Ausgabe 1, Band 12 – Dezember 2022
Der Kosmos der Barbaren
Kosmopolitische Notizen zu Arendts Kritik der Menschenrechte und ihrer Diagnose der Neuzeit
Eric Eggert
Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Universität zu Köln), promoviert zur „Politik der Lebens-Form“ in Giorgio Agambens Denken (Bergische Universität Wuppertal)
„Es ist, als ob eine globale, durchgängig verwebte zivilisatorische Welt Barbaren aus sich selbst heraus produzierte, indem sie in einem inneren Zersetzungsprozeß ungezählte Millionen von Menschen in Lebensumstände stößt, die essentiell die gleichen sind wie die wilder Volksstämme oder außerhalb aller Zivilisation lebender Barbaren.“1
Mit diesem Satz
schließt Hannah Arendt ihre Betrachtungen zur Aporie der
Menschenrechte unter der Kapitelüberschrift Der Niedergang
des Nationalstaats und das Ende der Menschenrechte in ihrem Werk
Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, welches 1951
zuerst in englischer Sprache erschienen ist. Arendt zeigt darin die
Verknüpfung zwischen der Idee der Menschenrechte und der Idee des
Nationalstaats auf; vor allem aber macht sie deutlich, dass die
Produktion von Staatenlosen gerade ein Effekt souveräner
Nationalstaaten ist.2
An dieser Situation hat sich bis zum heutigen Tag nichts
geändert. Die »Verwebung«, von der Arendt im Eingangszitat
spricht, hat mit dem World Wide Web zweifelsfrei ein neues Stadium
erreicht. Auch die Menschen sind in Bewegung verwebt. Der World
Migration Report 2022 verzeichnet für das Jahr 2020 weltweit 281
Millionen Migrant:innen – das entspricht immerhin 3,6 Prozent der
Weltbevölkerung.3
Donatella Di Cesare bemerkt im Hinblick auf Zahlen solcher
Größenordnung, dass man regelrecht von einem „Kontinent der
Migranten“4
sprechen könnte.
Zugleich hat auch die Produktion von
»Barbaren« Konjunktur: der gleiche Bericht zählt im Jahr 2020
zusätzlich 89,4 Millionen Menschen, die sich auf der Flucht
befinden.5
Darunter rechnet das UNHCR mindestens 4,2 Millionen Staatenlose.6
Allein die Situation in den europäischen Lagern, illegale Pushbacks
und Gewalt gegen Geflüchtete lassen erahnen, in welche
Lebensumstände diese Menschen tagtäglich gestoßen werden. Wir sind
in einer Situation, in der mehr denn je Bilder zirkulieren, die
sowohl von der »zivilisatorischen Welt« als auch der »Welt der
Barbaren« berichten, und in der ein Austausch zwischen den Welten
und den Menschen ohne Zeitverzögerung möglich ist. Es ist dasselbe
Meer, das Luxusyachten und Schlauchboote trägt; es können sogar
beide Welten an einem Ort gleichzeitig anwesend sein (besonders
zynisch an »Urlaubsorten«) – und es steht zu befürchten, dass
sich die Linie zwischen »Zivilisation« und »Barbaren« durch eine
einzelne Existenz ziehen kann. Sicherlich ist es unmöglich,
überhaupt noch trennscharf zwischen Flucht und Migration zu
unterscheiden – die »Ursachen« sind miteinander verwoben; und die
Frage der Bewegungsform ist eher eine Frage von Privilegien,
Rassismus, Gender oder Klasse. Umso mehr muss man das Staunen
unterstreichen, das sich dem vorangestellten Zitat entnehmen lässt.
Wie kann eine so stark vernetzte Welt solche Widersprüche aushalten?
Was bedeutet es, dass dieses System aus sich selbst heraus
»Barbaren« produziert?
Das ist der Ausgangspunkt, um im
Folgenden über Kosmopolitismus zu sprechen – insofern das
Versprechen universeller Menschenrechte zum zentralen
kosmopolitischen Vokabular gerechnet werden darf.7
Denn zu glauben, man könne im Sinne eines »kosmopolitischen
Denkens« die Zustände der »zivilisierten Welt« universalisieren –
sei es unter dem Banner der Vernunft oder des Marktes – würde
bedeuten, die inhärenten Widersprüche der Gegenwart zu ignorieren.
Die Gefahr liegt auf der Hand, insofern dem Begriff Kosmos an
sich eine transzendierende Geste zugeschrieben werden muss; und
daraus resultiert mitunter die Idee, ein spezifisches Verhältnis
zwischen Kosmos und Polis, also zwischen Welterfahrung und dem
Politischen, so zu universalisieren, dass damit möglichst alle
Menschen mitgemeint sind. Damit geht allerdings, wie Seyla Benhabib
an Kant adressiert, immer auch das Problem einer unkontrollierten
souveränen Macht einher.8
Hannah
Arendt jedenfalls hat dem Kosmopolitismus wenig Chancen eingeräumt
(„Denn die alte humanistische Vorstellung von einem Weltbürgertum
ist eine Utopie; niemand wird je Bürger der Welt sein können, wie
er Bürger des eigenen, begrenzten Landes war.“9);
und ebenso schlecht ist es für sie um die Menschenrechte bestellt
(„Die Menschenrechte haben immer das Unglück gehabt, von politisch
bedeutungslosen Individuen oder Vereinen repräsentiert zu werden,
deren sentimental humanitäre Sprache sich oft nur um ein geringes
von den Broschüren der Tierschutzvereine unterscheidet.“10).
Der „innere Zersetzungsprozess“, von dem im Eingangszitat die
Rede ist, und die damit gemeinte Krise des Nationalstaats, ist immer
noch im Gang – wenn der Nationalstaat nicht sogar funktional eine
perpetuierte Krise darstellt. Im Folgenden soll es darum gehen, die
Position des »Außen« und die darin angelegten Potentiale in den
Blick zu nehmen. Es handelt sich um einen Versuch, aus der
Perspektive der »Barbaren« heraus etwas über den Kosmos zu sagen,
ohne in die sentimentale Sprache von Tierschutzvereinen
zurückzufallen. Genauer gesagt soll die Standortlosigkeit –
„außerhalb aller Zivilisationen“ –, in die die »Barbaren«
gestoßen werden, als Ausgangspunkt eines kosmopolitischen Denkens
ausgelotet werden. Es geht – mit Walter Benjamin gedacht – darum,
durch die Katastrophe hindurch zu denken, ohne aber die prekäre
Situation von Geflüchteten zu »ästhetisieren« oder anderweitig
vom Schreibtisch aus zu nobilitieren.
Topographie
Ein Denken, dass
das Außen stark macht, läuft Gefahr, eine Figur zu
universalisieren, die es auf sich selbst anwendet. Man denke
beispielsweise an „die aristotelische Definition des bios
theoretikos als bios xenikos, als Leben des Fremden“11,
auf die Arendt hinweist. Auch die Entstehung des kosmopolitischen
Denkens führt Arendt auf diese Eigenheit des Philosophierens zurück:
„Das denkende Ich, das sich unter Universalien, unter unsichtbaren
Essentien bewegt, ist, streng genommen, nirgends; es ist heimatlos in
einem ganz nachdrücklichen Sinne – was die frühe Entstehung eines
kosmopolitischen Geistes bei den Philosophen erklären könnte.“12
Gerade Aristoteles habe, so Arendt, die Heimatlosigkeit des Denkens
zum großen Vorzug der philosophischen Lebensweise selbst erklärt –
und Athen verlassen, als gegen ihn ein Verfahren eingeleitet wurde.13
Insofern das Denken als eine „außer der Ordnung stehend […]
Tätigkeit“14
verstanden wird, liegt es nahe, dass eben dieses Denken sich mit
einem Denken des Außen der Ordnung solidarisch zeigt.
Es ist allerdings keinesfalls so, dass die Philosophie immer
schon aus der Position dieses Außen spricht. Die Perspektive der
»Barbaren« und des »Außen« einzunehmen bedeutet daher zunächst,
nicht vom Staat aus zu denken. Es bedeutet weiterhin, den »Barbaren«
keine Passivität zu unterstellen, sondern das „Privileg der
Marginalität“15
herauszuarbeiten und dem »Außen« ein »emanzipatives« Potential
zuzuschreiben. Hannah Arendt scheint für so eine Perspektive
prädestiniert: In ihrem Text We refugees prägte sie bereits
1943 das Bild von den Geflüchteten als „Avantgarde ihrer Völker“16.
Jahre später arbeitete Arendt heraus, inwiefern in der Figur der
Paria „eine für die moderne Menschheit sehr bedeutsame neue Idee
vom Menschen“17
enthalten ist.
Die Figur von den Geflüchteten als »Avantgarde
ihrer Völker« wurde von einigen Autor:innen aufgenommen und
zugespitzt. In der kritischen Weiterführung von Arendts Denken hat
vor allem Giorgio Agamben die zentrale Rolle der Figur der
Geflüchteten herausgestellt. Agambens Perspektive wird im Folgenden
einen Ausgangspunkt zur Interpretation bilden, genauso wie Argumente
Arendts als mögliche Erweiterung der agambianischen Perspektive
markiert werden. Im Anschluss an We refugees und der in
Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft angelegten
fundamentalen Kritik am Nationalstaat argumentiert Agamben dafür,
dass die Figur der Geflüchteten als Paradigma des 21. Jahrhunderts
gedacht werden muss.18
Sein Beitrag Jenseits der Menschenrechte schließt mit einem
doppelten Bild einer Deterritorialisierung: „Nur in einer Welt, wo
die Räume der Staaten in dieser Weise durchlöchert sind und wo der
Bürger gelernt haben wird, den Flüchtling zu erkennen, der er
selbst ist, ist heute das politische Überleben der Menschen
denkbar.“19
Die Figur der Geflüchteten muss laut Agamben als Ausgangspunkt eines
neuen Denkens des Politischen genommen werden. Genauer ist „der
Flüchtling vielleicht die in unserer Zeit einzig denkbare Figur des
Volkes“20.
Darin besteht eine radikale Aufnahme der Formel Arendts, die
Geflüchteten seien die Avantgarde ihrer Völker.
Daniel Loick
fügt dem noch die Perspektive hinzu, im Anschluss an Arendt
„realexistierende diasporische Praktiken als Wissensressourcen zu
konsultieren“21,
um so nach konkreten „Formen der politischen Selbstbestimmung
jenseits des Nationalstaats“22
zu fragen. Ein positives Verständnis des Außen muss daher auch
„Praktiken diasporischer Gemeinschaften […, E. E.], die uns
Auskunft über Möglichkeiten und Formen einer aterritorialen
Kohabitation und mobile Formen von Bürgerschaft (citizenship)“23
in den Blick nehmen, wie Loick vorschlägt. Durch die Analyse
migrantischer Praktiken sucht er nach „post-territorialen
Lebensweisen“24.
Diese Überlegungen unterlegt Loick mit der prägnanten Formulierung,
es sei „[…] der Zustand der Staatenlosigkeit, nicht der
Staatsbürgerschaft, den es zu universalisieren gilt.“25
Auch Franscesca Raimondi betont in ihrer Arbeit über Arendt unter
dem Titel Prekäre Politik: Hannah Arendt zur Flüchtlingsfrage
die Notwendigkeit nach einem „anderen (auch körperlichen) Einsatz
und die Suche nach Formen der Politik und Allianzen jenseits der
etablierten Bahnen und Möglichkeiten.“26
Dabei arbeitet sie eine revolutionäre „Politik von Flüchtlingen“27
im Anschluss an Arendt heraus. Fragilität und Verletzlichkeit dieses
Ausgangspunktes werden von Raimondi klar benannt, ebenso wie das
revolutionäre Potential:
In dieser prekären Lage Politik zu
machen und Partizipation zu verwirklichen, also eine Politik ohne
Recht und ohne etablierte politische Subjektivität, ist
»entsetzlich« (Santner), aber auch radikal. Denn die Politik von
Flüchtlingen hat gleichsam schon strukturell einen
revolutionären, umwälzenden Charakter.28
Nicht zuletzt hat
Donatella Di Cesare jüngst mit Philosophie der Migration
einen deutlichen Appell vorgelegt, Philosophie und Politik aus der
Perspektive der Migrant:innen zu denken. Auch sie hebt – im
Anschluss an Arendt – auf die „Unversöhnlichkeit von
Menschenrechten und staatlicher Souveränität“29
ab. Dabei wird die staatliche Souveränität für sie zum
Haupthindernis, um zu einem neuen Begriff von Migration zu gelangen.30
Dementsprechend stellt ihr Begriff der Migration einen Gegenbegriff
zur Souveränität dar:
Eine Philosophie, die von der
Migration ihren Ausgang nimmt und die Aufnahme zu ihrem eröffnenden
Thema wählt, macht das der arché – dem die Souveränität
begründenden Prinzip – entzogene Migrieren zu ihrem Antrieb und
den Migranten zum Protagonisten einer erneuerten an-archischen
Szene.31
Jenseits des Rechts
Das Prinzip der
archè, das Di Cesare hier anführt, entspricht, mit Agamben gedacht,
nicht nur der Souveränität, sondern lässt sich als „Dialektik
des Grundes“, als grundlegende Bewegungsfigur der Metaphysik lesen:
„Etwas wird zerteilt, ausgeschlossen und auf den Grund gestoßen,
doch gerade durch diesen Ausschluss bleibt es als archè und
Fundament eingeschlossen.“32
Das prominenteste Beispiel für diese Struktur innerhalb von Agambens
Theorie ist der einschließende Ausschluss des nackten Lebens. Der
politische Raum begründet sich demnach durch die Aus- und
Einschließung eines »unpolitischen« Lebens; Politik ist also
konstitutiv auf die Produktion eines unpolitischen, ausgeschlossenen
Lebens angewiesen.33
Das raumtheoretische Äquivalent dazu ist für
Agamben das Lager; das strukturell-politische Element der
Ausnahmezustand und die Souveränität. Es gibt jeweils ein Außen,
das nicht nur hergestellt wird, sondern dass eine konstituierende
Funktion hat. Besonders ist dabei, dass dieses Außen durch eine
Entzugsfigur eingeschlossen wird – das unpolitische Leben ist von
der Politik ausgeschlossen, aber genau darin Adressat der Politik.
Der Ausnahmezustand ist außerhalb des Rechts, aber gerade darin
konstitutiv für das Recht. Hannah Arendt skizziert eine Szene, die
ebenfalls mit dieser Grundfigur resoniert:
Der gleiche
Mann, der gestern noch im Gefängnis saß, nur weil er überhaupt auf
der Welt war, der vollkommen rechtlos war, dauernd vor der
Deportation zitterte oder vor dem Internierungslager, ist plötzlich
im Genuß aller bürgerlichen Rechte, nur weil er sich endlich
wirklich etwas hat zuschulden kommen lassen.34
Die Staatenlosen
bleiben nicht nur vom Recht ausgeschlossen – es ist ihnen sogar
unmöglich, überhaupt schuldig zu werden. Das Jahrtausende alte
Asylrecht setzte immerhin voraus, dass die Geflüchteten in ihrem
»Heimatland« eine »Straftat« begangen hatten. Diese
Grundbedingung war spätestens mit dem Erscheinen der Staatenlosen,
so Arendt, obsolet.35
Hier ist nicht der Ort, um über das Verhältnis
von Schuld und Recht zu sprechen. Der wesentliche Punkt ist: Menschen
werden über Jahre in Lagern festgehalten, ohne Anklage, ohne
»Verbrechen« – verlassen vom Recht. Es genügt zu bemerken, dass
Arendt eine eigentümliche Abwesenheit des Rechts beschreibt, die
viel grausamer ist als die Anwendung des Rechts selbst. Das
entspricht der Struktur des Ausnahmezustands, die Agamben in
Auseinandersetzung mit Derrida herausgearbeitet hat:
Der
Ausnahmezustand ist in diesem Sinne die Eröffnung eines Raums, in
dem Anwendung und Norm ihre Getrenntheit zur Schau stellen und worin
reine Gesetzeskraft eine Norm umsetzt (sprich: sie anwendet, indem
sie sie nicht anwendet), deren Anwendung suspendiert worden ist.36
Vom Recht verlassen
zu sein bedeutet keineswegs, außerhalb des Rechts zu stehen. Im
Gegenteil: „Die originäre Beziehung des Gesetzes mit dem Leben ist
nicht die Anwesenheit, sondern die Verlassenheit.“37
Für Agamben bildet die Ausnahme die Struktur der Souveränität, und
die Souveränität selbst ist „die originäre Struktur, in der
sich das Gesetz auf das Leben bezieht und es durch die eigene
Aufhebung einschließt.“38
In einer Umkehrung von Arendts These, die Konzentrationslager seien
Laboratorien für die totale Herrschaft, behauptet Agamben deshalb,
„daß es gerade die radikale Transformation der Politik in einen
Raum des nackten Lebens (das heißt in ein Lager) ist, welche die
totale Herrschaft legitimiert und notwendig gemacht hat.“39
Dementsprechend stellen die Menschenrechte für Agamben „die
originäre Figur der Einschreibung des natürlichen Lebens in die
juridisch-politische Ordnung des Nationalstaats dar.“40
In
diesem Sinn sind die Lager an den europäischen Grenzen keine
vermeidbare Tragödie, sondern ein struktureller Effekt der
herrschenden Politik (Agamben spricht vom „biopolitischen Paradigma
der Moderne“41).
Die Verschmelzung von
Volkssouveränität und Menschenrechten42
führte, wie Arendt bereits bemerkt, nicht dazu, dass alle Menschen
einem Rechtskörper angehören, sondern dass einige Menschen jenseits
des Rechts »geschleudert« wurden. Und dort – jenseits des Rechts
– sind die Geflüchteten auch nicht mehr zur Schuld fähig: „Der
moderne Flüchtling ist das, was ein Flüchtling seinem Wesen nach
niemals sein darf: er ist unschuldig selbst im Sinne der ihn
verfolgenden Mächte.“43
Das führt kurioserweise dazu, dass gerade ein Rechtsbruch das Recht
zwingt, den eigenen Bann der Abwesenheit zu lösen.
Mit
dem Aufkommen der Staatenlosen ging zugleich, wie Arendt
herausstellt, ein ungeahnter Machtzuwachs der Institution Polizei
einher: „In Westeuropa
war dies das erste Mal, daß der Polizei gestattet wurde, selbst die
Bestimmungen zu erlassen, nach denen sie sich zu richten gedachte.“44
Damit etablierte sich eine Sphäre der Gewalt jenseits des Gesetzes,
und: „In dem Maße, wie der Staatenlose selbst außerhalb des
Gesetzes steht, zwingt er auch jede Regierung, die es mit ihm zu tun
bekommt, die Sphäre des Gesetzes zu verlassen.“ Die Agentur
Frontex wird nicht müde, dieses Argument in regelmäßigen Abständen
zu verifizieren. Entsprechend der hier vorgestellten Struktur ist
Frontex dabei keine Ausnahme, kein »Versagen« des Rechtsapparats,
sondern verweist auf den anomischen Kern des Rechts selbst.
Im
Zuge der Etablierung des Nationalstaats und der bürgerlichen
Gesellschaft entstand eine spezifische Idee von Ordnung und
Sicherheit. Bereits Marx hatte auf die verhängnisvolle Beziehung
zwischen „bürgerlicher Gesellschaft“, Menschenrechten und
Polizei hingewiesen – und vor allem darauf, dass „[d]ie
Sicherheit der höchste soziale Begriff der Bürgerlichen
Gesellschaft“ 45
darstellt. Die noch immer aktuelle Verbindung von
»Sicherheitspolitik« und Migration ist keine ungünstige
historische Konstellation, sondern liegt in der Sache selbst
begründet. Dementsprechend spricht sich Arendt auch gegen das
Gelingen aus, trotz eines systemimmanenten Problems die »Symptome«
so gut es geht abzumildern:
Diese
anscheinend humanitären Anstrengungen, wenigstens auf dem Papier
jedem Menschen so viel Rechte wie nur möglich zuzusprechen,
diskreditieren nicht nur die Idee der Menschenrechte als eine
Utopie; sie sind selbst nur eines der vielen Symptome für die sich
überall durchsetzende Tendenz, die wirkliche Situation der
Staatenlosigkeit, die Unmöglichkeit, ihnen die Menschenrechte
innerhalb des Systems souveräner Nationalstaaten zu sichern, zu
ignorieren.46
Jenseits der Nation
Die Verwebung der
Idee der Menschrechte und der Idee der Nation rekonstruiert Arendt
entlang ihrer historischen Genese. Die Proklamierung der
Menschenrechte im späten 18. Jahrhundert markiert demnach den Beginn
der politischen Neuzeit.47
Deren Signatur versteht Arendt im Übergang von der Geschichte zur
Natur.48
Die Emanzipation des Menschen von der Geschichte bedeutete zunächst
den Verlust von den „Privilegien, welche die Geschichte gewissen
Schichten der Gesellschaft zugespielt hatte.“49
Arendt spricht – im Hinblick auf die Flukturierung der
Klassengesellschaft und die Säkularisierung der Welt – von einem
„Verlust der gesellschaftlichen und geistigen Heimat.“50
Somit lassen sich die Entstehung von Nationalstaat und
Menschenrechten selbst als Reaktion auf eine Heimatlosigkeit
verstehen. Die Entstehung des Nationalstaats ist Zeichen einer
historischen Zäsur, wenngleich die historischen Vorbedingungen noch
in ihn eingeschrieben sind – beispielsweise in der Beziehung
zwischen den imperialistischen Verwaltungsbeamten und der
Beamtenschaft des Nationalstaats seit dem 17. Jahrhundert, von der
Arendt schreibt „daß ohne eine solche Beamtenschaft das Entstehen
bürokratischen Herrschaft wohl schlechterdings nicht möglich
gewesen wäre.“51
Diese bürokratische Herrschaft hat im Totalitarismus ihr
despotisches Erbe vollends aufblühen lassen und „politische
Spontaneität“ in „totale Sterilität“ verwandelt.52
An
die Stelle der Geschichte trat also laut Arendt die Natur, was vor
allem bedeutete, dass historische Rechte von natürlichen Rechten
abgelöst wurden.53
Die Garantien, die die Geschichte geschaffen hatte, mussten nun von
einem politischen Körper übernommen werden.
54
Dieser Körper war die Nation, die allerdings noch »hergestellt«
werden musste. Agamben beschreibt diese historische Konstellation
als „Übergang von der königlichen Souveränität göttlichen
Ursprungs zur nationalen Souveränität.“55
Am Ende einer Reihe von Minderheitenverträgen, Repatriierungen und
Denaturalisierungen hatte „die Nation den Staat erobert“, wie
Arendt schreibt.56
Das ist der Kern der Katastrophe. Denn die Nation war von Anfang an
eine Fiktion, durch die, wie Agamben im Anschluss an Arendt
herausstellt, „die originäre Einschreibung des natürlichen Lebens
in die juridisch-politische Ordnung des Nationalstaates“57
vollzogen wurde. Die Integration von Volk und Territorium ist das
Ergebnis der gewaltsamen Auflösung einer verschränkten
Territorialität und Zugehörigkeit. Damit wurde ein gewaltförmig
organisiertes Außen geschaffen:
Was
sich herausstellte, war, daß das Menschengeschlecht, das man sich so
lange unter dem Bilde einer Familie von Nationen vorgestellt hatte,
dieses Stadium wirklich erreicht hatte – mit dem Resultat, daß
jeder, der aus einer dieser geschlossenen politischen Gemeinschaften
ausgeschlossen wurde, sich aus der gesamten Familie der Nationen und
damit aus der Menschheit selbst ausgeschlossen fand.58
Die Zugehörigkeit zum Volk wiederum verbriefte sich in der Staatsbürgerschaft. So blieben die Menschenrechte, insofern prinzipiell jede:r Bürger:in irgendeines Staates war, konzeptionell an das Problem der Volkssouveränität gebunden.59 Mit dem Verlust der Staatsbürgerschaft geht daher umgekehrt auch der Ausschluss aus der Menschheit einher, und
[w]en immer die Ereignisse aus der alten Dreieinigkeit von Volk-Territorium-Staat, auf der die Nation geruht hatte, herausgeschlagen hatten, blieb heimat- und staatenlos; wer immer einmal die Rechte, die in der Staatsbürgerschaft garantiert waren, verloren hatte, blieb rechtlos.60
Verstärkt
wurde dieser Effekt durch eine doppelte Fiktion. Zum
einen meinten die Menschenrechte nie den »konkreten« Menschen in
seiner Situation, sondern einen abstrakten Menschen »als solchen«:
„Die Paradoxie, die von Anfang an in dem Begriff der
unveräußerbaren Menschenrechte lag, war, daß dieses Recht mit
einem »Menschen überhaupt« rechnete, den es nirgends gab […].“61
Diese Figur erwies sich aber nicht gerade als Vorteil:
Sobald
alle anderen gesellschaftlichen und politischen Qualitäten verloren
waren, entsprang dem bloßen Menschsein keinerlei Recht mehr. Vor
der abstrakten Nacktheit des Menschseins hat die Welt keinerlei
Ehrfurcht empfunden: die Menschenwürde war offenbar durch das bloße
Auch-ein-Mensch-sein nicht zu realisieren.62
Der
Mensch-an-sich ist nicht die »natürliche Grundlage«, auf der sich
die »Zivilisation« aufbaut; vielmehr ist es der »abstrakte
Mensch«, der durch die »nationalstaatliche Lebensform« produziert
wird und als deren ontologisches Fundament hergestellt wurde.
Entsprechend der hier skizzierten Struktur lässt sich die Produktion
der „abstrakten Nacktheit des Menschseins“ als Tätigkeit des
Nationalstaats verstehen, die in die Menschenrechte bereits
eingeschrieben ist. Allerding ist der Mensch-an-sich in dieser
Abstraktheit zunächst weltlos: „Er ist gleichzeitig der Mensch und
das Individuum überhaupt, das allerallgemeinste und das
allerspeziellste, das beides gleichermaßen abstrakt ist, weil es
gleichermaßen weltlos bleibt.“63
Die Weltlosigkeit bezieht sich nicht nur auf den konstruierten
Menschen-an-sich, der im Narrativ der Menschenrechte durchaus als
»äußerstes« Adressat »allgemeiner« Rechte – und arché –
gesetzt wird. Er ist auch weltlos für
uns; der Mensch-an-sich findet also
vor allem als Statistik statt.
Gleichzeitig aber bestand
ein Grundproblem der Menschenrechte von Anfang an darin, dass „der
Begriff des Menschen, der den Menschenrechten zugrunde lag, nach dem
Volk und nicht nach dem Individuum“64
gerichtet war. Ironischerweise versuchten die Staatenlosen (und
selbst die Insassen der Konzentrations- und Internierungslager), wie
Arendt schreibt, dennoch einen Bezug zu einer »Nation«
herzustellen. Die Menschenrechte schienen sogar denen, die sie
eigentlich schützen sollten, suspekt – als würden, wie Arendt mit
Burke bemerkt, die Nationen, die die Menschenrechte zur Grundlage
ihrer Verfassungen nehmen, in einen »Naturzustand« zurückfallen.65
Migrierende machen tagtäglich die Erfahrung, dass sie zugleich
innerhalb der öffentlichen Sprachform als Subjekt der Menschenrechte
adressiert, aber mit Praktiken jenseits des Rechts konfrontiert
werden.
In diesem Sinn lassen sich Nationalstaaten auch
historisch als Verursacher von Staatenlosigkeit verstehen.66
Das Volk ist eine Fiktion der Homogenität, die von einer
„nationalstaatlichen Lebensform“67
bevölkert wird, wie Arendt schreibt. Agamben beschreibt das Volk
treffend als „das, was immer schon ist und sich trotzdem
realisieren muss; es ist der reine Ursprung jeder Identität und muss
sich doch fortwährend neu definieren und reinigen: durch die
Ausschließung, die Sprache, das Blut, das Territorium.“68
Die nationalstaatliche Lebensform erzeugt durch diese »Reinigung«
ein „Niemandsland“69,
auf das sie auch strukturell angewiesen ist.70
Die Frage ist deshalb: Wie können wir uns in diesem Niemandsland
einrichten? Wie können wir wirklich ein »Niemand« werden? Dabei
ist das Niemandsland eigentlich die Gesellschaft, nicht das Außen,
wie man mit Kafkas Beschreibung eines Kampfes auch sagen
könnte:
Die Gesellschaft besteht aus »lauter Niemand«: »Ich
habe niemand etwas böses getan, niemand hat mir etwas böses
getan, niemand aber will mir helfen, lauter Niemand.« Derjenige
aber, der wie der Paria aus der Gesellschaft herauskomplimentiert
wird, kann trotz dieser Einsicht nicht von Glück sagen; denn die
Gesellschaft prätendiert, daß sie »wirklich wäre« und will ihn
»glauben machen, daß er unwirklich ist«, ein Niemand.71
Insofern man die
Grundidee der Menschenrechte – also vielleicht ein Mindestmaß an
Responsivität, mit der man der Existenz der Anderen begegnet –
»retten« möchte, muss die Frage nach dem Verhältnis zwischen
Abstraktion (Mensch als solcher, Mensch als Teil einer Nation) und
den Menschenrechten gestellt werden. Anders gefragt: Welcher Begriff
des Menschen ist überhaupt notwendig, damit so etwas wie
Menschenrechte – auch jenseits des Rechts verstanden – möglich
sind?
Die Geflüchteten stürzen, wie Agamben mit Arendt
formuliert, die Ursprungsfiktion der Souveränität in eine Krise,
„indem er [der Geflüchtete] die Identität zwischen Mensch und
Bürger, zwischen Geburt und Nationalität bricht“72.
Die Geflüchteten markieren die Krise der Begriffe Volk, Territorium
und Staat.73
Diese Krise gilt es zu universalisieren, um nach neuen
Konstellationen zwischen Leben und Politik zu suchen.
Der
Rückzug auf die Staatsbürgerschaft, um ein Minimum an Rechten zu
garantieren, verkennt deren innere Widersprüche. Die Krise ist in
das strukturelle Verhältnis von Nationalstaat und Menschenrechten
eingeschrieben.74
Deshalb lassen sich die Menschenrechte der Sache nach nur außerhalb
nationalstaatlicher Strukturen verwirklichen. Loick interpretiert
Arendts berühmte Formulierung vom »Recht, Rechte zu haben« in
dieser Perspektive: „Das Recht auf Rechte ist kein Recht auf
Mitgliedschaft in einem traditionellen Nationalstaat, sondern im
Gegenteil ein Recht auf Teilhabe in einer nichtstaatlichen
politischen Gemeinschaft.“75
Jenseits der Welt
Nationalstaat und
Recht erscheinen in dieser kurzen Skizze des Problems der
Menschenrechte als konstitutive Elemente einer Herstellung des Außen.
Es liegt daher Nahe, jenseits von Staat und Recht nach einem Raum zu
suchen, in dem so etwas wie Kosmopolitismus und Menschenrechte eine
hoffnungsvollere Existenz erwartet. Dieser Raum – als Standort in
der Welt – gewinnt dort Kontur, wo Arendt ein noch viel tiefer
gehendes Problem der Menschenrechte verortet:
Der Verlust der
Menschenrechte findet nicht dann statt, wenn dieses oder jenes
Recht, das gewöhnlich unter die Menschenrechte gezählt wird,
verlorengeht, sondern nur wenn der Mensch den Standort in der Welt
verliert, durch den allein er überhaupt Rechte haben kann und der
die Bedingung dafür bildet, daß seine Meinungen Gewicht haben und
seine Handlungen von Belang sind.76
Der Verlust des
»Standortes in der Welt« bedeutet für die Staatenlosen und
Deportierten zunächst den Ausschluss aus der »zivilisierten« Welt,
d.h. einer in der Natur eingerichteten und gemeinsamen geschaffenen
Welt, in der es möglich ist, Spuren zu hinterlassen.77
Eingeleitet wird dieser Ausschluss durch einen „Verlust der
Relevanz und damit der Realität des Gesprochenen“ und damit einem
„Verlust der Sprache“78.
Damit geht die »Welt als Bühne«79
verloren: Das Erscheinen-können wird aufgegeben, die Geflüchteten
und Ausgestoßen können maximal »stattfinden« in den Medien. Aber
sie sind unfähig, Geschichten zu erzählen. Wer
hier Donna Haraways Buch Unruhig
bleiben mitdenkt – und die darin
zentrale Figur des Geschichte Erzählens, der Konstruktion und
Beschwörung von Geschichten und Gefährt:innen, versteht, dass die
Fähigkeit zur „Sympoiesis“ – zum Mit-Sein, Mit-Machen,
Mit-Werden – auf dem Spiel steht.80
Die Unterscheidung zwischen Natur und Zivilisation ist
sicherlich problematisch. Sie macht eine Trennung auf zwischen
materiellen Grundbedingungen und einer Sphäre menschlicher Praxis
(Handeln), in der sich »Politik« ereignet; zwischen einem
„Naturzustand“ jenseits der Sphäre gemeinsamen Handelns (wo man
keine Spuren hinterlassen kann, wo sich also keine Geschichte
ereignet) und einer „Beziehungsgewebe menschlicher
Angelegenheiten“. In dieser Hinsicht ist der Begriff der »Barbaren«
hochgradig kontaminiert. Wenn er weiter verwendet werden kann, dann
nur unter der Bedingung, ihn selbst zur Spur und zur Geschichte zu
machen. Der abstrakte Naturzustand und der unpolitische Körper sind
Effekte einer weltfeindlichen Politik; sie müssen in neue
Beziehungsgefüge eingewoben werden.
Mit dem Verlust der Sprache
und Relevanz als politisches Instrument geht für Arendt ein „Verlust
der öffentlich gesicherten Gemeinschaft überhaupt, der Fähigkeit
zum Politischen“81
einher. Der Verlust der Sprache ist keine abstrakte Idee, sondern,
wie Arendt in We refugees schreibt, verbunden mit dem Verlust
der „naturalness of reactions, the simplicity of gestures, the
unaffected expressions of feelings“.82
Diese leibliche Dimension ist
bemerkenswert. Aus dem Verlust
der Sprache, der Gesten, der Relevanz des Gesagten, so formuliert
Arendt drastisch, folgt eine „Ausstoßung aus der Menschheit
überhaupt.“83
Diese Ausstoßung – und darin liegt eine dramatische These – ist
unmittelbar verbunden mit einer Tötbarkeit: „Erst als ihre
»Überflüssigkeit« oder Standlosigkeit in der gesamten
Menschenwelt als erwiesen gelten konnte, ging man dazu über, sie
auzurotten.“84
Was mit der Standortlosigkeit in der Welt auf
dem Spiel steht, ist also nicht nur der Ausschluss aus dem Raum des
Rechts (und sogar des „Recht auf Leben“85),
der Nation oder des Politischen. Die Tötbarkeit, die in der
Weltlosigkeit aufscheint, erscheint wie ein dunkler und verdrängter
Schatten, der sich in jeder »Zivilisation« versteckt: „Ihre
Unbezogenheit zur Welt, ihre Weltlosigkeit ist wie eine Aufforderung
zum Mord, insofern der Tod von Menschen, die außerhalb aller
weltlichen Bezüge rechtlicher, sozialer und politischer Art stehen,
ohne jede Konsequenzen für die Überlebenden bleibt.“86
Ausgeschlossen aus der Welt der Menschen und damit aus der
Pluralität, entfremdet von ihren Gesten, werden die Geflüchteten
reduziert auf „die abstrakte Nacktheit [ihres, E. E.]
Nichts-als-Menschseins“87.
Das ist der »phänomenologische« Kern der Figur des
Nichts-als-Mensch-seins, die weiter oben unter dem Gesichtspunkt des
Rechts bereits beschrieben und als weltlos markiert worden ist.
Agambens Figur des homo sacer erinnert zweifelsfrei an diese
Formulierung Arendts. Dementsprechend findet sich auch Agambens
Ausarbeitung zu Arendts Kritik der Menschenrechte im dritten
Teil unter dem Titel Das Lager als biopolitisches Paradigma der
Moderne. Umso erstaunlicher ist es, dass Agamben überhaupt nicht
auf die Motive Standortlosigkeit und Weltverlust eingegangen ist,
denn gerade darin zeigt sich zum einen unmittelbar die
»phänomenologische« Dimension des homo sacer, und zum
anderen die Einschreibung von Souveränität in das »Leben«, die
von Agamben zwar benannt, aber nur unzureichend ausgelegt wird.
Die
konkrete Beschreibung dieser Standortlosigkeit trägt einen
historischen Marker, nämlich die konkrete Situation der Geflüchteten
im 20. Jahrhundert, die Arendt vor Augen hatte – und zu denen sie
selbst gehörte. Standortlosigkeit verweist aber auch auf die
generelle Struktur der Welt bei Arendt. Denn Welt ist, so lässt sich
der Vita activa entnehmen, das „Bezugsgewebe menschlicher
Angelegenheiten“88.
Sie ist nicht das Fundament, auf dem die Dinge stehen, sondern
vielmehr das »Zwischen«, in dem sich Handeln und Sprechen bewegen
und in dem die Person (das Wer-einer-ist) erscheint.89
Handeln ist, wie Arendt schreibt, „in Isolierung niemals
möglich“90.
Doch genau das – die Isoliertheit, die Bedeutungslosigkeit, die
Sprachlosigkeit – ist die Situation jenseits eines Standortes in
der Welt. Es ist kein »juristischer« Standpunkt, der dort
verlorengeht. Arendt macht die Standortlosigkeit der Menschen sogar
unabhängig davon „ob sie gerecht oder ungerecht behandelt werden,
in Internierungslagern sitzen oder in Freiheit sich bewegen“91.
Arendts Beschreibung des Verlustes des »Standorts in der Welt«
eröffnet so ein weiteres Außen: Nicht jenseits der Nation oder des
Rechts (also der Menschheit im Denken des Nationalstaats), sondern
ein Außen außerhalb des Bezugsgewebes menschlicher Angelegenheiten.
Wenn Arendt vom viel zitierten „Recht, Rechte zu haben“ schreibt,
dann ist dies für sie „gleichbedeutend damit, in einem
Beziehungsgewebe zu leben, in dem man aufgrund von Handlungen und
Meinungen beurteilt wird“92.
Das „Recht, Rechte zu haben“ ist »Grundrecht«, sondern eine
Beziehungsfigur.
Es ist wichtig, gerade aus dieser Perspektive
das Außen zu mobilisieren und (migrantische) Praktiken aufzunehmen,
die neue Bezugsgewebe menschlicher Angelegenheiten erproben. Jenseits
einer konkreten Analyse dieser Praktiken bietet Arendts Begriff der
Pluralität hier einen Einsatzpunkt. Sophie Loidolt hat
herausgearbeitet, inwiefern sich das Politische bei Arendt nur vor
dem Hintergrund eines phänomenologisch geprägten Denkens der
Pluralität verstehen lässt. Den Ausgangspunkt bildet dabei die
„gemeinsame, welthafte und plurale Vollzugserfahrung des
Miteinander-Handelns, -Sprechens und -Urteilens, in der
Subjekt-/Selbstsein, Welt und Andere sich erst als verschränkte
Knotenpunkte dieses Geschehens herausbilden und sichtbar werden.“93
Dabei werden, so Loidolt, phänomenologische Grundbegriffe wie
Erscheinen, Welt oder Intersubjektivität transformiert und politisch
aufgeladen.94
Loidolt stellt dabei heraus, dass die zentrale Stellung von
Pluralität und gemeinsamer Welterfahrung auch durch Arendts
persönlichen Erfahrung „überflüssig gemacht zu werden und keinen
Platz zu haben“ motiviert ist: „Diese Erfahrung, dass ich durch
den Verlust meines Platzes, meiner Stimme, ja meiner Geschichte, de
facto „niemand“ bin, ist ganz wesentlich für Arendts
theoretische Konzeption, dass man „jemand“ nur im Vollzug von
Pluralität in einem Erscheinungsraum sein kann.“95
Der
entscheidende Punkt ist, dass Pluralität kein »natürliches
Vorkommnis« in der Welt darstellt. Sie ist keine Summe. Pluralität
muss hergestellt werden, sie ist zugleich Produkt und Grundbedingung
der Erschaffung einer gemeinsamen Welt. Pluralität gibt es nur im
konkreten Plural, also weder mit einer abstrakten Gattung noch einem
abstrakten Einzelnen.
Die politische Grundfrage wäre dann: Wie
lassen sich die Grundbedingungen zur Ermöglichung von einer
gemeinsamen Welterfahrung garantieren? Kosmopolitismus wäre dann im
Wesentlichen eine Politik der Pluralität – und damit weder auf ein
politisches, noch auf ein juridisches Projekt beschränkt. Loidolt
hat betont, dass Arendt an Aktivitäten zur Aufrechterhaltung von
Pluralität normative Maßstäbe ansetzt – dazu zählen unter
anderem öffentliche Äußerungen oder politische Kämpfe.96
Dementsprechend ist auch nicht Grausamkeit „das Merkmal der
Tyrannis, sondern die Vernichtung des öffentlichen politischen
Bereichs“97.
Es ist eine eigene Frage, in welchem Verhältnis diese „Bühne
der Welt“98,
auf der sich Menschen handelnd und sprechend konstituieren, zu den
Sozialen Medien steht. Verbote und Kontrolle von sozialen Medien in
autokratischen und totalitären Regimen sprechen sicherlich für die
sozialen Medien als öffentlicher Raum. Gleichzeitig lässt sich aber
auch beobachten, dass die politische Kommunikation sich nicht an
»mündige Bürger:innen« richtet, sondern an abstrakte Profile, die
aus Datenspuren generiert werden, die Menschen im digitalen Raum
hinterlassen. Daraus abgeleitete zielgruppenspezifische
Kommunikationsstrategien scheinen auf den ersten Blick weniger mit
einem Raum des Erscheinens gemein zu haben als mit der politischen
Orchestrierung von Affekten unter der Umgehung »vernunftgeleiteter«
Entscheidungsmodi. Damit einher geht eine Entpolitisierung des
öffentlichen Raumes, während gleichzeitig genau dieser Raum mit den
intimsten Details der Bevölkerung besetzt wird.99
Jenseits der Gesellschaft
Welche
Form von Gemeinschaft und Pluralität lässt sich also jenseits des
Politischen denken? Für Arendt bestand ein gewisses Privileg auch
darin, sich erst einmal außerhalb der Gesellschaft aufzuhalten. Sie
macht an einigen Stellen Figuren des Außen stark – allen voran die
Figur der Paria. Deren Vorteil besteht bekanntlich darin, dass die
Geschichte für sie kein Buch mehr mit sieben Siegeln ist.100
Als »bewußte Parias« hätten sie, wie Daniel Loick schreibt,
„Zugang zu einer Erkenntnis, die allen anderen verschlossen bliebe:
die Fragilität, Gewaltförmigkeit und historische Überholtheit
eines territorialen Verständnisses von Staatsbürgerschaft.“101
Doch besonders die jüdische Tradition hat für Arendt eine Figur des
Parias hervorgebracht, die ungemein wirkmächtig ist:
So
konnten jüdische Dichter, Schriftsteller und Künstler die Figur
des Paria konzipieren, die eine für die moderne Menschheit sehr
bedeutsame neue Idee vom Menschen enthält, deren Einfluß auf die
nicht- jüdische Welt jedenfalls in groteskem Widerspruch steht zu
der geistigen und politischen Wirkungslosigkeit, zu der alle diese
großen Juden in ihrem eigen Volke verurteilt waren.102
Gerade
Heinrich Heine zeichnete für Arendt das Bild eines „Paria, der
außerhalb der Rangordnungen der Gesellschaft steht und keine Lust
hat, in sie aufgenommen zu werden“103,
und der gerade deshalb für die „reine Freude am irdischen Dasein“
empfänglich ist. Gerade diese Weltverbundenheit jenseits der
Gesellschaft legt aber das Fundament eines gemeinsamen Kosmos: „Die
Sonne, die alle bescheint, wird im Paria-Dasein die Garantin der
Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt.“104
Mit seiner Ablehnung der gesellschaftlichen Wirklichkeit und
der charakterlosen Gesellschaft kann sich der Paria für eine andere
Wirklichkeit freimachen. Was Heine vor allem in der Gestalt des
Schlemihls festgehalten hat war, so Arendt, „die ursprüngliche
Affinität des Paria zum Dichterischen, das sich auch außerhalb der
Gesellschaft hält und in ihr nie eigentlich zu Hause ist.“105
Aus gegenteiligen Gründen habe Kafka sich dem Zionismus
verpflichtet; er glaubte nämlich, dass das „menschliche Wahre“
niemals in der Ausnahme liegen kann, „nicht einmal in der Ausnahme
des Verfolgten“106.
Dabei ist gerade K. aus Kafkas Schloss ein Vorzeige-Paria für
die Idee eines Außen: „K. ist ein Fremder, den man nirgends
einordnen kann, weil er weder zum Volk noch zur Regierung gehört.
(»Sie sind nicht aus dem Schloß, Sie sind nicht aus dem Dorf, Sie
sind nichts.«)“107
Weder zum Schloss noch zum Dorf zu gehören war eine Erfahrung der
Machtlosigkeit, die auch den Staatenlosen ereignete:
Sie sind,
nachdem sie aufgehört haben, als Deutsche oder Russen oder Armenier
oder Griechen anerkannt zu sein, nichts als Menschen; jedoch sofern
sie von aller Teilhabe an der von Menschen errichteten und von ihren
Künsten ersonnenen Welt ausgeschaltet sind, besagt dies Menschsein
nicht mehr, als daß sie dem Menschengeschlecht in der gleichen
Weise zugehören wie Tiere der ihnen vorgezeichneten Tierart. Dies
abstrakte Menschenwesen, das keinen Beruf, keine
Staatszugehörigkeit, keine Meinung und keine Leistung hat, durch
die es sich identifizieren und spezifizieren könnte, ist gleichsam
das genaue Gegenbild des Staatsbürgers, dessen Ungleichheit und
Differenziertheit dauernd innerhalb der politischen Sphäre von dem
großen Gleichmacher aller Unterschiede, der Staatsbürgerschaft
selbst, eingeebnet werden […].108
Wie weiter oben
beschrieben ging die Standortlosigkeit mit dem Verlust der Sprache
einher. In Bezug auf das abstrakte Menschenwesen ohne Beruf,
Staatszugehörigkeit oder Leistung ist das Sprachversagen aber, wie
Arendt an anderer Stelle ausführt, noch an etwas anderes
geknüpft:
Dies Versagen der Sprache hängt aufs engste mit der
der Philosophie nur zu bekannten Unmöglichkeit zusammen, das Wesen
des Menschen zu definieren; alle solche Definitionen laufen immer
auf die Bestimmungen und Interpretationen dessen hinaus, was der
Mensch ist […] während die differentia specifica des Menschseins
ja gerade darin liegt, daß der Mensch ein Jemand ist.109
Liest man diese
Figuren zusammen, könnte man daraus schließen, dass gerade in
dieser Abwesenheit von Prädikaten (Beruf, Staatszugehörigkeit,
Leistung) ein emanzipatives Moment begründet liegt. Denn das Jemand,
das Wer-einer-ist, ist in diesen Prädikaten gerade nicht enthalten.
Es sind ja vielmehr Prädikate und Zuschreibungen, durch die ein
Mensch »regierbar« wird – was sich daran zeigt, dass genau diese
Zugehörigkeiten wegfallen, wenn man in das Zentrum der Macht,
nämlich die Abwesenheit, vordringt. Ein Niemand zu sein, nicht aus
dem Schloss, nicht aus dem Dorf, bedeutet gerade nicht, unbeobachtet
zu bleiben. Die Angst des Staates gegenüber solchen
»unbeschriebenen« Subjektivitäten zeigt sich jüngst auch in den
Verhaftungen russischer Demonstrant:innen, die, wie in einem
dokumentierten Fall, lediglich ein weißes, unbeschriebenes Blatt
hochhielten.
Der Übergang vom Was-einer-ist zum Wer-einer-ist,
den Arendt stark macht110,
findet sich auch als zentrales Motiv in Agambens Die kommende
Gemeinschaft.111
Inwiefern Agamben in dieser Sache mit Arendt gelesen werden kann,
muss an anderer Stelle geklärt werden. Jedenfalls sind bei Agamben
die beliebigen Singularitäten, die sich nur durch ihr Wie
bestimmen lassen, die neuen politischen Akteure, die sich bereits
jenseits des Staates befinden, wie Agamben in Bezug auf
Tiananmen schreibt: „Denn die kommende Politik ist nicht mehr der
Kampf um die Eroberung oder Kontrolle des Staates, sondern der Kampf
zwischen dem Staat und dem Nicht-Staat (der Menschheit); sie ist die
unüberwindbare Teilung in beliebige Singularitäten und staatliche
Organisationen.“112
In der »Ontologie des Wie« begründet sich für Agamben der
Übergang von der Ontologie zur Ethik, und „Ethisch ist jene
Manier, die uns weder zustößt noch begründet, sondern
hervorbringt.“113
Was die Linie Arendt-Agamben hier deutlich zeigt, ist aber auch
die unendliche Vulnerabilität des Nichts-als-Mensch-seins, die sich
in der Figur der beliebigen Singularitäten weiterschreibt. Das
Wer-einer-ist scheint uns sogar entzogen zu sein:
Im
Unterschied zu dem, was einer ist, im Unterschied zu den
Eigenschaften, Gaben, Talenten, Defekten, die wir besitzen und daher
so weit zum Mindesten in der Hand und unter Kontrolle haben, daß es
uns freisteht, sie zu zeigen oder zu verbergen, ist das eigentlich
personale Wer-jemand-jeweilig-ist unserer Kontrolle darum entzogen,
weil es sich unwillkürlich in allem mitoffenbart, was wir sagen
oder tun.114
Es offenbart sich
mit – in jeder Geste, jedem Blick – lässt sich aber nicht selbst
die Sprache zwingen.115
Man kann erahnen, dass damit auch die unmittelbare Verknüpfung aus
Sprache und Politik auf dem Spiel steht. Die Idee, dass die eigene
»Person« gerade dasjenige ist, was sich entzieht, unterläuft die
neuzeitliche Vorstellung eines selbstgenügsamen Subjekts, dass ja
gerade die gesamte »Welt« in seine Bewußtseinsströme
hineinverlegt hat.116
Das Wer zeigt sich der Mitwelt, aber nicht einem selbst; es blickt,
wie Arendt mit der griechischen Figur des δαίμων
schreibt, von hinten über die Schulter.117
Bei Agamben findet sich eine ähnliche Figur des Unpersönlichen, für
die er den römischen Genius als Bild bemüht. Die strategische
Funktion des Unpersönlichen innerhalb von Agambens Denken ist es,
die Lebens-Form gegenüber den Kräften der Souveränität (die auch
für die Produktion von Lagern zuständig sind) zu immunisieren.118
Innerhalb der polaren Stellung Lebens-Form – Souveränität steht
es also eindeutig auf der Seite der Lebens-Form. Es wäre möglich,
dass Agamben sich in Bezug auf diese Figur implizit auf Arendt
bezieht. Es könnte darüber hinaus sein, dass sich mit Arendts
Begriff des Wer-einer-ist die Frage nach dem Leben im Prolog von Der
Gebrauch der Körper besser verstehen lässt.
Jedenfalls
bietet sich hier der Gedanke an, dass die Eigenschaftslosigkeit in
Bezug auf die »Identität« zwar in der konkreten Situation eine
Katastrophe für die Staatenlosen bedeutete, da sie damit aus der
gemeinsamen Welt verbannt wurden. Gleichzeitig ist diese Identität
nicht deckungsgleich mit der Person. Für Identität, die sich auf
dem Was gründet, hat Arendt nicht viel übrig: „Auf das stolz zu
sein, was man getan hat, dazu wird sich nur das Vulgäre herablassen
…“119
– stattdessen ist es gerade das Wer-einer-ist, das sich auf der
Bühne der Welt, in Arendts Verständnis »der Öffentlichkeit«,
zeigt.120
Dieses Wer ist, als beliebige Singularität,
stets von der Souveränität bedroht. Inwiefern das Wer-einer-ist
selbst »angeeignet« werden kann, wie es selbstwirksam gemacht
werden kann, wie daraus eine bessere Position im Kampf gegen die
globalen Verhältnisse gewonnen werden kann, ist die Grundfrage einer
Politik der Pluralität. Sicher ist aber, dass die Erfahrung, die
jenseits der Gesellschaft auf uns wartet, nicht nur das Gefühl der
Verlassenheit mit sich bringt, sondern auch die schmerzhafte
Erfahrung der wirklichen Verhältnisse. Für Arendt erschien es
bereits im 20. Jahrhundert zunehmend schwierig, in ein produktives
Außen zu gelangen („In dieser Welt des 20. Jahrhunderts
kann man sich nicht mehr außerhalb der Gesellschaft, als Schlemihl
und Traumweltherrscher, einrichten.“)121.
Die Geschichte zeigt jedoch, dass der Erfindungsreichtum
widerständiger Praktiken keineswegs versiegt ist, und das unablässig
Gegenräume geschaffen werden können.
Weltentfremdung
Die Figur der
Pluralität fügt der zuvor skizzierten Problematik von Recht und
Nationalstaat eine strategische Ebene hinzu, die in der konkreten
Erfahrung fundiert. Es könnte sich daher als überaus produktiv
erweisen, das Problem der Menschenrechte, wie Arendt es vor dem
Hintergrund des Nationalstaats beschreibt, zusammenzulesen mit dem
Problem der Weltentfremdung aus Arendts Vita
activa.
Der
Zusammenhang zwischen Subjektivität (Wer-einer-ist) und Raum
(Territorium, Staat) lässt sich nicht nur auf die Migrant:innen
beziehen, sondern auf eine generelle Dynamik in der Neuzeit. Die
Schwelle zur Neuzeit wird für Arendt von drei Raum-Ereignissen
markiert: Erstens die (Wieder-)Entdeckung Amerikas und der damit
einsetzende Kolonialismus, zweitens die Reformation und die damit
einhergehende Beschleunigung einer marktförmig geprägten
Reorganisation der Gesellschaft, und drittens die Erfindung des
Teleskops und die damit verbundene Veränderung des Standortes der
Wissenschaft mit Blick auf die Erde.122
In
Bezug auf die »geographische« Weltentfremdung hebt Arendt vor allem
die Qualität der Beschleunigung hervor. „Ferne und Entfernung“
sind „vor dem Ansturm der Geschwindigkeiten verschwunden“, die
Geschwindigkeit würde den Raum gar vernichten, „wenn ihrer noch
immer wachsenden Beschleunigung nicht die für Körper
unübersteigbare Grenze gesetzt wäre, an zwei verschiedenen Orten
gleichzeitig anwesend sein zu können.“
123
Die
Eroberung des Raumes durch Beschleunigung lässt sich nicht getrennt
denken von den damit einhergehenden technischen Innovationen, also
Eisenbahn, Dampfschiff und Flugzeug.124
Damit wurde die „Bedeutung der Ferne“ vernichtet, die sich
maximal noch als Metapher in der Sprache durchhält.125
Am Endpunkt dieser Entwicklung steht für Arendt die Ablösung
national begrenzter Territorien durch die gesamte Erdoberfläche:
Wir
befinden uns heute in dem vermutlich letzten Stadium dieser
Entwicklung. Seine Merkmale sind der Niedergang der Nationalstaaten,
die Schrumpfung der Erde in geographischer und wirtschaftlicher
Hinsicht, schließlich die Entstehung eines Menschengeschlechts,
dessen Einheit weder politisch garantiert noch aus dem
humanistischen Ideal der Menschheit abgeleitet, sondern zu einer
einfachen Tatsache geworden ist, seitdem seine Glieder erheblich
weniger Zeit benötigen, um aus den vier Ecken der Welt
zusammenzukommen, als die Glieder einer Nation noch vor wenigen
Jahren brauchten, um sich in der Hauptstadt zu treffen.“126
Mit der
raumtheoretischen Ent-Fernung des Außen geht auf gesellschaftlicher
Ebene ein weiterer Prozess einher: Erst wird die Familie durch die
Nation abgelöst127,
und dann die Nation durch ein »Menschengeschlecht«. Dieses
Menschengeschlecht steht im Gegensatz zu „der Menschheit als einer
regulativen Idee der Menschenwürde“ und bedeutet „die
Ausbreitung der modernen Gesellschaft über den ganzen Erdball, und
damit die Verschleppung der modernen gesellschaftlichen Phänomene,
der Entwurzeltheit und Verlassenheit des Massenmenschen und der
Massenbewegungen, und alle Länder der Welt.“128
Entfremdung und die neue gesellschaftliche Realität sind
demnach unter Anderem das Resultat einer Raum- und
Geschwindigkeitsrevolution. Dazu kommt noch ein radikaler
Standortwechsel in den Wissenschaften. Während die Weltentfremdung
die modernen Gesellschaften bestimmt, ist es die Erdentfremdung, die
durch die Wissenschaften zentral steht: „Die moderne Mathematik hat
den Menschen von den Fesseln erdgebundener Erfahrungen befreit und
damit das menschliche Erkenntnisvermögen von den Fesseln der
Endlichkeit.“129
Die
Bedeutung von Weltentfremdung und Erdentfernung für die sich daraus
modifizierende Vorstellung des Kosmos lässt sich kaum groß genug
einschätzen. Die Erfindung des Globus spielt dabei eine zentrale
Rolle:
Lange bevor wir gelernt hatten, die Erde zu umkreisen
und die Stätten menschlichen Wohnens in Tagen und Stunden zu
umschreiben, hatten wir den Globus in unsere Wohnung gebracht, um
gleichsam symbolisch die Erde wie einen Ball in die Hände zu
schließen oder vor den Augen kreisen zu lassen.130
Auf das symbolische
Kreisen mit geschlossenen Augen folgte ein ganzer Strudel aus
Entfremdungsfiguren. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass für
Arendt „die neuzeitliche Weltentfremdung zusammenstimmt mit
den neuzeitlichen subjektivistischen Strömungen der Philosophie.“131
Genauer wird die Welt, die in der Weltlosigkeit abhanden kommt,
abgelöst durch das „nur der Selbstreflexion zugängliche
Bewußtsein, in dessen Felde die höchste Tätigkeit das Formelspiel
des Verstandes ist.“132
Die Spaltung eines vormals zusammenhängenden „Innenlebens“
zwischen „rational-rechnerischer Verstandestätigkeit“ einerseits
und „irrational-leidenschaftlichem Gefühlsleben“ andererseits
findet in diesem »neuen« Bewußtsein seinen Ausdruck.133
Genau diese Spaltung gilt es, mit einer Politik der Pluralität, die
sich auf gemeinsame Erfahrungen beruft, zu überwinden.
Damit
ist gesagt: Die Ideen von Selbst-(Reflexion) und Bewußtsein, die in
der neuzeitlichen Philosophie einsetzen, korrelieren mit (und
antworten auf) einem Verlust von Welt. Der nähere Umkreis des
Wohnens wird erst durch die Seefahrt und den Kolonialismus
erschüttert; die Ferne wird durch Bahn und Flugzeug anschließend
minimiert. Das Handeln, eine zentrale Kategorie für Arendt, sinkt
auf das Niveau des Arbeitens herab134.
Kontemplation und Denken haben in dieser Welt keinen Platz mehr, die
von einem „Erfahrungsschwund“ gekennzeichnet ist.135
Und nicht zuletzt ist der Wachstumsprozess des gesellschaftlichen
Reichtums laut Arendt nur möglich auf Basis von „Enteignung“,
genauer „wenn die Welt und die Weltlichkeit des Menschen ihm zum
Opfer gebracht werden.“136
Sicherlich lesen sich gerade die letzten Kapitel der Vita
Activa wie eine Zerfallsgeschichte mit genre-üblicher Skepsis
gegenüber Technik und Massengesellschaft. Wichtig scheint aber, dass
die räumliche Revolution ins Außen, die wissenschaftliche
Revolution in die Abstraktion und die ökonomische Umformung der
Gesellschaft zusammenhängen; und das diese Figuren sich wiederum in
den verschiedensten subjektivistischen Strömungen neuzeitlicher
Philosophie widerspiegeln.
Nimmt man vor diesem Hintergrund
noch einmal die Frage auf, welchen Begriff von Mensch man braucht, um
wirklich einen Kosmopolitismus zu denken, in dem so etwas wie
»Menschenrechte« möglich sind, wird deutlich, dass dieses Denken
im Dreiklang Kosmos-Polis-Selbst (im Gegensatz zu
Volk-Territorium-Staat) resoniert. Deshalb ist das Außen, um das es
– zumindest aus philosophischer Perspektive – hier geht, ein
Erfahrungsraum, in dem auch nach neuen Formen des Selbst und des
Handelns gesucht werden soll, oder kurz: neuen Lebensformen.
Exterritorialität
Was bedeutet dies
für das Experiment, den Kosmos vom Außen zu denken? Jedenfalls
nicht, in einen Zustand vor der Erdentfernung oder der
Weltentfremdung zurückzufallen. Eine wichtige Funktion des Außen
besteht darin, der transzendierenden Geste des Kosmos etwas
entgegenzuhalten, ohne in das Lokale oder Essentialistische
auszuweichen, sondern eher Bewegungsfiguren (Wer statt Was)
zu mobilisieren. Kosmos in diesem Sinn ist kein
übergeordnetes Prinzip, sondern etwas, dass in einer
Auseinandersetzung zwischen Wesen hergestellt werden muss – als
„Bezugsgewebe menschlicher Angelegenheiten“. Dieser spekulative
Kosmos ist nicht universalisierbar, weil er immer neu ausgehandelt
werden muss.
Arendt weist darauf hin, dass es generell
„um die Demokratie im Nationalstaat selbst historisch nie
sonderlich gut bestellt“137
war. Demokratie, so Arendt, „kann es nur geben, wo die
Machtzentralisierung des Nationalstaates gebrochen ist und an ihre
Stelle die dem föderativen System eigene Diffusion der Macht in
viele Machtzentren getreten ist.“138
Genau deswegen ist Arendt auch gegenüber jener Spielart der Idee der
Menschenrechte skeptisch, die in einer Universalisierung der
Staatsbürgerschaft oder gar einer Weltregierung139
die Lösung der Aporie der Menschenrechte sehen.
Die Diffusion
der Macht in einem föderativen System lässt sich als Figur lesen,
das Außen zum Zentrum der Politik zu machen, indem das Innen, das
Zentrum der Macht, suspendiert und von einer Verschränktheit der
Peripherie abgelöst wird. Agamben hat in Bezug auf Arendt ein System
„wechselseitiger Exterritorialität“ vorgeschlagen:
Anstatt
zweier, durch umstrittene und drohende Grenzen voneinander getrennter
nationaler Staaten ließen sich auch zwei politische Gemeinschaften
vorstellen, die auf ein und demselben Gebiet bestehen, im Exodus in
der jeweils anderen, über eine Reihe wechselseitiger
Exterritorialitäten ineinander verschränkt. Deren Leitbegriff wäre
nicht mehr das ius des Bürgers, sondern das refugium
des Einzelnen.“140
In diesem Vorschlag
wird durch die zentralen Begrifflichkeit refugium und Exodus
deutlich, dass auch Agamben vom Außen her denkt und nicht eine
topographische Summe, sondern einen „topologisch durchlöcherten“
Raum zum Fundament seiner Überlegung macht. Zudem signalisiert der
Wechsel von ius zu refugium den Vorschlag einer
alternativen Figur gesellschaftlicher Organisation. Was Arendt
kritisch in Bezug auf die Weltentfremdung angemerkt hat – also
letztendlich das Verschwinden der Ferne durch neue Bewegungs- und
Kommunikationsformen, lässt sich gerade als Chance verstehen, solche
Topographien zu erstellen – und vor allem schnell zu verändern.
Das Besondere an Agambens Vorschlag besteht darin, dass sich
diese Verschränktheit sowohl auf den Raum als auch auf das Subjekt
bezieht. Die Identitäten in Bewegung bringen – das ist auch die
Figur einer Politik der Staatenlosen, die Raimondi im Anschluss an
Arendts Begriff des Handelns ableitet.141
Nancy Fraser stellt in Hannah Arendt in the 21st Century
ebenfalls die Figuren Pluralität, Trans-Territorialität, Gender und
Kosmopolitismus als Erbe eines Arendtschen Denkens zentral.142
Es geht also um eine kritische Korrelation zwischen Identität
und Territorialität, zwischen Geographie und Bewußtsein. Annabel
Herzog schlägt beispielsweise den Begriff „political itinerary“
vor; sie zeigt damit, inwiefern Arendt das Verhältnis politischer
Institution zu geographischen Räumen analysiert.143
In der hier vorgestellten Interpretation müsste allerdings das
Verhältnis zwischen politisch-territorialer Institution und der
Konstruktion von »Subjektivität« als zentrales Verhältnis
bestimmt werden. Schon Nietzsche machte in
Jenseits von Gut und Böse
mit der Figur des „werdenden Europäers“ eine Bemerkung in diese
Richtung:
[…] nenne man es einfach, ohne zu loben und
zu tadeln, mit einer politischen Formel die demokratische Bewegung
Europa’s: hinter all den moralischen und politischen
Vordergründen, auf welche mit solchen Formeln hingewiesen wird,
vollzieht sich ein ungeheurer physiologischer Prozess, der immer
mehr in Fluss geräth, - der Prozess einer Anähnlichung der
Europäer … also die langsame Heraufkunft einer wesentlich
übernationalen und nomadischen Art Mensch ….144
Ob das
„Übernationale“ in unserer Zeit über die gemeinsame
Gesellschaft des Spektakels hinausgeht, muss an anderer Stelle
geklärt werden. Vielleicht liegt dennoch gerade in dieser
„übernationalen und nomadischen Art Mensch“, die Nietzsche im
Verbund mit einer demokratischen Bewegung heraufziehen sieht, eine
neue Hoffnung. Dezentrale, topographisch durchlöcherte,
demokratische Räume korrelieren dem Wer-einer-ist. Es, geht, mit
den Worten Loidolts, um „die gemeinsame, welthafte und plurale
Vollzugserfahrung des Miteinander-Handelns, -Sprechens und
-Urteilens, in der Subjekt-/Selbstsein, Welt und Andere sich erst als
verschränkte Knotenpunkte dieses Geschehens herausbilden und
sichtbar werden.“145
Mit diesen Knotenpunkt lässt sich vielleicht auf andere Art eine
„durchgängig verwebte zivilisatorische Welt“ erzählen, die aber
gerade aus dem Zwischen gedacht wird, aus dem sonst die »Barbaren«
herausfallen.
Diese gemeinsame Welt könnte der Kosmos eines
Arendtschen Kosmopolitismus sein; es ist gleichsam die Aufforderung,
die Sphäre des Politischen neu zu denken. Es geht um die Frage nach
einer kosmopolitischen Lebensform. Bereits Marx hatte vermutet, dass
der Mensch den Staatsbürger in sich abschaffen muss, um als
„individueller Mensch in seinem empirischen Leben“ an einen Punkt
zu kommen, an dem er „die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der
Gestalt der politischen Kraft von sich trennt“.146
Dabei müssen die beiden Bewegungen der
Globalisierung mitbedacht werden, also die Kräfte des Lokalen und
der Territorialisierung, wie auch die a-lokalen Kräfte der
De-Territorialisierung. Lokale Kooperativen kämpfen
Kontinent-übergreifend für eine gemeinsame Sache; und es gilt, die
Idee, die Erde gemeinsam belebbar zu lassen, in immer neue
Erzählungen zu verwickeln.
Knoten solcher Art gehören ebenso
zur Verwebung der Welt, und hier ist es umso deutlicher, als dass
diese Knoten sich aus Erfahrungen, Wünschen und Phantasien
entwickeln, die in der Sprache immer zu einem Teil ungesagt bleiben.
Das Problem der Migrant:innen ist, folgt man diesen Überlegungen,
kein Problem des Rechts oder der Einhaltung nationalstaatlicher
Prinzipien. Es ist ein Problem des Standortes in der Welt, und damit
der Welt- und Selbsterfahrung. Nur aus einer veränderten Erfahrung
heraus lässt sich das Politische neu entwickeln. Das die Herstellung
einer Sphäre gemeinsamer Erfahrung und eines „Bezugsgewebes
menschlicher Angelegenheiten“ gerade jenseits einer zweckorientiert
eingerichteten Welt zu suchen sind – also auch sowohl jenseits
dessen, was wir noch „Politik“ nennen, als auch dessen, was wir
„Arbeit“ und „Produktion“ nennen – ist ein wesentlicher
Punkt. Das Unsichtbare Komitee brachte es in Jetzt
auf folgende Formel: „Uns geht es nicht darum, »Politik anders zu
machen«, sondern darum, etwas anderes als Politik zu machen.“147
Das Fremde bleibt dabei stetig als Mahnung zur eigenen
Begrenztheit präsent: „Das Unterschiedliche, das in dem Fremden
repräsentiert ist, zeigt innerhalb der öffentlichen Sphäre die
Grenzen an, die jeder menschlich sinnvollen Betätigung innerhalb des
Reiches des Handelns gezogen sind; die Grenze ist eine dauernde
Mahnung an die Begrenztheit der Macht des Menschen.“148
Bisher hat noch jede Zivilisation die Neigung gehabt, wie Arendt
schreibt, diese Grenze zu überschreiten, die Differenzen einzuebnen,
zu versteinern oder überrannt zu werden.149
Nicht Tilgung der Differenz, sondern Politik als Differenz, in
der Identitäten und Territorien in Bewegung versetzt werden, sich
gegenseitig überlagern und durchdringen, ist die Aufgabe des
politischen Denkens im 21. Jahrhundert.
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Karakayali, Serhat: Vom Staat zum Lager. Von der Biopolitik zur Bürokratie, in: Daniel Loick (Hrsg.): Der Nomos der Moderne. Die politische Philosophie Giorgio Agambens. Nomos: Baden-Baden 2011, 59 – 76.
Loick, Daniel: Wir Flüchtlinge. Überlegungen zu einer Bürgerschaft jenseits des Nationalstaats. In: Leviathan (2017), Jg. 45, Nr. 4, 574 – 591. https://www.jstor.org/stable/26426620
Loidolt, Sophie: Hannah Arendts Phänomenologie der Pluralität: Sozialontologische, politische und ethische Aspekte. In: hannaharendt.net (2018) Bd. 9, Nr.1. https://www.hannaharendt.net/index.php/han/article/view/390
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McAuliffe, M. / Triandafyllidou, A. (Ed.): World Migration Report 2022. International Organization for Migration (IOM), Geneva 2021. https://publications.iom.int/books/world-migration-report-2022
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Raimondi, Francesca: Prekäre Politik. Hannah Arendt zur Flüchtlingsfrage. In: hannaharendt.net (2016), Nr.1, Bd. 8. https://www.hannaharendt.net/index.php/han/article/view/346
Unsichtbares Komitee: Jetzt. Nautilus: Hamburg 2017.
1 Arendt 1998, 625.
2 Vgl. Loick 2017, 577.
3 McAuliffe / Triandafyllidou 2022, 3.
4 Di Cesare 2021, 116.
5 McAuliffe / Triandafyllidou 2022, 4.
6 https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/fileadmin/redaktion/PDF/UNHCR/Global_Trends_2020.pdf
7 Vgl hierzu beispielsweise: Benhabib 2016, 33: „Für mich beinhaltet der Kosmopolitismus die Anerkennung, dass Menschen moralische Personen sind, die in gleicher Weise Anspruch auf rechtlichen Schutz haben, und zwar auf Grund von Rechten, die ihnen nicht als Staatsangehörige oder Mitglieder einer ethnischen Gruppe zukommen, sondern als Menschen als solche. “
8 Benhabib 2016, 28.
9 Arendt 2021, 366.
10 Arendt 1998, 603.
11 Arendt 2020, 194.
12 Arendt 2020, 195.
13 Arendt 2020, 195 f.
14 Arendt 2020, 207.
15 Di Cesare 2021, 303.
16 Arendt 1989, 21.
17 Arendt 2019, 2.
18 Agamben 2006, S. 21 – 30.
19 Agamben 2006, 30.
20 Agamben 2006, 21.
21 Loick 2017, 578.
22 Loick 2017, 575.
23 Loick 2017, 575.
24 Loick 2017, 576.
25 Loick 2017, 575.
26 Raimondi 2016, 15.
27 Raimondi 2016, 106.
28 Raimondi, 106.
29 Di Cesare 2021, 18.
30 Di Cesare 2021, 23.
31 Di Cesare 2021, 8.
32 Agamben 2020, 438.
33 Agamben 2020, 437.
34 Arendt 1998, 595.
35 Arendt 1998, 609.
36 Agamben 2004, 51.
37 Agamben 2002, 39.
38 Agamben 2002, 39.
39 Agamben 2002, 128.
40 Agamben 2002, 136.
41 Agamben 2002, 125.
42 Arendt 1998, 603.
43 Arendt 1998, 610.
44 Arendt 1998, 597.
45 Marx 1976, 365 f.: „Die Sicherheit ist der höchste soziale Begriff der bürgerlichen Gesellschaft, der Begriff der Polizei, daß die ganze Gesellschaft nur da ist, um jedem ihrer Glieder die Erhaltung seiner Person, seiner Rechte und seines Eigentums zu garantieren. Hegel nennt in diesem Sinn die bürgerliche Gesellschaft »den Not- und Verstandesstaat«. Durch den Begriff der Sicherheit erhebt sich die bürgerliche Gesellschaft nicht über ihren Egoismus. Die Sicherheit ist vielmehr die Versicherung ihres Egoismus. Keines der sogenannten Menschenrechte geht also über den egoistischen Menschen hinaus, über den Menschen, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, nämlich auf sich, auf sein Privatinteresse und seine Privatwillkür zurückgezogenes und vom Gemeinwesen abgesondertes Individuum ist.“
46 Arendt 1998, 607.
47 Arendt 1998, 601.
48 Die problematische Konstellation Natur – Kultur wird in diesem Text ausgeklammert. Dazu sei auf Bd. 11 Nr. 1 (2021): Natur und Politik unter https://hannaharendt.net verwiesen. https://hannaharendt.net/index.php/han/issue/view/19
49 Arendt 1998, 616.
50 Arendt 1998, 602.
51 Arendt 1998, 405.
52 Arendt 1998, 520 f.
53 Arendt 1998, 616.
54 Arendt 1998, 602.
55 Agamben 2006, 26.
56 Arendt 1998, 575.
57 Agamben 2002, 136.
58 Arendt 1998, 608.
59 Arendt 1998, 603.
60 Arendt 1998, 560.
61 Arendt 1998, 604.
62 Arendt 1998, 620.
63 Arendt 1998, 624.
64 Arendt 1998, 605.
65 Arendt 1998, 620.
66 Vgl. Loick 2017, 577.
67 Arendt 1998, 563.
68 Agamben 2006b, 33.
69 Arendt 1998, 563.
70 Vgl. Loick 2017, 1: „Das europäische Konzept der Staatsbürgerschaft ist strukturell auf die Fabrikation von Staatenlosen und Vogelfreien angewiesen, wie gerade Jüdinnen und Juden immer wieder am eigenen Leib erfahren haben.“ Loick 2017, 1.
71 Arendt 2019, 77.
72 Agamben 2006, 26.
73 Vgl. Agamben 2001, 24.
74 Hier würde sich eine vergleichende Analyse zur Krise als Regierungskunst von Dario Gentili lohnen. Gentili 2020.
75 Loick 2017, 575.
76 Arendt 1998, 613.
77 Arendt 1998, 621.
78 Arendt 1998, 615.
79 Arendt 2021, 246.
80 Vgl. Haraway 2018.
81 Arendt 1998, 615.
82 Arendt 1943.
83 Arendt 1998, 614.
84 Arendt 1998, 612.
85 Arendt 1998, 612.
86 Arendt 1998, 624.
87 Arendt 1998, 620.
88 Arendt 2021, 249.
89 Arendt 2021, 251 ff.
90 Arendt 2021, 262.
91 Arendt 1998, 621.
92 Arendt 1998, 614.
93 Loidolt 2018, 3.
94 Loidolt 2018, 2.
95 Loidolt 2018, 13.
96 Loidolt 2018, 7.
97 Arendt 2021, 313.
98 Arendt 2021, 169.
99 Damit lässt sich Agambens Argument lesen, das arkanum westlicher Politik sei tief in das Private eingelassen. Vgl. Agamben 2020, 12 f.
100 Arendt 1943: „[…] history is no longer a closed book to them and politics is no longer the privilege of Gentiles.“
101 Loick 2017, 1.
102 Arendt 2019, 65.
103 Arendt 2019, 67.
104 Arendt 2019, 67 f.
105 Arendt 2019, 71.
106 Arendt 2019, 83.
107 Arendt 2019, 78 f.
108 Arendt 1998, 623
109 Arendt 2021, 250.
110 Arendt 2021, 246.
111 Vgl. Agamben 2003, 9f.
112 Agamben 2003, 79.
113 Agamben 2003, 32.
114 Arendt 2021, 246.
115 Arendt 2021, 249.
116 Vgl. Arendt 2021, 398.
117 Arendt 2021, 246.
118 Vgl. Eggert 2021.
119 Arendt 2021, 301.
120 Arendt 2021, 247.
121 Arendt 2019, 84.
122 Arendt 2021, 354.
123 Arendt 2021, 356.
124 Arendt 2021, 357.
125 Arendt 2021, 356.
126 Arendt 2021, 365.
127 Arendt 2021, 364.
128 Arendt 2021, 366.
129 Arendt 2021, 375.
130 Arendt 2021, 357.
131 Arendt 2021, 385.
132 Arendt 2021, 453.
133 Arendt 2021, 453.
134 Arendt 2021, 455.
135 Arendt 2021, 455.
136 Arendt 2021, 363.
137 Arendt 2006, 5.
138 Arendt 2006, 6.
139 Arendt 1998, 618.
140 Agamben 2006, 29.
141 Raimondi 2016, 104.
142 Fraser 2004, 255.
143 Vgl. Herzog 2004, 20-41.
144 Nietzsche 2010, 182.
145 Loidolt 2018, 2.
146 Marx 1976, 370.
147 Unsichtbares Komitee 2017, 42.
148 EUtH, 623.
149 EUtH, 623.