Ausgabe 1, Band 9 – November 2018
Herausforderungen der Pluralität: Hannah Arendts politische Urteilskraft im Kontext der aktuellen Migrationsdebatte
Maria Robaszkiewicz
Pluralität stellt für Hannah Arendt die zentrale Bedingung der menschlichen Existenz dar. Ab den ersten Zeilen, als sie den Begriff in Vita activa einführt, macht sie klar, dass es sich um einen Grundstein der condition humaine handelt. Pluralität ist für Arendt in der Welt per se gegeben, sie ist einfach „die Tatsache, dass nicht der Mensch, sondern viele Menschen auf der Erde leben und die Welt bevölkern.“ Diese scheinbar banale Feststellung hat gravierende Folgen für ihr Konzept des Politischen. Als notwendige Bedingung des Handelns wird Pluralität zur Grundlage zwischenmenschlicher Interaktionen in der öffentlichen Sphäre. Denn die Vielfalt der Menschen in ihrer Einzigartigkeit garantiert die Realität der gemeinsamen Welt: Diese wird als ein politischer Raum konstituiert, in dem Menschen unterschiedliche Positionen einnehmen, aus diesen unterschiedlichen Positionen sprechen und handeln und damit einen Bezug zueinander schaffen. So teilen Menschen der Welt nicht nur im Sinne einer Botschaft etwas mit, sondern sie teilen auch immer zugleich sich selbst mit. Diesem Bild einer dynamischen politischen Gemeinschaft setzt Arendt ein anderes entgegen: Wenn die Pluralität zerstört wird, folgen Weltverlust und radikale Isolierung, es entsteht eine Massengesellschaft, in der die Menschen durch sterile Vervielfältigung reproduziert werden. Durch diese Kontrastierung, die sehr bildhaft und emphatisch dargestellt wird, macht Arendt die Unabdingbarkeit der Pluralität für das genuin menschliche Zusammenleben, gemeinsamen das im Handeln und Sprechen besteht, deutlich. Arendt macht die Leser zudem auf zwei Aspekte der Pluralität aufmerksam, nämlich die Gleichheit und die Verschiedenheit, wobei sie die Gewichtigkeit beider Facetten betont. Ohne Gleichheit, so Arendt, gäbe es keine Möglichkeit der Verständigung zwischen Menschen; ohne „das absolute Unterschiedensein jeder Person von jeder anderen, die ist, war oder je sein wird“, wären das Handeln und Sprechen obsolet – die Zeichensprache würde für die Kommunikation basaler Bedürfnisse ausreichen. In beiden Fällen würde die gemeinsame Welt, in der Menschen einander erscheinen und miteinander interagieren, nicht zustande kommen können. Dies deutet aber auch auf die Kehrseite der Pluralität hin. Die Radikalität dieses Konzeptes offenbart sich darin, dass Pluralität nicht nur eine Bereicherung mit sich bringt und ein Ausdruck der menschlichen Einzigartigkeit erlaubt. Sie ist auch eine Herausforderung – oder vielmehr eine Quelle zahlreicher Herausforderungen.
Pluralität ist in Arendts politischer Phänomenologie allgegenwärtig. Von ihrem Konzept des politischen Handelns, das in fast allen ihrer Schriften mitschwingt, über das Denken als ein Dialog mit sich selbst, bis hin zum Urteilen als erweiterte Denkungsart distanziert sie sich davon, die Natur des Menschen zu definieren oder über ‚den Menschen im Allgemeinen‘ zu sprechen, aber auch, ihn als ein isoliertes Individuum zu betrachten. Und auf all den Ebenen wird die Pluralität zugleich die conditio per quam der jeweiligen menschlichen Tätigkeit und ein Ursprung von –für diese Ebene spezifischen Schwierigkeiten. So brauchen Menschen Praktiken, die es ihnen erlauben, mit der Pluralität in der Welt umzugehen. Im Handeln bedarf es des ‚acting in concert‘, das es trotz der Unterschiede erlaubt, ein gemeinsames politisches Interesse zu verfolgen. Im Denken stellt sich unser Partner im stummen Selbstgespräch oft als ‚unangenehmer Kerl‘ heraus, dem man unbequeme Fragen beantworten muss. Und die Pluralität der spekulativen Urteilsgemeinschaft ist vielleicht die schwierigste: der Urteilende muss mühselig üben, politische Fragen ‚aus der Perspektive jedes anderen zu sehen, die er nicht ist‘, wodurch er ein zugleich positioniertes und kritisches Urteil fällen kann.
In diesem Essay schlage ich vor, Hannah Arendts Konzept des politischen Denkens, oder anders gesagt: des Urteilens, praktisch umzusetzen. Sie selbst bietet dafür eine Art Anleitung, indem sie ihre Essays als ‚Übungen im politischen Denken‘ darstellt. So werde ich zunächst kurz Arendts Ansatz des Urteilens vorstellen, vor allem im Hinblick auf seine praktische Relevanz für das menschliche Zusammenleben. Darauffolgend werde ich zeigen, dass Arendt die Urteilskraft als eine praktische Erfahrung versteht, die durch das Üben und Ausüben entwickelt und vertieft werden kann. Sie gibt Grundlagen solcher Übungen auch vor und deutet darauf hin, ihre eigenen Essays seien als Übungen im politischen Denken zu sehen. Im letzten Abschnitt dieses Essays werde ich exemplarisch drei Übungen in Grundzügen skizzieren. Ich beziehe mich dabei auf eine der zahlreichen Herausforderungen, vor denen uns die Pluralität der Welt stellt: Die Gestaltungsmöglichkeiten des menschlichen Zusammenlebens in einer von Migration veränderten Gemeinschaft. Nicht nur ist diese Problematik besonders geeignet, um die Gewichtigkeit Arendts Konzeptes der Pluralität zu verdeutlichen, sondern sie entspricht auch durch ihre existenzielle Dringlichkeit und politische Brisanz dem arendtschen Anspruch, die Sorge um die gemeinsame Welt in den Vordergrund zu stellen.
1.
Bei Arendt finden sich grundsätzlich drei Begriffe, die gleichermaßen das Politische beschreiben: der politische Raum, die öffentliche Sphäre und die gemeinsame Welt. Arendt bezeichnet sie auch als ein Netz der menschlichen Angelegenheiten und betont nach Aristoteles, dass Menschen in dieser Sphäre des Lebens ihre Menschlichkeit realisieren. Die Grundtätigkeiten in diesem politischen Raum sind Sprechen und Handeln und die zentrale Kategorie, die ihn organisiert, ist die Pluralität. So schließen das Handeln und das Sprechen in der Öffentlichkeit zwangsläufig eine Mehrzahl von Akteuren ein. Die Pluralität der Handelnden ist dabei sowohl numerisch als auch qualitativ zu verstehen: Es bedarf immer mehrerer Akteure, um einen öffentlichen Raum zu etablieren und diese sind kraft Natalität – der Bedingung der menschlichen Existenz, die eine radikale Einzigartigkeit jedes Menschen garantiert – voneinander radikal unterschiedlich. Die Pluralität der handelnden Subjekte gewährleistet die Pluralität der Perspektiven auf die gemeinsame Welt, die durch ihre Bewohner repräsentiert werden. Die Welt als ein Raum, der zwischen handelnden Menschen entsteht, eröffnet sich jedem auf eine andere Weise. Es ist die Interaktion dieser verschiedenen Perspektiven, die der öffentlichen Sphäre ihre Qualität verleiht: Je größer die darin zum Ausdruck kommende Diversität, desto fruchtbarer kann das gemeinsame Handeln der daran beteiligten Akteure werden. Doch die politische Kompetenz kann unter den Bedingungen des drohenden Weltverlustes und der Krise des gemeinsamen Handelns, die Arendt diagnostiziert, nicht als ein reines Aktivsein in der Öffentlichkeit begriffen werden. Sie muss um ein reflektierendes Element ergänzt werden: das Urteilen, das zur Fähigkeit jedes politischen Akteurs werden soll.
Arendt übernimmt ihr Konzept des Urteilens von Kant, wobei ‚übernehmen‘ hier etwas irreführend wirken mag. Ihre Interpretation bezeichnet Margaret Canovan als ‚äußerst selektiv, um nicht zu sagen: pervers’. Ich werde hier die Einzelheiten von Arendts Deutung nicht näher erörtern – dies wurde schon mehrmals gemacht. An dieser Stelle ist entscheidend, dass Arendt in Anlehnung an Kants dritte Kritik ein Konzept des Urteilens formuliert, das sie als ‚Erweiterte Denkungsart‘ bezeichnet, was so viel bedeutet, wie: ‚an der Stelle jedes anderen zu denken‘, der ich nicht bin. Das Denken, das Arendt nach Sokrates als ein Dialog zwischen mir und mir selbst bezeichnet, wird hier erweitert: Nun führt ein Subjekt ein stummes Gespräch mit multiplen Gesprächspartnern innerhalb einer spekulativen ‚Gemeinschaft der Urteilenden‘. In einem solchen Gespräch versucht das Subjekt, den Gegenstand des Urteilens aus möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, die von seiner eigenen abweichen. Im Ergebnis, so Arendt, ist „[d]ie Gültigkeit solcher Urteile […] weder objektiv und universell, noch subjektiv, von persönlichen Einfällen abhängig, sondern intersubjektiv und repräsentativ.“ Ein politisches Urteil im Sinne Arendts wird also durch mehrere Kriterien bestimmt: Es ist intersubjektiv und repräsentativ, positioniert und zugleich unparteiisch, revidierbar und erweiterbar, daher immer vorläufig.
Die Intersubjektivität eines Urteils resultiert daraus, dass die Mitteilbarkeit seine notwendige Bedingung ausmacht. Unabhängig davon, ob dabei ein Konsens oder ein Dissens entsteht, muss ein Urteil innerhalb spekulativer, aber rationaler Gemeinschaft der Urteilenden kommunizierbar sein. Daher Arendts bekannte ethische Schlussfolgerung, niemand, der denkt und urteilt, könne Ritter Blaubart sein wollen, denn seine Meinungen und Taten wären schon auf der kommunikativen Ebene der Gemeinschaft der Urteilenden aufgehoben. In anderen Worten: Bei jedem Urteil ist durch die erweiterte Denkungsart die potentielle Zustimmung der anderen mitgedacht. Ein Urteil, das auf keinerlei Zustimmung seitens der Miturteilenden stößt, entfremdet den Urteilenden. Darüber hinaus ist ein Urteil repräsentativ ist, weil es möglich viele und möglich unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt, sowie positioniert, indem es nicht von der Person des Urteilenden losgelöst werden kann. Zugleich ist es unparteiisch, indem es kritisch ist und andere Positionen genauso ernst nimmt wie die eigene Ausgangsposition. Und schließlich ist ein Urteil immer revidierbar und erweiterbar, weil der Umfang der spekulativen Gemeinschaft der Urteilenden mit der Zeit vergrößert, verändert, verschoben werden kann. So werden neue Perspektiven in Betracht gezogen, die den Urteilenden anders beeinflussen. So werden politische Urteile durch die Kontingenz ihrer Ergebnisse gekennzeichnet. Damit kommt darin ein Element der Pluralität zur Geltung: Das Urteilen wird das politischste aller menschlichen Geistesvermögen, denn es führt zu der Wiedergewinnung der multiperspektivischen Qualität der gemeinsamen Welt, in der das Handeln stattfindet.
Aber wie kann die intersubjektive und kritische Qualität des Urteilens zugesichert werden? Denn es scheint ziemlich einfach zu sein: Mit einer spekulativen Urteilsgemeinschaft im Hinterkopf macht man es sich bequem und malt sich alle mögliche Perspektiven aus, die anders sind als die eigene, z.B. die Perspektive einer zweifachen syrischen Mutter, die nachdem das Boot, auf dem sie durchs Mittelmeer unterwegs war, gekentert ist, mit ihren Kindern acht Stunden im Wasser verbracht hat, ehe sie gerettet wurden; die, trotz ihrer universitären Bildung und vorausgehenden Karriere, in Deutschland ohne Papiere und ohne Sprachkenntnisse ankommt und ein ‚Niemand‘ ist. Es ist klar, dass hier eine Missdeutung leicht geschehen kann, sollte man behaupten, sich einfach so ‚in eine andere Person zu versetzen‘ oder ‚eine andere Position übernehmen‘ zu können. Das ist selbstverständlich eine realitätsferne Vorstellung und ein solches Urteilsvermögen wäre praktisch völlig unbrauchbar. Arendt selbst war sich dieser Problematik nur teilweise bewusst. Sie nennt etwa ein Beispiel der Slum-Bewohner, deren Perspektive sie versucht zu rekonstruieren, das aber alles andere als überzeugend wirkt.
Die arendtsche Urteilskraft sieht also einer Schwierigkeit entgegen, die Gültigkeit der Deutung der jeweiligen Perspektiven zu legitimieren. Arendt deutet auf die Lösung Problems hin, indem sie das Verhältnis zwischen dem Urteilen und dem Handeln mithilfe der Metapher einer Theatervorstellung beschreibt. Sie vergleicht die Welt mit einer Bühne, auf der die politischen Akteure auftreten und sich dadurch im öffentlichen Erscheinungsraum exponieren. Die Urteilenden erweisen sich als Zuschauer, die das Spiel der gemeinsamen Welt aus einer Distanz betrachten. Diese Dichotomie zwischen den Darstellern und dem Publikum dient Arendt zur Unterscheidung zwischen dem Handeln und den Tätigkeiten des Geistes. Wie ich zeigen werde, stellt sie sich aber nicht als eine starre Entgegensetzung, sondern ein dynamisches Wechselspiel heraus.
Die einzigartige Position des arendtschen Urteilenden setzt voraus, dass er weder aus der Welt der menschlichen Angelegenheiten völlig ausgeschieden ist, noch eine objektive Stellung einnimmt, die von seiner Person abstrahiert und damit jegliche Subjektivität unterbindet. Seine Position ist weder objektiv noch subjektiv. Stattdessen strebt er ein Urteil an, das in der Welt verortet ist und zugleich auf der erweiterten Denkungsart basiert, das heißt auf der Fähigkeit, ‚an der Stelle jedes andern zu denken‘. Dies ist nicht mit Übernahme der Position eines anderen gleichzusetzen, sondern baut auf der Einbildungskraft auf: Der Urteilende nimmt gedanklich die Position eines anderen ein, der er nicht ist, und versucht, von dieser Position aus zu denken, ohne auf die eigene Persönlichkeit zu verzichten. Anders als in der metaphysischen Tradition, die das Erkenntnissubjekt immer im Singular, als einen aus der Welt ausgeschiedenen Betrachter der Wahrheit sieht, kann der arendtsche urteilende Zuschauer nicht im Singular gedacht werden, sondern immer als ein Teil eines Publikums. Das Urteilen ist somit ein vielstimmiges Gespräch, in dem ich sowohl meine eigenen als auch die möglichen Urteile der anderen in Betracht ziehe. Die Pluralität der Welt äußert sich bei so verstandener Urteilskraft sowohl in ihrer vereinenden als auch in trennender Funktion: Man sucht in der öffentlichen Sphäre nach den anderen, mit denen man sich identifizieren und politische Bündnisse schließen, das heißt eine Gemeinschaft bilden, kann; aber auch nach den anderen, von denen man sich abgrenzen kann. Ähnlich wie im Falle des Denkens, bei dem wir nach Arendt entscheiden ‚mit wem wir zusammen leben wollen‘, bloß im weniger metaphorischen Sinne, entscheiden wir dies auch beim Urteilen. Das Kriterium der Mitteilbarkeit hilft dem Urteilenden zu bestimmen, mit wem er zusammen handeln und die gemeinsame Welt mitgestalten will. Der Maßstab dabei ist die ‚gute Gesellschaft‘, in der sich jeder Handelnde – nun nicht nur in einem stummen Dialog mit sich selbst, sondern auch in der realen Welt – befinden will. Im Ergebnis wird ein Urteil gefällt, durch das ich entscheide, mit wem ich mich identifizieren und politische Bündnisse schließen kann; aber zugleich, von wem ich mich abgrenze.
Arendt sagt auch: „Ein kritischer Beobachter befindet sich in jedem Akteur.“ Mit dieser Wechselbeziehung zwischen den zwei Positionen wird die Verbindung vom Urteilen und Handeln geschaffen. Um die Vorteile beider Positionen zu bewahren, kann es aber nicht zur Verschmelzung des Zuschauers und des Akteurs kommen: Der politische Raum entsteht durch das Sehen und Gesehenwerden. Um überhaupt in der öffentlichen Sphäre zu erscheinen, braucht jeder Akteur die Zuschauer, die ihn erscheinen sehen und wahrnehmen können. Der Zuschauer hingegen braucht das Spiel der Darsteller, um seine Aufgabe zu legitimieren. Diese zwei Rollen werden in einer Person vereinigt. Wie Linda Zerilli feststellt: „‚Spectator‘ is not another person, but simply a different mode of relating to, or being in, the common world.“ Es ist also vielmehr so, dass jeder an der öffentlichen Sphäre beteiligter Mensch beide Rollen in sich vereinigt und zwischen den beiden fluktuiert, ohne von der anderen völlig zu abstrahieren. Der Zuschauer ist nicht völlig aus der Welt ausgeschieden, und der Akteur hat die Ergebnisse seines Urteilens beim Handeln und der Mitgestaltung des politischen Raumes zur Verfügung. Die Konstitution der gemeinsamen Welt ist nur durch die Wechselwirkung der Perspektiven von Zuschauer und Akteur möglich. So wird die Übung der Urteilsfähigkeit zu einer der wichtigsten Aufgaben nicht nur im Bereich der politischen Propädeutik, sondern auch im Bereich des ausgereiften Handelns. Denn Arendt wusste, ähnlich wie Benjamin, dass die Aufklärung nie ein für alle Mal erreicht werden kann und dass das Licht des Öffentlichen immer wieder in den finsteren Zeiten überschattet wird.
2.
Jeder Mensch hat eine Disposition zum Urteilen, genauso wie zu den anderen geistigen wie praktischen Tätigkeiten. Anders als zum Beispiel im Falle des Handelns, das spontan durch den Eintritt in den öffentlichen Raum geschieht, muss das Urteilen erst entwickelt und geübt werden. Dies geschieht natürlich hauptsächlich informell, durch Kommunikation und Reflexion. Arendt schlägt aber auch eine Methode vor, das politische Denken zu stärken: Übungen im politischen Denken, die einen essayistischen Versuch darstellen, politisch zu urteilen mit dem Ziel, die eigene Fähigkeit des Urteilens zu verbessern. Die Übungen können insofern als eine Strategie verstanden werden, mit der Pluralität der Welt umzugehen. Ihre Stärke liegt darin, dass kein Surrogat, keine ‚Vorkompetenz‘, sondern die eigentliche Urteilskraft performativ eingesetzt wird. Dies geschieht allerdings unter gewissermaßen kontrollierbaren Bedingungen: Der Gegenstand des Urteils wird nicht zwangsläufig durch die Ereignisse in der gemeinsamen Welt prompt angeregt, sondern darf vorbestimmt werden. Der Urteilende kann sich auch Zeit nehmen, um ein – wie immer vorläufiges – Urteil zu fällen. Und die Ergebnisse der Übung haben nur bedingt Einfluss auf sein eigentliches Handeln.
Das Urteilen ist für jeden, der sich als ein Bewohner der gemeinsamen Welt begreift, politisch relevant. So sind die arendtschen Übungen im politischen Denken als ein Projekt der Aufklärung zu sehen, in dessen Rahmen die Leser auf freiwilliger Basis zum politischen Mitdenken eingeladen werden. Gewonnen wird dadurch eine Schlüsselkompetenz, die dem Interagieren in der öffentlichen Sphäre zugrunde liegt. Arendt folgt Sokrates, dessen Aktivität auf der Agora sie als eine politische sieht, und versucht, durch ihre Schriften die Perspektive der Leser auf die gemeinsame Welt ‚wahrhafter‘ zu machen. Arendt sieht die Einübung des politischen Denkens als einen kontinuierlichen Weg: „each new generation, indeed every new human being as he inserts himself between an infinite past and an infinite future, must discover and ploddingly pave it anew.“ Diese aufklärerische Aufgabe kann nie vollendet werden, was dem vorläufigen Charakter der politischen Urteile selbst entspricht.
Die Übungen, wie Arendt anmerkt, zielen darauf, Erfahrung darin zu erwerben, wie man denkt, statt vorzugeben, was man denken soll. So beabsichtigen sie auch nicht, bestimmte Wahrheiten zu vermitteln, stattdessen zeigen sie, wie das politische Denken verläuft. Die Gültigkeit der Ergebnisse arendtscher Übungen ist dabei exemplarisch: Ihre Essays streben keine allgemeingültigen Erkenntnisse über das Politische an und stellen nur Beispiele dar, wie Übungen im politischen Denken durchzuführen wären. Der essayistische Stil von Arendts Übungen im politischen Denken wirkt sich auf ihre Form aus. Die Übungen folgen keinem festen Schema; sie werden nicht, wie im Falle anderer Typen philosophischer Exerzitien, durch Absolvierung von festgelegten Phasen durchgeführt. Ihr Aufbau wird lediglich durch zwei Momente bestimmt: das kritische und das experimentelle. Arendt beschreibt sie folgendermaßen: „Since these exercises move between past and future, they contain criticism as well as experiment, but the experiments do not attempt to design some sort of utopian future, and the critique of the past, of traditional concepts, do not intend to ‚debunk‘.“ Die zwei Elemente einer Übung, die Kritik und das Experiment, entsprechen jeweils der Orientierung auf die Vergangenheit und die Zukunft. Der Urteilende betrachtet zunächst kritisch die Vergangenheit, was ihm eine Referenz bietet, um ein experimentelles, zukunftsgerichtetes Urteil zu fällen. Arendts narrative Methode wird dabei zum Mittel der Kritik der Vergangenheit, welche die Leser auf die Aufgabe des experimentellen politischen Denkens vorbereitet. Darin realisiert sich das Modell der partiellen, verorteten politischen Erkenntnis, deren Ergebnisse revidierbar und erweiterbar sind. In diesem Sinne korreliert die Freiheit des politischen Denkens mit der des politischen Handelns, mit dem Unterschied, dass der Urteilende (als ein Zuschauer) eine Distanz zur gemeinsamen Welt behalten muss, die dem Handelnden (als einem Akteur) fehlt.
Kritisches Denken stellt eine Voraussetzung des Urteilens dar, und diese Kritik hat einen aufklärerischen Charakter: Sie entzieht sich sowohl dem Dogmatismus als auch dem Skeptizismus. Arendts Anspruch, die Begriffe des politischen Vokabulars, die heutzutage nur noch als ‚leere Hülsen‘ – leblose, reflexionslos wiederholte Floskeln – vorhanden sind, erneut mit Sinn zu erfüllen, impliziert einerseits Kritik des dogmatischen Umgangs mit dem Politischen. Die öffentliche Sphäre muss dynamisch und frei bleiben, wenn sie nicht zu einer Verwaltungsbürokratie erstarren soll. Das kritische Nachdenken über die Kategorien der politischen Sprache erlaubt es dem Übenden, die Welt aus einer frischen, konstruktiven Perspektive zu sehen und sich darin verantwortungsvoll und kreativ einzubringen. Andererseits, auch wenn Arendts Übungen nicht beabsichtigen, utopische Zukunftsszenarien zu entwerfen, ist daraus keine skeptische Haltung abzuleiten. Stattdessen kommt hier eine Pluralität der möglichen Ergebnisse des Urteilens zum Ausdruck: Jede kritische Interpretation der Vergangenheit beinhaltet ein Element des Experimentellen, so Arendt. Die Ergebnisse der politischen Erkenntnis haben immer einen temporären Charakter, und die neuen, revidierten Ansätze, die nicht selten auf einem realen Austausch basieren, fließen in die Übungen mit ein.
Statt utopische Zukunftsentwürfe auszuführen, bieten die Übungen eine Modellsituation für die Urteilskraft. Sie sind Beispiele einer Handlung-Akteur-Konstellation, die aus der Position eines Betrachters reflektiert wird und somit zum Stoff des Urteilens in seiner propädeutisch-politischen Funktion wird. Eine Übung ist eine Art Gedankenexperiment, in dem die Urteilskraft in einer Versuchssituation eingesetzt wird. Der offensichtliche Unterschied zu einer utopischen Vision besteht darin, dass der Übende keine Wunschvorstellungen der gemeinsamen Welt voraussetzt, sondern sich als Beobachter der ihm tatsächlich erscheinenden Öffentlichkeit definiert. Arendts Essays spielen dabei die Rolle der exemplarischen Exzellenzübungen im politischen Denken, denn sie bringen einen sehr weiten, sei es historisch-philosophischen, sei es aktuell politischen Kontext des diskutierten Problems zur Erwägung. Dadurch lädt Arendt die Leser dazu ein, sich in einer experimentellen Umgebung, in der sie sich vielleicht sogar durch den Überfluss an Impulsen überfordert fühlen mögen, als urteilende Beobachter zu versuchen. Ihre Essays sind in diesem Sinne Modelle höherer Ordnung. Doch Arendt sagt deutlich, dass das politische Denken von Bedeutung für jeden Handelnden ist – und insofern von jedem geübt werden kann. Dieser egalitäre Anspruch erlaubt eine Anpassung der Komplexität einer Übung sowie seiner Problematik auf den jeweiligen Übenden und auf den jeweiligen politischen Kontext. Ihre Aufgabe besteht darin, die Fähigkeit des politischen Urteilens als erweiterte Denkungsart zu praktizieren. In diesem Sinne zielen die Übungen darauf, durch Kritik und Experiment eine Kompetenz zu entwickeln, mit der Pluralität der politischen Gemeinschaft umgehen zu können. Deshalb sind sie besonders gut dafür geeignet, die Fragen um das Thema Migration anzugehen.
3.
Bei Arendt lassen sich drei Modelle der Übungen im politischen Denken nachvollziehen, die jeweils um ein Beispiel zentriert sind: die historisch-phänomenologische Überlegungen über die Grundbegriffe des politischen Vokabulars, die Beschreibung der exemplarischen politischen Handlungsräume und die Darstellungen beispielhafter Handlungen politischer Akteure. Ich werde hier jeweils ein Fallbeispiel skizzieren, das zeigt, welche Fragen zur Grundlage solcher Übungen werden können. Den inhaltlichen Hintergrund bildet hier die breit verstandene Erfahrung der Migration: sowohl als die Erfahrung der eigenen räumlichen Versetzung als auch die Erfahrung mit migrierenden Menschen oder Einwanderer_innen. Arendts Urteilskraft hat dabei einen Vorteil gegenüber normativen Prinzipien, die oft das Zusammenleben der ethnisch heterogenen Gemeinschaft prägen, wie etwa Mitleid, moralisches Verpflichtungsgefühl, Dankbarkeit. Im Gegensatz zu diesen zielt sie auf ein symmetrisches Verhältnis zwischen Mitgliedern aller beteiligten gesellschaftlichen Gruppen, womit sie eine Begegnung auf Augenhöhe erlaubt. Sie entspricht damit den Anforderungen einer auf Pluralität basierenden politischen Gemeinschaft, „in der alle dasselbe sind, nämlich Menschen, aber dies auf die merkwürdige Art und Weise, dass keiner dieser Menschen je einem anderen gleicht, der einmal gelebt hat oder lebt oder leben wird.“
Im Hinblick auf die ethnische und kulturelle Diversität einer politischen Gemeinschaft bedeutet Arendts Konzept des Urteilens mit seiner praktischen Anbindung an das Handeln zweierlei: Erstens erlaubt die ausgeprägte Kompetenz des politischen Urteilens eine bessere Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, die gemeinsam leben und handeln müssen. Das Urteilen, wie Arendt es versteht, ist darauf ausgerichtet, jegliche Trennungen gemäß der Unterscheidung ‚wir und die-da‘ anzufechten. Die Offenheit für die Perspektive des Anderen und die Mitteilbarkeit eines Urteils werden zu grundlegenden Voraussetzungen der politischen Erkenntnis. Insofern zieht die Entwicklung der Kompetenz des politischen Urteilens zwangsläufig ein besseres Verständnis zwischen Menschen nach sich, die sich in Hinblick auf ihre Kultur, ihre Muttersprache, ihre Herkunft und ihre Biographie unterscheiden. Zweitens trägt die Präsenz der Migrant_innen im öffentlichen Raum zur Bereicherung des Meinungsspektrums im Rahmen der spekulativen Urteilsgemeinschaft bei, wovon alle politischen Akteure in ihrem Urteilen profitieren können. Da der Urteilende nicht nur isoliert im Rahmen einer spekulativen Urteilsgemeinschaft tätig ist, sondern zwischen den Rollen des Beobachters und des Akteurs fluktuiert, berücksichtigt er in seiner Tätigkeit als Urteilender seine Erfahrungen als Akteur. Das bedeutet: Wenn er sich als Akteur in einer pluralistischen öffentlichen Sphäre bewegt, beeinflusst dies sein Urteilsvermögen, indem das Spektrum der denkbaren Perspektiven breiter wird. Was ein Akteur durch das Handeln und Sprechen mit anderen lernt, kann er als Urteilender umsetzen. Und umgekehrt: Je besser er seine Urteile legitimieren kann, desto verantwortungsvoller handelt er.
Beispiel 1: Grundbegriffe des politischen Vokabulars
Kritisch betrachtet ist unser Verständnis der Begriffe der politischen Sprache nicht selbstverständlich. Dafür ist die historische Phänomenologie heute genauso nützlich wie zu Zeiten Arendts. Dies betrifft auch den Begriff der Migration.
Die gängige Definition besagt, Migration sei eine räumliche Verlegung des Lebensmittelpunktes einer Person. Doch diese allgemeine Bestimmung kann weiter relativiert werden. Der Begriff taucht in letzter Zeit sowohl im öffentlichen als auch im wissenschaftlichen Diskurs hauptsächlich im Kontext der sogenannten ‚Flüchtlingskrise‘ auf. Diese Kontextualisierung ist so stark, dass der Begriff ‚Migration‘ unmittelbar das Bild eines in Südeuropa gestrandeten Flüchtlings hervorruft. Doch Migration ist natürlich ein viel facettenreicheres Phänomen. Migration kann ungewollt, äußerlich erzwungen, negativ gewollt (im Sinne des kleineren Übels), aber auch positiv gewollt sein. Die Gründe der Migration müssen nicht dramatisch sein, oft handelt es sich um rein positive Beweggründe. Es kann auch passieren, dass Migration eine Art Zufall darstellt – aus einer geplant kurzen Aufenthalt werden Jahre und Jahrzehnte. Die Hintergründe der Migration und deren Verlauf können sehr verschieden sein. Doch eine solche radikale Verlegung des Lebensmittelpunktes resultiert oft in einer existenziellen Krise, die leichter oder schwieriger überwunden werden kann.
Die oben genannte Grunddefinition muss also vertieft und kritisch reflektiert werden, damit sie zu einem Hinweis für die Urteilskraft werden kann. Einerseits liegt dem Ereignis der Migration eine bestimmte lebendige Erfahrung zugrunde. Diese Erfahrung ist einzigartig, aber sie ist auch intersubjektiv verständlich. Unter denjenigen, die direkte eine Migration erlebt haben oder damit indirekte über Menschen mit einer Migrationsgeschichte in Berührung gekommen sind, scheinen sich viele Elemente zu wiederholen. In Bezug auf das Sichtbare: Viele Migrant_innen unterscheiden sich äußerlich von der Mehrheit der Bevölkerung im Einwanderungsland. Viele wollen auch ihre Andersartigkeit durch ihr äußerliches Erscheinungsbild betonen. Was folgt daraus für das Zusammenleben sowie das Erleben des geteilten geographischen und symbolischen Raumes? Welche Auswirkung hat es auf einen Menschen, als ‚Anderer‘ wahrgenommen zu werden? Warum wird Kopftuch zum Politikum, ein ausländisches Fußballtrikot aber nicht? In Bezug auf das Hörbare: Viele Migrant_innen kommen aus Ländern, in denen eine andere Sprache gesprochen wird. Diese Dimension der Migrationserfahrung macht sich durch das Miteinandersprechens mit den Bewohnern des Einwanderungslandes, durch die Unmöglichkeit eines solchen Gesprächs, durch die Grenzen der Kommunizierbarkeit oder durch das Miteinandersprechen in der Muttersprache deutlich. In Bezug auf das Leibliche: Eine Erfahrung der Migration besteht auf der Grundebene darin, als ein Körper räumlich versetzt zu werden. Dies resultiert häufig in Desorientierung und erfordert fast immer eine intensive Neuorientierung in der Welt, in die man ankommt. Als ein Migrierender befindet man sich physisch an Orten, die spezifisch für diese Erfahrung sind: die Grenze, der Lager, das Einwanderungsland; aber man ist auch in Bewegung und insofern an keinem spezifischen Ort. Alle diese Facetten sind Bestandteile einer Migrationserfahrung.
Andererseits hat der Begriff der Migration eine normative Gewichtung. Migrantinnen und Migranten werden oft als Fremde gesehen, sehen sich aber auch selbst oft als Fremde in dem Raum, in dem sie leben. Je nach politischen Lage und dem Tenor des öffentlichen Diskurses wirkt sich diese Gegebenheit auf die ethische Einstellung gegenüber den Einwanderern in der jeweiligen Gemeinschaft, was sich wiederum auf das Zusammenleben einer ethnisch heterogenen Gruppe auswirkt. Und genau dieses Zusammenleben ist von zentraler existenzieller und politischer Bedeutung – auch wenn wir durch die Inszenierungen im wissenschaftlichen Diskurs und der öffentlichen Debatte um die Migration leicht den Eindruck gewinnen, dass es sich um zwei homogene Gruppen handelt, die voneinander getrennt bleiben, selbst wenn sie denselben geographischen Raum bewohnen. Dieses fragile Zusammenspiel der Gleichheit und Differenz zeigt sich bei Arendt nicht nur auf der existenziellen Ebene der menschlichen Bedingtheit in ihrem Begriff der Pluralität, sondern wird auch exemplarisch in ihrem Essay Wir Flüchtlinge thematisiert. Sie beschreibt darin die Erfahrung, die – in einigen oder vielen Aspekten – von Millionen von Juden in Europa und in den USA geteilt wurde. Und sie weist dabei auf die Ironie: Je mehr ein migrierender Mensch versucht, sich an die für ihn neue Welt anzupassen, desto deutlicher wird seine Andersartigkeit. Arendt schreibt: „Wir sind ein wenig hysterisch geworden, seit Zeitungsleute damit angefangen haben, uns zu entdecken und öffentlich zu erklären, wir sollten aufhören, unangenehm aufzufallen, wenn wir Milch und Brot einkaufen.“ Der einzige Weg führt über die Anerkennung der Differenz (Arendt nach Lazare: bewusster Paria) hin zur Wiederaufnahme der eigenen Partizipation an der Gestaltung des Öffentlichen. Dies erlaubt eine Verschiebung der Perspektive: Eine normative Bewertung ‚von außen‘ (gemäß der Frage: Welche und wie viele Flüchtlinge sollen wir aufnehmen) kann durch ein der gemeinsamen Welt inhärentes normatives Prinzip ersetzt werden, nämlich amor mundi.
Beispiel 2: Beschreibung exemplarischer politischer Handlungsräume
Migranten sind Fremde: Sie kommen von außen, sind nicht per se ein Teil der Gemeinschaft, in der sie ankommen. Abhängig von zahlreichen Bedingungen, die eine spezifische Migrationsgeschichte bestimmen, können und wollen sie ihre Fremdheit im unterschiedlichen Grade relativieren. Die Europäische Union, zum Beispiel, stellt – trotz politischer Krisen und Spannungen zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten – einen verhältnismäßig stabilen politisch-rechtlichen Raum dar, in dem man sich vergleichsweise frei bewegen kann. So sind die europäischen Bürger_innen insofern privilegiert, als dass sie eine gute Grundlage haben, sich überall in diesem Raum zu Hause fühlen zu können. Am anderen Ende des Spektrums stehen Flüchtlinge und illegale Migrant_innen. Sie sind am Handeln und Sprechen in dem politischen Raum, in dem sie sich faktisch befinden und von dem sie tangiert werden, nicht beteiligt. Sie treten als politische Akteure nicht in Erscheinung und sind daher in der öffentlichen Sphäre unsichtbar. Dabei werden sie durchaus faktisch von dem darin stattfindenden politischen Zusammenleben tangiert und in ihrer politischen Passivität, vor allem durch die mediale Darstellung, instrumentalisiert.
Vor sechs Jahren entschloss sich eine Gruppe derjenigen, die normalerweise unsichtbar bleiben, sich in der Öffentlichkeit zu exponieren. Vom Oktober 2012 bis April 2014 dauerten Proteste am Oranienplatz in Berlin. Flüchtlinge und Asylbewerber, die dort ihre Zeltstadt aufschlagen, protestierten gegen die ihrer Ansicht nach menschenwürdeverachtenden Praktiken des Asylverfahrens und die Bürokratisierung des Umgangs mit Asylsuchenden. Hauptpunkte dabei betrafen die damals geltende Residenzpflicht, das Arbeitsverbot und die Unterbringung in überfüllten Heimen. Es handelte sich dabei um ein spontanes Zusammenkommen von mehreren Menschen (am Höhepunkt waren es über 100 Personen), die sich entschieden, in das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Es entstand ein extrem pluralisierter Handlungsraum: Teilnehmer_innen der Proteste berichteten gleichermaßen vom Gefühl der Einheit und von tiefen Unterschieden zwischen den beteiligten nationalen Gruppen sowie zwischen individuellen Protestierenden. Der Erfolg der Proteste blieb aus. Doch viele Beteiligten, sowohl Migrant_innen als auch Deutsche, berichteten davon, wie sie die Erfahrung des Zusammenhandelns, auch unter zutiefst widrigen Umständen, geprägt hat.
Wie Arendt anmerkt, teilen Flüchtlinge mit den verfolgten Völkern der Welt eine Tendenz, sich einander zu nähern und von der gemeinsamen Welt abzuschotten. Da ihnen die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, schützen sie sich im Privaten und entwickeln ein Surrogat der weltlichen Menschlichkeit: die Brüderlichkeit, also ein intimes Gefühl der Zusammengehörigkeit dort, wo keine Beteiligung am menschlichen Interagieren in der öffentlichen Sphäre möglich ist. Dieses Gefühl bietet den Bedrohten, Verfolgten und Machtlosen einen Schutz – sowohl vor den traumatischen Erfahrungen der ‚finsteren Zeiten‘ als auch vor dem enthüllenden Licht der Öffentlichkeit. Die emotiven Beweggründe, sich vor diesem Licht verbergen zu wollen, sind nachvollziehbar. Hinzu kommen auch Lebens- und Existenzängste, die bei den Asylbewerber_innen und sans-papiers oft sehr ausgeprägt sind. Da viele Menschen durch die Flucht und ungewollte Migration von ihren Familien und Freunden getrennt worden sind, steigert sich noch der Bedarf nach einer engen und sicheren menschlichen Umgebung. Die Priorität ist, um auf Arendts Ausdruck zurückzukommen, ‚nicht unangenehm aufzufallen‘.
Umso beachtlicher wird der Entschluss der Protestteilnehmer_innen vom Oranienplatz, diese sichere Umgebung zu verlassen und in das erblindende Licht der Öffentlichkeit zu treten. Der Schritt von der schützenden Sphäre des Privaten in den Raum des gemeinsamen Handelns und Sprechens erfordert immer Mut, so Arendt. Dies bedeutet, dass es selbst für Menschen, für die eine Mitgestaltung der gemeinsamen Welt zu den alltäglichen Erfahrungen gehört, nicht eine Selbstverständlichkeit ist: „Courage is indispensable because in politics not life but the world is at stake.” Es erfordert aber Mut, in die Öffentlichkeit zu treten, wenn die eigene Existenzgrundlage so fragil ist, wie im Falle der illegalen Migrant_innen und Asylbewerber_innen. Es besteht ein hohes Risiko, dass dieses Licht, in das man sich dabei exponiert, sich als zu hell erweist, denn die herkömmlichen Institutionen eines Staates tendieren zur Bürokratisierung und die vermeintlich aufgeklärten Bürger_innen tendieren zur Gewalt. Die reale Alltagswelt ist nicht immer dem arendtschen Modell gewachsen. Und trotzdem ist es den Teilnehmer_innen der Proteste gelungen, in diesem nichtidealen politischen Raum ein Zeichen zu setzen und „den eigenen Faden in ein Gewebe [der menschlichen Angelegenheiten] zu schlagen.“
Beispiel 3: Darstellungen von beispielhaften Handlungen politischer Akteure
In ihrer Auseinandersetzung mit Totalitarismus und anderen Krisen des Politischen, die sie stets nach Brecht als ‚finstere Zeiten‘ bezeichnet, betont Arendt immer wieder: „Denn die Lehre solcher Geschichten ist einfach, ein jeder kann sie verstehen. Sie lautet, politisch gesprochen, dass unter den Bedingungen des Terrors die meisten Leute sich fügen, einige aber nicht.“ und spricht von der „Überzeugung, dass wir selbst dann, wenn die Zeiten am dunkelsten sind, das Recht haben, auf etwas Erhellung zu hoffen, und dass solche Erhellung weniger von Theorien und Begriffen als von jenen unsicheren, flackernden und oft schwachem Licht ausgehen könnte, welches einige Männer und Frauen in ihrem Leben und ihren Werken anzünden und über die ihnen auf der Erde gegebene Zeit leuchten lassen […]“. Diese Überzeugung fußt auf dem Faktum der Pluralität. Auch in den Zeiten einer Krise der Öffentlichkeit, wenn die meisten Menschen ‚sich fügen‘, besteht eine Möglichkeit zu handeln, die aus einem subjektiven Entschluss basiert. Arendt skizziert in ihren biographischen Essays mehrere Portraits von Menschen, denen sie eine solche Erhellungskraft zuschreibt. Dabei zeigt sich, dass sich hier beide Facetten der Pluralität offenbaren: In den dunklen Zeiten entschließt sich jede und jeder zu einer Handlung als ein einzigartiger Mensch, es bedarf aber immer mehrere, die einen ähnlichen Entschluss fassen oder ihn mittragen.
2015 entschlossen sich ein paar junge Menschen, angesichts der zunehmenden Berichte über Flüchtlinge, die auf dem Mittelmeer umkommen, selbst tätig zu werden. Sie gründeten einen Verein, sammelten Gelder, kauften ein Schiff und nahmen unzählige bürokratische Hürden, um zu zeigen: Jugend rettet.
Anfangs war ihr Ansatz erfolgreich: Zusammen mit anderen Schiffen, von denen viele privaten Hilfsorganisationen gehörten, konnten sie Menschen in Seenot helfen. Doch es zeigte sich, dass die politische Situation doch nicht so einfach war. Italien war überfordert und die Einschränkung der Zahl von Flüchtlingen, die die italienische Küste erreichen, wurde zur Priorität. Bald sah sich „Jugend rettet“ den Vorwürfen gegenüber, mit Schleppern zusammengearbeitet zu haben – es gab Hinweise, die von der italienischen Behörde für überzeugend gehalten wurden. Das Schiff wurde beschlagnahmt, gegen die Mitglieder des Vereins wird ermittelt.
In einer Zeit, in der sich die theoretische Diskussion um die Gewichtung der Umsetzung des Grundrechtes auf Asyl einerseits und des Souveränitätsrechts des Staates andererseits – eine Diskussion, die sich in der öffentlichen Debatte abbildet – ist es nicht einfach, einen Entschluss zur konkreten Handlung zu fassen. Die Fronten sind verhärtet, im politischen wie im ethischen Sinne. Es wird viel gesprochen, aber vielen fehlt die Motivation, auch aktiv zu werden, außer dass die Situation aus dieser oder anderen Perspektive beklagt wird. Viele Menschen sehen sich gerade angesichts einer Krise gerade zur Handlung befähigt. „Jugend rettet“ wagt dabei, einen großen Schritt: sie wollen, mit erheblichem finanziellen und organisatorischen Einsatz dort tätig zu werden, wo tatsächlich menschliches Leben gerettet werden kann. Es sind, in anderen Worten, junge Menschen, die sich entschlossen haben, in die Öffentlichkeit zu treten und gegen alle Schwierigkeiten das zu machen, was sie für ethisch richtig halten. Der Versuch endet tragisch, die Enttäuschung ist gewaltig.
Sind die Vorwürfe gegen ihre Organisation berechtigt? In ihren öffentlichen Auftritten haben die Mitglieder von „Jugend rettet“ keine Zweifel: Sie sind es nicht. Aber fragen sie sich im Privaten, ob das System sie nicht ausgetrickst hat? Ob ihre Devise, „man müsse endlich ETWAS machen“ nicht zu naiv war? Ob ihre Herangehensweise nicht zu radikal und zu riskant war? Oder müssen sie sich das nicht fragen, weil es ausreicht, an die Gesichter der Geretteten zu denken, um sicher zu sein, dass man moralisch gesehen gar nicht hätte anders handeln können?
In der sich radikalisierenden politischen Lage der heutigen Zeiten scheint es immer wichtiger, im Sprechen und Handeln die Gewichtigkeit der Grundrechte, die Fragilität der Erfahrungen vom Frieden, Freiheit und Wohlstand sowie die Notwendigkeit der Sorge um die gemeinsame Welt zu betonen. Der Radikalität der populistischen Gruppierungen, die sich durch ihre Vertreter gegen diese Werten aussprechen und sich somit hinter einer Stammesmoralität verstecken, die an Arendts Brüderlichkeit erinnert, kann man nur mit der Radikalität der kompromisslosen Menschlichkeit entgegentreten. Dies haben die Menschen von „Jugend rettet“ versucht. Durch dieses ‚Wagnis der Öffentlichkeit‘ haben sie die Dunkelheit unserer Zeiten etwas erhellt, auch wenn das Ausmaß dieser Erhellung uns vielleicht angesichts ihres Scheiterns unklar bleibt. Doch, wie Arendt betont: „Ob das Licht dieser Menschen das einer Kerze oder einer strahlenden Sonne war: Das vermögen wir mit unseren so sehr an die Dunkelheit gewöhnten Augen wohl kaum zu sagen. Doch eine objektive Bewertung dieser Art scheint mir von zweitrangiger Bedeutung zu sein; sie kann ruhig den Nachgeborenen überlassen werden.“
Diese drei Beispiele verdeutlichen Kontexte, in denen eine Übung im politischen Denken aufgebaut werden kann. Die politischen und pädagogischen Maßnahmen, durch die möglichst viele Menschen die Gelegenheit haben, diese Methode einzusetzen, müssen noch entwickeln werden. Es liegt aber nahe, auf die hier ausgeführten Beispiele bezogen, dass die Übungen die zwei Aspekte, in denen das Urteilen im Kontext der Migration relevant wird, verstärken. Sie unterstützen, erstens, ein besseres Verständnis zwischen Menschen mit unterschiedlichem kulturellen und ethnischen Hintergrund, denn sie erlauben durch ihren experimentellen Charakter, die spekulative Gemeinschaft der Urteilenden entsprechend zu erweitern. Zweitens bieten sie die Möglichkeit, die Fluktuation zwischen den Rollen des Zuschauers und des Akteurs umfassend zu nutzen, indem sie es ermöglichen, die eigentliche Urteilskraft unter kontrollierten Bedingungen einzusetzen – und so die Erfahrungen der nationalen, ethnischen und kulturellen Pluralität richtig zur Geltung zu bringen.
Unsere Welt ändert sich ununterbrochen. Um darin zurecht zu kommen und sich am gemeinsamen Handeln und Sprechen verantwortungsvoll beteiligen zu können, bedarf es einer gut ausgebildeten Urteilskraft. Durch die zweifache Aufwertung der Pluralität als Gleichheit und Differenz macht Arendt auf die politischen und gesellschaftlichen Fragen aufmerksam, denen wir heute in unserem politischen Urteilen und Handeln entgegensehen: politische Spaltung und politischer Extremismus, Umwandlung der gesellschaftlichen Strukturen infolge der verstärkten Migration, Verschiebungen der Grenzen des Privaten aufgrund der fortschreitenden Technologisierung und Digitalisierung. In diesem Essay habe ich vor diesem Hintergrund exemplarisch unterschiedliche Facetten der Migrationsproblematik beleuchtet. Das Phänomen der globalen Migration und die akute Lage der Flüchtlinge, die anstreben, in die sicheren und besser aufgestellten Länder zu gelangen, sind eine Realität der gemeinsamen Welt, in der wir leben. Es bedarf nicht Migrant_innen und Menschen mit heterogenem kulturellem Hintergrund, um gut politisch urteilen zu können, aber eine geschlossene Gemeinschaft als ein Modell des politischen Raumes vorauszusetzen, wäre kontrafaktisch. Arendt hat hingegen ‚die Welt so, wie sie ist‘ immer vor Augen behalten, und ihre Texte, als Übungen im politischen Denken interpretiert, stellen uns vor einer fortwährenden Aufgabe: Es geht nicht darum, eine bestimmte Einstellung in Menschen durchzusetzen, sondern darum, eine kritisch-experimentelle Haltung zu entwickeln, die nachhaltig das Zusammenleben einer pluralisierten Gemeinschaft prägt.
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