältnisse können sich in Bezug auf Arbeitszeit, Bezahlung, Befristung der Tätigkeit und Ausgestaltung von Arbeitsverträgen und -bedingungen von Tätigkeiten im sogenannten Normalarbeitsverhältnis, verstanden als unbefristete Vollzeitbeschäftigung, stark unterscheiden (Castel, Dörre, und Bescherer 2009). Mit prekärer Beschäftigung geht außerdem häufig ein erhöhtes Risiko der (Alters-)Armut einher und wirkt sich nachteilig auf gesellschaftliche Teilhabe damit gelingende Integration aus. „Eine dauerhafte Positionierung in prekären Beschäftigungsverhältnissen hat unweigerlich nachziehende soziale Marginalisierungseffekte zur Folge“ (Ottersbach 2015, 144). Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind daher auch vor dem Hintergrund der Arbeitsmarktintegration von Migrant:innen besonders aufmerksam zu beobachten.
Eine aktuelle Studie des Sachverständigenrates für Integration und Migration kommt zu dem Ergebnis, dass „Ausländische Arbeitskräfte […] im deutschen Niedriglohnsektor überrepräsentiert [sind], besonders jene aus den neuen EU-Mitgliedsländern und aus Drittstaaten. Sie arbeiten oft unter prekären Bedingungen. Durch ihre sozioökonomische Position und ihren (kurzfristigen) Aufenthalt sind sie besonders verwundbar“ (Loschert, Kolb, und Schork 2023, 4). Prekäre Arbeit wirke sich darüber hinaus negativ auf die Möglichkeiten gesellschaftliche Teilhabe aus (ebd.). Hierbei spielen sowohl soziale, zeitliche, als auch ökonomische Aspekte eine Rolle.
Die Forschenden unterscheiden dabei mehrere Dimensionen von Teilhabe, auf die prekäre Beschäftigung Auswirkungen hat. Durch die mehrdimensionale Darstellung von Teilhabe und die Auswirkungen von prekärer Arbeit auf die relevanten Teilbereiche wird deutlich, wie tiefgreifend die Auswirkungen sind. Rekurriert wird hierbei auf ökonomische, kulturelle, soziale, wohlfahrtsstaatliche sowie politische Teilhabe (Loschert, Kolb, und Schork 2023, 14). Gleichwohl wird deutlich, dass Arbeit, sei sie noch so auf das Überleben forciert, wie es Arendt in ihrer Trias der menschlichen Tätigkeit vorschlägt, Auswirkungen auf das ganze gesellschaftliche Leben eines Individuums hat, welche weit über die ökonomische Ressource von Geld hinausgeht. Auf einen der aufgeführten Bereiche soll daher in Bezug auf Arendts Handlungsbegriff genauer eingegangen werden: die politische Teilhabe.
6.2 Politische Repräsentanz von Menschen mit Migrationsgeschichte
Dass das Handeln, wie es Arendt in Bezug auf Aristoteles beschreibt, bereits seit der attischen Polis des antiken Griechenland mit Exklusionspraktiken einhergeht, scheint für eine herrschaftstheoretische Perspektive politischen Handelns in postmigrantischen Gesellschaften immanent. Exklusionspraktiken dieser frühen griechischen Demokratie18 lassen sich anhand verschiedener Distinktionsmerkmale nachzeichnen. Der Bürgerstatus, der für das politische Handeln die notwendige Voraussetzung darstellte, galt lediglich den Männern Athens. Denn die Herkunft der Männer spielte dabei eine große Rolle: sogenannte Metöken, Männer, welche bspw. als „Fremdarbeiter“ nach Athen kamen, erhielten keinen Bürgerstauts, ebenso wenig wie Frauen und Sklaven. Distinktionslinien ergeben sich demnach anhand der Kategorien Geschlecht, Stand und Herkunft.
So wird auch in Arendts „Vita Activa“ (2020) – wieder entlang der Ausführungen Aristoteles‘ – die Unterscheidung entlang der Kategorie Geschlecht insofern deutlich, als dass Häusliche und Private den Frauen, das Öffentliche und Politische den Männern zugeordnet wird. Eine Trennung, die, wie Arendt betont, in der Moderne nicht mehr haltbar erscheint. Jüngere historische Perspektiven bemängeln zudem den verengten Blick auf das politische Geschlechterverhältnis des antiken Athen und der dort entstanden Polis.
Der Irrtum moderner Wissenschaftler lag vor allem in der angenommenen Deckungsgleichheit von Öffentlichkeit und aktiver Teilnahme in politischen Gremien. […] Auch in Griechenland wurden politische Entscheidungen nicht nur in politischen Gremien getroffen. Von informellen Kommunikationsstrukturen, welche die Frauen […] mit einschlossen und auf das [männliche] Stimmverhalten […] zurückwirkten, ist ebenso auszugehen wie von Einfluss, den z. B. hellenistische Königinnen als Gattinnen männlicher Dynasten oder als Mütter unmündiger königlicher Söhne ausüben konnten. (Scheer 2015, 51f.)
Wenngleich man auch informelle Mitbestimmungsprozesse vorbehaltlich eines weiter gefassten Begriffs des Politischen fassen könnte, so spielt der Aspekt der aktiven und formellen politischen Partizipation durch Amtsträger:innen und als gewählte Repräsentanz in Gremien einer Parteiendemokratie wie der deutschen eine bedeutende Rolle – ein Schluss, zu dem insbesondere die Repräsentationsforschung kommt.
Die empirische Betrachtung von Partizipations- und Repräsentationsformen [zeigt], dass die parlamentarisch-parteipolitische Repräsentation Vorteile gegenüber anderen Institutionen und Gremien besitzt. Insbesondere erweist sie sich, in Bezug auf die Repräsentation schwacher Interessen, als weniger disparitär. […] Mithin wird die Gleichheit in der Demokratie tendenziell gestärkt, wenn die Grundlagen der parlamentarisch-parteipolitischen Repräsentation nicht unterlaufen, sondern mittels partizipatorischer Verfahren, der Ausweitung von Beteiligungsrechten und der Maximierung von Öffentlichkeit ergänzt und befördert werden. (Linden 2021, 195)
Dass auch marginalisierte gesellschaftliche Gruppen in modernen Gesellschaften (zumindest formalrechtlich) nicht mehr anhand der beschriebenen Exklusionspraktiken aus dem politischen Prozess ferngehalten werden dürfen, heißt nicht, dass der Kampf um gleichberechtigte politische Beteiligung befriedet wäre. Die Nachwirkungen verschiedenster Ungleichbehandlungen und damit einhergehender Exklusionspraktiken politischen Handelns sind bis heute sichtbar. Dies zeigt sich u.a. entlang der Kategorie Geschlecht: Durchschnittlich waren im 20. Deutschen Bundestag 2023 rund 36% Frauen vertreten (Deutscher Bundestag 2024). Lediglich in zwei Fraktionen, der Grünen und der Linken, stellten weibliche Abgeordnete die Mehrheit der Fraktionsmitglieder (ebd.). So scheint die Berufspolitik auch heute noch in einigen Parlamenten überwiegend männlich geprägt.
Eine ähnliche deskriptive Unterrepräsentanz zeigt sich eben auch im Anteil der Abgeordneten des 20. Deutschen Bundestages mit Migrationshintergrund. Laut einem Bericht des Mediendienst Integration haben mind. 83 Abgeordnete, bzw. 11,3 % aller Abgeordneten einen Migrationshintergrund. „Die Linke hat mit 28,2 Prozent den höchsten Anteil an Abgeordneten mit Migrationshintergrund“, gefolgt von der SPD (17 %), den Grünen (14,4 %), der AfD ( 7,2 %), der FDP (5,4 %), und zuletzt der CDU/CSU (4,1 %) (Mediendienst Integration 2021, 3).
Dabei darf nicht vergessen werden, dass es selbstverständlich auch weiteres politisches Handeln fernab der Bundespolitik und außerhalb von Parlamenten gibt. Exemplarisch stehen hierfür Vereine und Verbände, aber auch NGO’s deren Handeln wohl eher im originären Sinne Arendts steht. Insbesondere die migrantische Selbstorganisation in Form von Vereinen, Verbänden und Initiativen beinhaltet Aspekte der Anreicherung von Sozialkapital (im Sinne von Gemeinschaft, Netzwerken und der Zusammenlegung von Ressourcen). Hieran wird deutlich, was auch Arendt festhält nämlich „daß die nur Arbeitenden oder nur Herstellenden auf einen öffentlichen Bereich [nicht] ganz und gar verzichten könnten“ (Arendt, 2020, S. 295), was auf ein Verhältnis der Gleichzeitigkeit von Arbeiten oder Herstellen und Handeln verweist und die nunmehr begriffliche Trennung in der Praxis des alltäglichen Lebens vereint. Dennoch bleibt die parlamentarisch-parteipolitische Repräsentation in der gegenwärtigen politischen Betrachtung von hoher Bedeutung, solange es um das Erfechten der Interessen machtschwächerer Bevölkerungsgruppen geht (Linden 2021, 195).
Forciert man nun dezidiert auf die Erkenntnisse des zivilgesellschaftlichen politischen Engagements, welches dem eigentlichen Handlungsbegriff Arendt’s wohl deutlich näherkommt, zeichnet sich ein ganz ähnliches Bild ab. So kommt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (2020) zu dem Ergebnis, dass sich die politische Partizipation und das zivilgesellschaftliche Engagement von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland von denen von Menschen ohne Migrationshintergrund deutlich unterscheiden.
Die in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund beteiligen sich insgesamt seltener an Wahlen als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Auch abseits von Wahlen sind Zugewanderte und ihre Nachkommen weniger häufig politisch aktiv. Zugleich ist ihr zivilgesellschaftliches Engagement – ob im Rahmen formaler Organisationsmitgliedschaft oder vereinsungebunden bzw. informell – geringer ausgeprägt. (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2020, 43)
Grundvoraussetzung für politisches Engagement sind des Berichtes zur Folge 1) das Können. Dies hänge unmittelbar von Ressourcen wie Zeit, Geld oder Bildung ab. 2) ginge es um das Wollen, wobei insbesondere die Motivation und das Interesse an einem Engagement bedeutsam sind. Und 3) das Gefragt-Werden, also die Rekrutierung, etwa durch Netzwerke (ebd., 10f.). Somit kann es mehrere Faktoren geben, warum sich Menschen mit Migrationsgeschichte im Vergleich zu Menschen ohne Migrationsgeschichte seltener zivilgesellschaftlich und politisch engagieren. Um das zivilgesellschaftliche Engagement, welches die politische Partizipation im übrigen positiv beeinflusst (ebd., 18ff), zu stärken, kommen die Forscher:innen zu dem Schluss:
Mit Blick auf das Ziel der möglichst schnellen Schaffung gleicher politischer Teilhaberechte und Partizipationsmöglichkeiten sollten insbesondere Neuzugewanderte mit der Perspektive eines Daueraufenthaltes möglichst früh – also zu einem Zeitpunkt, an dem sie gegenüber dem politischen System und seinen Akteuren und Akteurinnen vergleichsweise positiv eingestellt sind – ‚abgeholt‘ und für eine aktive Teilhabe interessiert, mobilisiert bzw. mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden. (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2020, 56)
Rekurrierend auf Arendt sollte in diesem Zusammenhang der Frage nachgegangen werden, inwieweit die tatsächliche Kompetenz politisch zu Handeln in den unterschiedlichen Milieus unserer pluralen Gesellschaft grundsätzlich und in vergleichbarer Art und Weise vorhanden ist. So müssen Partizipationsmöglichkeiten nicht nur geschaffen und eröffnet, sondern schlussendlich auch genutzt werden. Daran anschließend müsste in den zuvor formulierten Vorschlägen zur Verwirklichung politisch gleichberechtigter Partizipation eine Vermittlung grundlegender Demokratiekompetenzen ergänzt werden. So müsste auch die Befähigung zum politischen Handeln, d.h. bspw. die Fähigkeit des Zuhörens und Argumentierens mit dem gemeinsamen Ziel der Gemeinwohlorientierung, als Teil der politischen Bildungsarbeit, bereits Kinder und Jugendlichen vermittelt und bei Erwachsenen regelmäßig praktiziert werden. Nur durch diese grundlegende Demokratiekompetenz sowie die Bereitschaft des Perspektivwechsels und der Anerkennung aller gesellschaftlichen Gruppen als gleichberechtigte politische Akteure kann gewährleistet werden, dass die Demokratie, in der wir leben, letztlich nicht nur Herrschaftsform, sondern auch tatsächlich – durch aktiv handelnde Subjekte – zur Gesellschaft und Lebensform avanciert (Himmelmann 2022).
7. Repräsentanz durch Präsenz: Über die Anerkennung von Migrant:innen in einer postmigrantischen Gesellschaft
Die vorangegangen Ausführungen zeigen, dass eine Reflektion von Anerkennung in einer postmigrantischen Gesellschaft entlang der Begriffe Arbeit und politischem Handeln nach Arendt geeignet ist, gegenwärtige postmigrantische Machtverhältnisse kritisch zu hinterfragen. Die aktuellen Befunde zeigen, dass Migrant:innen auf dem Arbeitsmarkt in prekären Arbeitsbereichen überrepräsentiert sind, während sie insbesondere in Berufsfeldern des öffentlichen Dienstes und staatlicher Repräsentanz eher unterrepräsentiert sind. Das mag mitunter damit zusammenhängen, dass Migrant:innen in Deutschland während der Gastarbeiterzeit für bestimmte Arbeitsbereiche, oft einfache Tätigkeiten, angeworben wurden, um Lücken des hiesigen Arbeitsmarktes zu schließen (Allokation). Ähnliche Effekte zeigen sich bei den (Spät)Aussiedelnden, welche überproportional häufig als Arbeiter:innen tätig und aufgrund eines durchschnittlich schlechteren Lohnniveaus im Vergleich zur Erwerbsbevölkerung ohne Migrationsgeschichte häufiger von Altersarmut betroffen sind.
Betrachten wir deswegen nochmals die derzeitigen Lücken des deutschen Arbeitsmarktes . Es konnte herausgearbeitet werden, dass u.a. in Pflegeberufen und medizinischen Berufen Arbeitskräfte fehlen – Berufe, die spätestens seit der Pandemie als gleichermaßen systemrelevant wie auch unterfinanziert gelten. Weitere Engpässe des deutschen Arbeitsmarktes gibt es im Bereich der Bau- und Handwerksberufe. Auch hier entscheiden sich bereits seit einigen Jahren weit weniger Personen als nötig für eine handwerkliche Ausbildung, die oftmals mit starken körperlichen Belastungen und (je nach Tätigkeit) niedrigen Löhnen einhergeht. Auch die Arbeitsbedingungen von Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer, eine weitere Berufsgruppe, die händeringend Arbeitnehmer:innen sucht, sind nicht optimal, bedenkt man etwaige Vereinbarkeitsforderungen von Arbeitnehmer:innen hinsichtlich Familie und Beruf und auch Erzieherinnen und Erzieher werden dringend gesucht. Wenngleich diese Tätigkeit von befragten Arbeitnehmer:innen tendenziell als erfüllend empfunden wird, stoßen wir auch in Erziehungsberufen auf ein Feld, deren Angehörige zu geringe Löhne und fehlende Wertschätzung beklagen (Lübker und Herrberg 2024). Vom Fachkräftemangel scheinen folglich viele Berufsfelder betroffen, die für Arbeitnehmende aus unterschiedlichen Gründen nicht attraktiv zu sein scheinen. Die Gründe dafür können systemischer (Arbeitszeiten und Arbeitsbelastung), sozialer (Status, Ansehen, Prestige) aber auch ökonomischer Natur (geringe Entlohnung) sein.
Wie gezeigt, sind einige dieser Berufe (Pflege, Hoch- und Tiefbau, Fahrzeugführung im Straßenverkehr) genau die Berufsfelder, in denen Erwerbstätige mit Migrationsgeschichte bereits heute überrepräsentiert sind. Diese Berufe fokussieren sich zu einem großen Teil auf Tätigkeiten der Arbeit oder des Herstellens. Es stellt sich also die Frage, inwieweit Erwerbstätige mit Einwanderungsgeschichte durch marktbedingte Selektions- und Machtmechanismen in genau diese Berufsfelder verortet werden und ihnen der Zugang zu attraktiveren Berufen verwehrt wird bzw. die Integration in diese Berufsfelder hinein ausbleibt. Diese Ausschlussmechanismen müssen nicht aktiv, intendiert und damit bewusst passieren. Arbeitgeber:innen können Selektionsprozesse zum Nachteil von Migrant:innen auch unterbewusst praktizieren, indem in der Personalauswahl bspw. auf gruppenbezogene Stereotype oder Vorurteile rekurriert wird. Darüber hinaus sind auch Praktiken im Rahmen der institutionellen Diskriminierung von Arbeitssuchenden mit Migrationsgeschichte zu berücksichtigen, welche insbesondere in größeren Unternehmen und Organisationen bedeutsam werden.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass vor dem gegenwärtigen Hintergrund der Arbeitsmarktstrukturierung in praxis von keiner gleichwertigen Anerkennung von Erwerbstätigen mit Migrationsgeschichte und Erwerbstätigen ohne Migrationsgeschichte gesprochen werden kann. Dieses Fazit lässt sich hauptsächlich und empirisch damit begründen, dass Erwerbstätige mit Migrationsgeschichte gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil und ihrem Qualifikationsniveau insbesondere in prekären Beschäftigungsverhältnissen sowie in aus verschiedenen Gründen19 als eher unattraktiv geltenden Berufsgruppen überproportional häufig vertreten sind. Diese nachteilige Allokation auf dem Arbeitsmarkt kann weiterhin zu ungleichen gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten im ökonomischen, aber auch im sozialen, kulturellen und politischen Sinne führen und darüber hinaus transgenerationale Wirkung entfalten.
In Bezug auf das politische Handeln hält Arendt fest: „Sprechen und Handeln sind die Tätigkeiten […], sind die Modi, in denen sich das Menschseins selbst offenbart. […] Sprechend und Handelnd schalten wir uns in die Welt der Menschen ein“ (Arendt 2020, 239f.). Orte, in denen das Sprechen und Handeln im politischen Prozess besonders deutlich wird – oder Orte, die für Sprechen und Handeln entworfen wurden, sind in unserem hiesigen politischen System die Parlamente. Die vorangegangenen Ausführungen haben daher auch Einblicke in die Struktur des Deutschen Bundestags gegeben, um zu beleuchten, wie es um die Repräsentanz von Menschen mit Migrationsgeschichte dort bestellt ist – wie sie sich Sprechend und Handelnd in die Welt mit ihren Ansichten, Bedürfnissen und Forderungen einbringen können. Am Beispiel der Besetzung des 20. Deutschen Bundestages konnte dargestellt werden, dass migrantische Abgeordnete in der Mehrheit der Fraktion im Verhältnis zum Bevölkerungsanteil von Menschen mit Migrationsgeschichte unterrepräsentiert sind. Die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten des 20. Deutschen Bundestages bilden Männer ohne Einwanderungsgeschichte. Dabei spielen ähnlich wie auf dem Arbeitsmarkt auch in der politischen Arena Selektionsprozesse von Bundestagskandidat:innen eine Rolle: ungleiche Verhältnisse von Ressourcen und Kapitalien können bei diesen Selektionsprozessen Relevanz entfalten (Bouju 2022). Darüber hinaus sind Migrant:innen auch im politischen-zivilgesellschaftlichen Kontexten weniger engagiert, als Personen ohne Migrationsgeschichte (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2020). Die Förderung von politischer Partizipation durch die Vermittlung grundlegender Diskurs und Demokratiekompetenzen, um überhaupt politisch tätig werden zu können, sollten gleichermaßen Beachtung finden, wie die kritische Beleuchtung der sozioökonomische Rahmenbedingungen von Personen, die eine Partizipation bestimmter Bevölkerungsgruppen begünstigen oder benachteiligen können.
Nichts desto weniger könnte die mangelnde Präsenz von Menschen mit Migrationsgeschichte in politischen Prozessen formeller und informeller Natur zu einer mangelnden Berücksichtigung der Bedarfen und Forderungen der pluralen Bevölkerung führen. Ohne es auf den Kontext der Migration zu beziehen, hält Arendt fest: „Das Faktum menschlicher Pluralität“ (Arendt 2020, 239) sei überhaupt der Grund, warum wir sprechend und handelnd miteinander in Interaktion träten. Nur in der Gleichheit (und damit auch Gleichwertigkeit aller Menschen) würden wir Verständigung und eine gemeinsame Perspektive für eine künftige Welt finden (Mahrdt 2022); eine Welt, die wir zwar nicht mehr selbst erleben, aber an weitere Generationen unseresgleichen übergeben werden. Gerade diese unterschiedlichen Perspektiven auf das gesellschaftliche Leben sind zwingend notwendig, um ungleichwertige Teilhabe aufzudecken und in Bereiche vorzudringen, für die privilegierte Statusgruppen möglicherweise blind sind. Gleichzeitig gewinnen postmigrantische Allianzen (Foroutan 2016) der Solidarität im politischen Handeln zunehmend an Bedeutung, sodass die Repräsentanz diverser Interessen nicht zwangsläufig an einzelne Repräsentanten bestimmter Bevölkerungsgruppen gebunden ist – was nicht heißt, dass bspw. die nachweisbare Unterrepräsentanz von Menschen mit Migrationsgeschichte unproblematisch wäre. In dieser Pluralität, so lehrt es uns schließlich Arendt, liegt unsere gemeinsame Welt zu Grunde, basierend auf einem uns einenden „Gemeinsinn“ (Arendt 2020, 296).
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2„Mit Karl Marx ‚Transformation der sozialen Frage in einen politischen Faktor‘ hat Hannah Arendt das Soziale auch als eine politische Sphäre gedacht. Dies wird in Über die Revolution (Arendt, 1974, S. 77) und bei ihrer Diskussion mit Freunden und Kollegen in Toronto (Arendt, 1996, S. 87ff) deutlich. Ihr war bewusst, dass politische Freiheit schon immer die Befreiung der Individuen von Zwang und Not voraussetzt, wie sie 1967 in einem Vortrag, der erst jetzt aus dem Nachlass unter dem Namen Die Freiheit frei zu sein, publiziert worden ist, unterstreicht.“ (Heidlberger 2021)
3Insbesondere die Intersektionalitätsforschung betrachtet Wechselwirkungen zwischen verschiedene Differenzierungsmerkmale und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Arbeitsmarktforschung. Im vorliegenden Beitrag soll jedoch der Fokus auf Ethnizität und Herkunft gelegt werden, indem die Arbeitsmarktintegration von Migrant:innen fokussiert wird. Gleichwohl ist an dieser Stelle anzumerken, dass eine intersektionale Betrachtung, die bspw. Klassen- und Geschlechterverhältnisse als gleichberechtigte als Analysekategorie einbeziehen, weiterführende Erkenntnisse hierzu liefern (Becker-Schmidt 2014; Lenz 2022).
4Zur Kritik an der Parteiendemokratie und den Darlegungen und Interpretationen zum Arendt’schen Verständnis von Republikanismus (Heuer 2006; Heuer, Heiter, und Rosenmüller 2011, 380).
5Zur Kritik des Begriffs des Postmigrantischen (Florino, o.J.; Foroutan 2016, 247f.; Mecheril 2014; Spielhaus 2014)
6Insbesondere wegen Arendt’s „Kritik an der Parteiendemokratie“ (Heuer 2006), entspricht gerade die politische migrantische Selbstorganisation etwa in soziale Bewegungen und anderen Gruppierungen, der eigentlichen Bedeutung des Handlungsbegriffs. Nichts desto weniger ist die Implementierung politscher Forderungen von Minderheitengruppierungen in den Agenden und Policies im Rahmen einer Parteiendemokratie zwingend notwendig. Ein gleichberechtigtes Zuhören und miteinander in den Austausch treten, wie es Arendt dem Handeln zu Grund legt, schein gesamtgesellschaftlich im öffentlichen Raum nicht auszureichen, schaut man sich die rechtspopulistischen und extrem rechten Einstellungen in der Gesellschaft an (Zick, Küpper, und Mokros 2023), welche die Gleichberechtigung und Anerkennung von Migrant:innen und weiterer diverser Personen teilweise grundlegend in Frage stellen.
7An dieser Stelle sei für die folgenden Ausführung angemerkt, dass der soziologische Handlungsbegriff nicht mit der Tätigkeitsbeschreibung des Handelns von Arendt korrespondiert.
8Arendt verweist darauf in Anlehnung an Karl Marx, indem sie schreibt: „Marx hat, […] recht behalten mit seiner kuriosen Voraussage, daß das vergesellschaftete Animal Laborans seinen Überschuß an Freizeit [durch die Erleichterung der Arbeit], also seine teilweise Befreiung von Arbeit, nicht dazu benutzten würde, sich der Freiheit der Welt zuzuwenden, sondern seine Zeit im Wesentlichen mit den privaten und weltunbezogenen Liebhabereien vertun werde, die wir Hobby nennen“ (Arendt 2020, 157).
9Im Rahmen sozialstruktureller Fragestellungen ist die Frage nach der Aktualität des vergleichsweise starren Klassenbegriffs durchaus kritisch zu hinterfragen. Alternativen wie Schichtmodelle, aber insbesondere Milieustudien zeigen, dass sich Auf- und Abstiegsprozesse sozialer Mobilität vielmehr an gemeinschaftlich geteilten Lebensstil von Personen erklären lassen, denn an Klassenzugehörigkeit.
10Der Mangel an (qualifizierter) Arbeitskraft generell steigert somit den Wert von Arbeitenden und bringt sie in eine interessante Verhandlungsposition gegenüber Arbeitgebenden; eine Veränderung, die sich u.a. durch niedrige Geburtenraten der letzten Jahrzehnte, Pensionierung- und Rentenwellen der sogenannten Baby-Boomer-Generationen sowie generellen Fachkräftemangel in Deutschland bereits seit Jahren anbahnte.
11Zwischen den 1950er und 1970er Jahre kamen über 9 Millionen Menschen nach Deutschland; davon sind weniger als die Hälfte (vier Millionen Menschen) in Deutschland geblieben (Schirilla 2023, 14). Insbesondere türkische Gastarbeitenden holten aufgrund der politischen Situation der 1970er und 1980er Jahre in der Türkei ihre Familien nach (Luft 2014).
12Die Datengrundlage bezieht sich auf Auswertungen des Mikrozensus 2019 (ca. 810.000 befragte Personen) sowie dem Integrationsbarometer des Sachverständigenrates für Integration und Migration (SVR) aus den Jahren 2018 und 2020 (ca. 9.000 befragte Personen, davon 1.438 (Spät)Aussiedler:innen). (Friedrichs & Graf, 2022, S. 8)
13Die Forschenden greifen in ihrer repräsentativen Studie auf eine „Befragung von ca. 8 000 Geflüchteten“ zurück, „die zwischen 2013 und 2016 Asyl in Deutschland gesucht haben“ (Sardoschau & Jaschke, 2023, S. 8).
14„Als Person mit Einwanderungsgeschichte wird bezeichnet, wer seit dem Jahr 1950 selbst nach Deutschland eingewandert ist oder wessen beide Elternteile seit dem Jahr 1950 eingewandert sind“ (Statistisches Bundesamt 2024c)
15„Fachkräfte im Sinne des Gesetzes sind Personen mit einem Hochschulabschluss oder einer qualifizierten mindestens zweijährigen Berufsausbildung. Wurde der Ausbildungsabschluss im Ausland erworben, muss eine Anerkennung der in Deutschland zuständigen Stelle vorliegen. Ein ausländischer Hochschulabschluss muss mit dem deutschen vergleichbar sein“ (Bundesministerium des Innern und für Heimat 2024)
16Asylbewerbende sind Personen, die eine Anerkennung als politisch Verfolgte oder als Geflüchtete beantragt haben und deren Antragsprüfungsverfahren noch laufen. Der Begriff Asylbewerbende ist reichlich irreführend, da Asyl in Deutschland ein Grundrecht darstellt. Der Begriff Asylbewerber:in wird daher nur verwendet, wenn die entsprechenden politischen oder rechtlichen Quellen diesen verwenden. Ansonsten wird von Asylsuchenden geschrieben.
17„Der Mikrozensus ist die größte jährliche Haushaltsbefragung […] in Deutschland. […]Es werden mit rund 810.000 Personen in etwa 370.000 privaten Haushalten und Gemeinschaftsunterkünften rund 1 % der Bevölkerung in Deutschland zu ihren Arbeits- und Lebensbedingungen befragt“ (Statistisches Bundesamt 2024d)
18Das Zeitalter dieser frühen griechischen Demokratie wird auf das sechsten bis vierten Jahrhundert vor Christus (Vorländer 2017) datiert.
19In Anlehnung an das subjektive Nutzenmaximierungsmodell (Brown 1994, 444) können unterschiedliche Kriterien bei der Berufswahl eine Rolle spielen, so z.B. das Einkommen, die Arbeitsplatzsicherheit und mögliche Freizeitmöglichkeiten neben dem Job. Die Berufswahl ist prinzipiell als mehrdimensionaler Prozess (Rübner und Höft 2019) zu beschreiben, der individuell unterschiedlich ausfallen kann. Vor dem hier skizzierten Hintergrund ist jedoch entscheidend, ob man eine Wahl treffen darf, oder ob man aufgrund mangelnder Alternativen gezwungen ist, eine Tätigkeit anzunehmen, für die man sich unter besseren Umständen nicht entschieden hätte.