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Ausgabe 1, Band 9 – November 2018

 

Pluralität als „Konstitutionsprinzip“1 der Politik
Waltraud Meints-Stender*

 

Über die Relevanz des Begriffs der Pluralität für die Philosophie des Politischen von Han­nah Arendt besteht kein Dissens. Diskutiert wird aber, in welchem Verhältnis der Be­griff der Pluralität und der des Politischen bei Arendt stehen. Margaret Canovan vertritt die These, dass  Pluralität „the most distinctive feature of Arendts political thought“ sei (Ca­novan 1995, 209). Habe Arendt in ihrer Vorlesung zur Geschichte politischen Denkens (1955) darauf aufmerksam gemacht, dass „each of the key political thinkers of the past `has thrown one word into our world, has augmented it by this one word, because he re­sponded rightly and thoughtfully to certain decisively new experiences of his time`“ (Ca­novan 1995, 280), so gelte dies gerade auch für den Begriff der Pluralität: Er sei Arendts Antwort auf die Erfahrungen ihrer Zeit (Canovan 1995, 281). Ernst Vollrath ist sogar der Auffassung, die „Originalität“ Arendts bestehe in diesem Begriff (Vollrath 2003, 20). Für Dolf Sternberger bildet Pluralität bei Arendt das fundamentale „Konstituens des politi­schen Bereichs“ (Sternberger 1980, 177). Und auch Richard Bernstein argumentiert in diese Richtung, wenn er schreibt: „Plurality is not so much a permanent state of being as an achievement realized only when individuals act“ (Bernstein 1983, 208; Blättler 2001; Meints 2008; Nordmann 2011; Loidolt 2017). Für Seyla Benhabib wiederum enthält der Begriff Arendts „wahre Antwort auf die Existenzphilosophie, in der sie geschult war, und ihre Antwort auf deren eindrucksvollsten Vertreter Martin Heidegger. Die Entdeckung der menschlichen Pluralität wird Arendt in die Lage versetzen, an den Begriffen des menschlichen Handelns und der menschlichen Identität sowie schließlich auch an der Ka­tegorie der Welt grundlegende Änderungen vorzunehmen“ (Benhabib 1998, 96). Plurali­tät sei „als grundlegende Kategorie in Hannah Arendts Werk“ zu verstehen und verweise auf die „Bedingungen der Möglichkeit allen politischen Lebens: Weil wir alle derselben Gattung angehören, über Sprache und Vernunft verfügen, beziehungsweise die Fähigkeit des legein, des vernünftigen Versprechens besitzen, können wir miteinander kommuni­zieren, zusammen eine Welt schaffen oder auch uns gegenseitig vernichten“ (Benhabib 2013a, 309). Seien schließlich noch Sophie Loidolt und Veronica Vasterling erwähnt: Wäh­rend Loidolt von einer „Phänomenologie der Pluralität“ bei Arendt spricht und die These vertritt, dass Arendts Begriff der Politik und der Pluralität nur vor dem Hintergrund der Phänomenologie zu begreifen sei (Loidolt 2017), spezifiziert Veronica Vasterling Arendts Verständnis von Pluralität als „hermeneutic Phenomenological Approach, der als  „an­thropological notion in Arendts work“ gelesen werden könne, aber nicht als eine Bestim­mung der menschlichen Natur missverstanden werden dürfe: Arendt „rejects the question of human nature as a metphysical inquiry into essence“ (Vasterling 2015,162ff.).  

Angesichts einer solchen Vielzahl von Interpretationen wird man kaum behaupten kön­nen, dass der Begriff der Pluralität ein Desiderat der Forschung sei. Es fällt allerdings auf, dass der Begriff selten im Kontext von Arendts Hauptwerk dargestellt wird. Ist man aber daran interessiert, mehr über das politische Problem zu erfahren, das dem Begriff der Pluralität zugrunde liegt, nämlich das Problem von Gleichheit und Differenz, dann kommt man um Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft nicht herum. Ohne Bezug auf dieses Schlüsselbuch des 20. Jahrhunderts ist weder der intrinsische Bezug von Plura­lität und Politik noch die grundlegende Bedeutung des Begriffs für ihre Philosophie des Politischen wirklich zu verstehen.

Seyla Benhabib hat darauf hingewiesen, dass der Einfluss Heideggers auf das Denkens Arendts ausgerechnet in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft am deutlichsten hervortrete: „Arendts Phänomenologie des Totalitarismus, die von den Begriffen ‚Ein­samkeit‘ und ‚Weltlosigkeit‘ beeinflusst wurde, ist Heideggers Sein und Zeit sowohl in ih­rer kategorialen Struktur als auch in den speziellen phänomenologischen Beschreibungen verpflichtet“ (Benhabib 1998, 121).  Zugleich betont Benhabib, dass Arendt im Unter­schied zu Heidegger die Fähigkeit besaß, die phänomenologischen Begriffe für die Analy­se geschichtlicher, soziologischer und kultureller Phänomene fruchtbar zu machen (ebd.).  Nur deshalb sei ihr in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft eine „beispiellose Syn­these von Philosophie und Politik“ gelungen. Mir scheint hingegen, dass es die Kritik an Heideggers Philosophie und die kritische Relektüre des vorbürgerlichen Denkers Montes­quieu und die produktive Neuaneignung der Philosophie Kants waren, die Arendt nicht nur den Weg zur der Analyse totaler Herrschaft eröffnete, sondern auch die Konzipierung von Pluralität als politischer Kategorie ermöglichte (Meints-Stender 2009, 2011). Dies will ich in drei Schritten zeigen: Ich werde zunächst (I) kurz an die Differenz im Weltbe­griff von Arendt und Heidegger erinnern. Danach werde ich (II) Arendts Konzipierung von Pluralität als politischer Kategorie skizzieren, um schließlich (III, IV und V) die These vom intrinsischen Zusammenhang von Pluralität und Politik zu exponieren.

I. Welt als nicht gegebene, sondern zu erschaffende

Schon Ende der Zwanziger Jahre beginnt Arendt unter dem Einfluss der politischen Ent­wicklungen ihrer Zeit, der Philosophie Karl Jaspers und der Erfahrungen mit dem Zionis­mus sich kritisch mit der Philosophie ihres Lehrers, Mentors und Liebhabers Mar­tin Hei­degger zu beschäftigen. Die Hinwendung zum Miteinander, der Konstituierung des Welt- und Selbstverhältnisses im Miteinander, und die Frage, was die Menschen miteinander verbindet und wie dieses Miteinander sich gestaltet, sind schon früh Themen Arendts (siehe hierzu auch Kurbacher 2003). Bereits in ihrer Dissertation Über den Liebesbegriff bei Augustin (Arendt 2003; Kurbacher 2003) und auch in ihrem Buch über Rahel Varn­hagen, das sie mit dem Arbeitstitel Über das Problem der deutsch-jüdischen Assimilation, exemplifiziert an dem Leben der Rahel Varnhagen bei der „Notgemeinschaft der Deut­schen Wissenschaft“ 1930/31 beantragt hatte, ist ihr Standpunkt des Philosophierens ein anderer als der Heideggers.2 Im Varnhagen-Buch kritisiert sie ein reduziertes aufklä­rungsphilosophisches Verständnis von „Selberdenken“ ohne Weltbezug: „Das Selberden­ken befreit von den Gegenständen und ihrer Realität, schafft einen Raum des nur Denk­baren und eine Welt, die ohne Wissen und ohne Erfahrung jedem Vernünftigen zugäng­lich ist. Sie befreit vom Gegenstand wie die romantische Liebe den Liebenden von der Wirklichkeit der Geliebten erlöst“ (Arendt 1983, 20). Diese Form des Denkens wirke wie eine „Art von Zauberei“, die „Erfahrungen, Welt, Menschen und Gesellschaft ersetzen, hervorbringen und voraussehen lässt. Die Notwendigkeit der Vernunft gibt der erdachten Möglichkeit einen Schimmer von Wirklichkeit, haucht den vernünftigen Wünschen eine Art illusionären Lebens ein, lässt das uneinsehbare Wirkliche nicht herankommen, er­kennt es nicht an“ (ebd.). Arendt kritisiert eine Reflexion, die das Selbst nicht in seinen Weltbezügen, sondern das Ich in seiner Isolierung von der Welt erfasst. Diese Gegen­standslosigkeit des Denkens erzeugt, so Arendt, „einen Schein unbegrenzter Macht, in­dem es sich eben der Welt isoliert, an ihr sich desinteressiert, sich schützend vor den ein­zigen ‚interessanten‘ Gegenstand stellt: das eigene Innere. In der durch Reflexion geleiste­ten Isoliertheit wird es unbegrenzt, weil kein Außen es mehr behelligt, weil kein Handeln mehr verlangt wird, dessen Konsequenzen auch den Freiesten einschränken. Die Autono­mie des Menschen wird zur Übermacht der Möglichkeiten, an der jede Wirklichkeit ab­prallt. Die Wirklichkeit kann nichts Neues bringen, die Reflexion hat immer schon alles vorweggenommen. Selbst vor Schicksalsschlägen gibt es die Flucht in das eigene Innere, wenn jedes einzelne Unglück schon vorher zum schlechten außen überhaupt generalisiert ist, so dass der Schreck, diesmal und gerade diesmal getroffen zu sein, gar nicht erst aufkommen kann“ (Arendt 1983, 21) Wenn man also Benhabibs These, dass Arendt in ihrem Totalitarismusbuch eine „beispiellose Synthese von Philosophie und Politik“ (Benhabib 1998, 111) gelungen sei, dass „die Wiedergewinnung der öffentlichen Welt der Politik für ihr Denken nicht nur ein politisches, sondern auch ein philosophisches Projekt darstellte“ (Benhabib 1998, 96), aufgreift, dann muss man auch betonen, dass dies nur durch die kritische Absetzung von der Philosophie Heideggers möglich war. Diese findet in dem nachträglich eingefügten Abschnitt Ideologie und Terror der Elemente und Ur­sprünge totaler Herrschaft eine prägnante Ausformulierung. In ihr ist die Transformation des In-der-Welt-Sein von Heidegger vollzogen. Angesichts der geschichtlichen Ereignisse und in der Entdeckung der Grunderfahrung der Verlassenheit entfaltet Arendt ein neues politisches Welt- und Selbstverhältnis (Arendt 1986, 944-979). Die Entdeckung der Verlassenheit als einer neuen Grunderfahrung erfordert eine Revidierung des Welt- und Selbstverhältnisses, in dessen Zentrum der Begriff der Pluralität steht, der dann später in der Vita activa spezifiziert und kontextualisiert wird. Betrachtet man Arendts Schriften zwischen 1946 bis 1955, dann kann man sagen, dass sie spätestens in dieser Zeit ein neues Welt- und Selbstverhältnis entwickelt. Arendt hat das englische „Preface“ und die „Concluding Remarks“ in der späteren deutschen Ausgabe von Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1955) durch ein neues Vorwort und durch den systematischen Abschnitt Ideologie und Terror ersetzt. Sie erklärt dazu: „There were certain insights of a more general and theoretical nature which now appear to me to grow directly out of the analysis of the elements of total domination in the third part of the book, but which I did not possess when I finished the original manuscript in 1949” (Arendt 1958, XL). Die englischsprachige Erstausgabe enthielt weder die These, dass die totale Herrschaft eine neue Staatsform bildet, noch die Überlegung, dass mit dieser Herrschaftsform eine neue Grunderfahrung - die Verlassenheit - einhergeht. So stellt sich tatsächlich die Frage, die der Rabbiner Jeffrey Newmann auf der Arendt-Konferenz Politik und Verantwortung in London 2001 gestellt hat: „What happend between 1951 and 1955, between the first and second revised version of the ‚Origins of Totalitarianism‘, where she incooperated the final section of ‚Ideology und Terror‘? What was she after?“ Dass Arendt einem neuen Welt- und Selbstverhältnis auf der Spur war, deutet sich schon in ihrem Aufsatz Was ist Existenzphilosophie? (1946) und in ihrem Vortragsmanuskript Concern with Politics within recent European Philosophical Thought (1954) an. In beiden Schriften diskutiert sie die Philosophie nach Hegel unter dem Gesichtspunkt von Philosophie und Politik, Denken und Handeln und hebt die Bedeutung der Philosophie Heideggers für ihr Projekt hervor. Heideggers Philosophie liest sie als die erste wirklich „weltliche“ Philosophie: „[H]e insists on giving philosophic significance to structures of everyday life, that are completely incomprehensible, if men is not primarily understood as being together with others“ (Arendt 2008, 25). Andererseits bleibe Heidegger der Tradition verhaftet, weil bei ihm der öffentliche Raum als ein Ort gedacht werde, der die Realität und das Erscheinen der Wahrheit verhindert. Genau an diesem Punkt setzt Arendts Kritik an: „Thus we find the old hostility of the philosopher towards the polis in Heideggers analyses of average everyday life in terms of das man (the ‚they‘ or the rule of public opinion, as opposed to the ‚self‘) in which the public realm has the function of hiding reality and preventing even the appearance of truth” (Arendt 2008, 15). Nicht deshalb sei Heidegger zu kritisieren, weil er die Bestimmung des „Man“, das „Gerede“ als Öffentlichkeit bestimme, sondern weil er das, was ist, als Wesen der Öffentlichkeit ausgebe. Arendt stimmt diesen Analysen lediglich als „unterschwelligen Zeiterfahrungen“, als „begriffliche[n] Beschreibungen“ und als „prägnanteste Zusammenfassung bestehender Bedingungen“ zu (Arendt 1989, 15). Hier wiederholt Arendt erneut und in einem anderen Kontext, was sie in ihrem Aufsatz Was ist Existenzphilosophie? aus dem Jahr 1946 formuliert. Dort hebt sie hervor, dass die Mitmenschen bei Heidegger ein „zwar strukturell notwendiges, aber das Selbstsein notwendig störendes Element der Existenz“ sind. Gegen Heidegger und mit Kant und Jaspers stimmt sie darin überein, dass die Existenz „wesensmäßig nie isoliert“ ist: „sie ist nur in Kommunikation und im Wissen um andere Existenzen“. Nur „in dem Zusammen der Menschen in der gemeinsam gegebenen Welt kann sich die Existenz überhaupt entwickeln“ (Arendt 1990, 47). Für Arendt ist die „Kommunikation“ (Jaspers) beziehungsweise die „Mitteilung“ (Kant) die Bedingung der Möglichkeit für die Existenz des Menschen. Der Begriff der Kommunikation enthält im Ansatz einen neuen Begriff der Menschheit (Arendt, 1990, 47) Die Existenz ist für Jaspers wie für Arendt keine „Form des Seins“, sondern eine „Form menschlicher Freiheit“ (Arendt 1990, 41). Die Differenz zwischen Arendt und Heidegger besteht also nicht in einer perspektischen Auffassung der Welt (Heidegger 1986, 116; Jaeggi 1997). Für Heidegger war die Welt „immer schon“ per­spektivisch als „geworfener Entwurf“ des Horizonts ausgelegt (Heidegger 1986; Blättler 2003; Jaeggi 1997). Arendt teilt mit ihm die Auffassung, dass der Mensch schon immer In-der-Welt ist. Doch wie dieses In-der-Welt-sein zu verstehen ist, fällt bei ihr gänzlich anders aus. Der Unterschied liegt darin, dass Arendt die Konstituierung des Selbst und der Welt an eine mit anderen geteilte und verantwortete öffentliche Praxis rückbindet, weil innere Erfahrung an äußere Erfahrung gebunden ist (Arendt 1990, 38). Während bei Heidegger die Welt gegeben ist, ist sie für Arendt eine von Menschen zu erschaffende Welt (Arendt 2002, 549). Und es ist diese Differenz, die nicht nur den Ausgangspunkt für ihre Studie Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, sondern auch ihrer Philosophie des Politischen insgesamt bildet. Trifft dies zu, dann lässt sich Benhabibs These, dass Arendts Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft Heideggers Sein und Zeit sowohl in „ihrer kategorialen Struktur als auch in den speziellen phänomenologischen Beschreibun­gen verpflichtet“ sind, (Benhabib 1998, 121) nicht halten. Eine Analyse der Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft ist auf der Grundlage von Heideggers Philosophie nicht möglich, weil in dieser „Wahrheit“ oder „Sinn“ nur jenseits des öffentlichen Raums und damit jenseits der historisch-politischen Welt verortet werden. Heideggers Philosophie ist kategorial – bei aller Hin- bzw. Zuwendung zur „Alltäglichkeit“ – für eine Analyse der ge­sellschaftspolitischen Wirklichkeit unbrauchbar. Was Arendt mit anderen kritischen Schülern Heideggers, wie z.B. Herbert Marcuse oder auch Günther Anders, verbindet, sind vor allem zwei Dinge: einerseits die Begeisterung an einer Philosophie, die die Alltäg­lichkeit des Daseins ins Zentrum rückt, andererseits aber eine radikale Kritik an eben dieser Philosophie, die sich von gesellschaftspolitischen Wirklichkeiten abwendet und die Konstituierung des Selbst jenseits der Mitmenschen begreift. Spricht Günthers Anders von der „Pseudo-Concreteness of Heidegger’s Philosophy“ (Anders 1947/48), so sieht Arendt im Verständnis des Selbst als absoluter Vereinzelung bei Heidegger den Ge­genbegriff zum Menschen:

Wenn nämlich seit Kant das Wesen des Menschen darin bestand, dass jeder einzelne Mensch die Menschheit repräsentiert und es seit der Französischen Revolution und der Erklärung der Menschenrechte zum Begriff des Menschen gehörte, dass in jedem Einzel­nen die Menschheit geschändet oder gewürdigt werden konnte, so ist der Be­griff des Selbst der Begriff vom Menschen, in welchem er unabhängig von der Menschheit existie­ren und niemanden zu repräsentieren braucht als sich selbst – sei­ne eigene Nichtigkeit. (Arendt 1990, 37)

Dass zur Menschenwürde die Anerkennung seiner Mitmenschen oder unserer „Mit-Na­tionen als Subjekte, als Erbauer von Welten oder Miterbauer einer gemeinsamen Welt“ (Arendt 1999, 21) gehört, formuliert Arendt auch in den Abschließenden Bemerkungen der ersten Ausgabe von Origins of Totalitarianism. Im Unterschied zu Heidegger gilt für Arendt, dass der Menschen sich selbst mit und durch gleichberechtigte Andere die Welt aktiv aneignen muss, um frei zu sein. Deshalb hat der öffentliche Raum für sie eine erkenntnistheoretische und weltkonstituierende Funktion, weil Pluralität des öffentlichen Raums bedarf, um aktiv zum Ausdruck gebracht zu werden. Der öffentliche Raum wird zum epistemologischen Ausgangspunkt ihrer Analyse der totalen Herrschaft:

Angesichts dessen, dass der sogenannte Geist eines Zeitalters sich nirgends greif- und sichtbarer zeigt als in der eigentlichen politischen Sphäre, die durch ihre Öffent­lichkeit al­les in die allgemeine Sichtbarkeit zwingt, ist anzunehmen, dass wir in der Bestimmung der totalen Herrschaft zugrundeliegenden Erfahrung auch einige Grundzüge der Krise entdecken können, in der wir heute alle und überall leben“.(Arendt 1986, 944f.)

II. Pluralität als Conditio per quam

Die politische Bedeutung von Pluralität läßt sich an ihrer Negation verdeutlichen. Arendt gewinnt den Begriff durch ihre Analyse totaler Herrschaft. Der Terror – nach Arendt das Wesen totaler Herrschaft – zerstöre nicht nur den öffentlich-politischen und den privat-gesellschaftlichen Raum; er zerstöre überhaupt den Raum zwischen den Men­schen, d. h. jede Beziehung zwischen ihnen und damit sie selbst.  Die Konzentrations- und Vernich­tungslager begreift Arendt als die „zentrale Institution“ der totalen Herrschaft. In ihnen wurde der ungeheuerliche Versuch unternommen, die menschliche Natur selbst zu trans­formieren (Arendt 1986, 644), d. h. den Menschen die Fähigkeit zur Spontaneität im Den­ken und Handeln zu rauben (Arendt 1986, 912). Der fundamentale Anspruch auf to­tale Beherrschung der Menschen nimmt ihnen das spezifisch Menschliche – die Plurali­tät. Der Terror „fabriziert dieses Einssein von Menschen, indem er den Lebensraum zwi­schen den Menschen, der der Raum der Freiheit ist, radikal vernichtet“ (Arendt 1986, 958). Was übrig bleibt, ist der menschliche Zustand absoluter Verlassenheit:

In der Verlassenheit sind Menschen wirklich allein, nämlich verlassen nicht nur von anderen Menschen und der Welt, sondern auch von dem Selbst, das zugleich jeder­mann in der Einsamkeit sein kann. So sind sie unfähig, den Zwiespalt der Einsamkeit zu reali­sieren, und unfähig, die eigene, von den anderen nicht mehr bestätigte Identi­tät mit sich selbst aufrechtzuerhalten. In dieser Verlassenheit gehen Selbst und Welt, und das heißt echte Denkfähigkeit und echte Erfahrungsfähigkeit, zugleich zugrunde“ .(Arendt 1986, 977)

Diese These erschließt sich, wenn man sich den Begriff der Pluralität als Einheit von Gleichheit und Differenz als den zentralen Begriff in Arendts Philosophie des Politischen vergegenwärtigt. Arendt verwendet den Begriff schon in den Elementen und Ursprüngen totaler Herrschaft; (Arendt 1986) systematisch entfaltet wird er aber erst in Vita activa. Pluralität ist für Arendt nicht nur eine conditio sine qua non, sondern auch eine conditio per quam menschlichen Zusammenlebens. Zunächst trägt der Begriff der schlichten Tat­sache Rechnung, dass „nicht ein Mensch, sondern viele Menschen […] die Welt bevöl­kern“ (Arendt 2014, 17). Dabei ist die menschliche Pluralität kein Resultat einer unend­lich variierbaren Reproduktion eines Urmodells, sondern beinhaltet, dass zwar „alle das­selbe sind, nämlich Menschen, aber dies auf die merkwürdige Art und Weise, daß kei­ner dieser Menschen je einem anderen gleicht, der einmal gelebt hat oder lebt oder leben wird“ (ebd.). Arendt bezieht den Begriff der Pluralität sowohl auf das Selbst als auch auf die Welt. In einer Projektbeschreibung für die geplante Introduction into Politics für die Rockefeller Foundation schreibt sie:

In terms of human plurality, there exist two basic modes of being together: to be to­gether with other men and with ones equals from which springs action, and to be to­gether with ones self to which the activity of thinking corresponds. (Arendt 1993, 201)

Im Selbst ist die Pluralität, so Arendt, in Anlehnung an Platon und Sokrates, durch das „Zwei in Einem“ gegeben, dem stummen Dialog mit sich selbst (Platon). Oder im Sinne von Sokrates: Das Ich-bin-ich realisiert sich als Verschiedenheit in der Identität, wenn es sich nicht zu den erscheinenden Dingen, sondern zu sich selbst in Beziehung setzt. Das Selbst als Pluralität hat jedoch – und das ist für Arendt zentral – die Pluralität der Welt zur Voraussetzung, weil die Identität der Subjekte nur durch die Präsenz Anderer im öf­fentlichen Raum erfahren werden kann. Das Denken ist zwar dialogisch, es bedarf aber der Anderen – der Konfrontation mit der Welt –, um wieder zu Einem zu werden, weil dies durch die Denkfähigkeit selbst nicht geleistet werden kann (Arendt 1986, 976).3 Nur dem Anderen, so Arendt, erscheine „Ich“ als „Einer“: „ohne den Erscheinungsraum […] wäre für Menschen weder die Realität der Außenwelt noch die ihrer eigenen Identität je wirklich vorhanden“ (Arendt 2014, 203) Auf die Zerstörung der Pluralität durch den Ver­lust einer gemeinsamen öffentlichen Welt folgt die Unfähigkeit zu handeln, auf die Zer­störung der Pluralität im Selbst folgt die Unfähigkeit zu denken. Arendt umfasst diesen Prozess negativ in ihrem Begriff der Verlassenheit. Verlassenheit ist ein Zustand, in dem die Pluralität der Menschen sich weder als Selbst im Denken noch als Handeln in der Welt entfalten kann. Wenn das Faktum der Pluralität – als einer Vielzahl von Menschen, die Verschiedene sind – mit einer Pluralität von Perspektiven korrespondiert, die der ein­fachen Tatsache entspringt, dass jede und jeder einen nur ihr und ihm eigenen Ort in der Welt hat, dann wird mit der Zerstörung der Pluralität folgerichtig auch die Vielzahl der Perspektiven vernichtet, die die gemeinsame Realität erst konstituiert. Dies bedeutet schließlich, dass mit der Zerstörung der Pluralität die objektiven (der Bezug auf eine ge­meinsame Realität: die Welt) und subjektiven (das Selbst) Voraussetzungen politischer Urteilskraft nicht mehr gegeben sind.

 

III. Pluralität und Politik

Die Erfahrung der politischen Verwerfungen ihrer Zeit nötigte Arendt dazu, das Verständn­is von Politik einer grundsätzlichen Reflexion zu unterziehen. Neue Verständ­nisweisen politischen Zusammenlebens müssten als Antwort auf neue Ereignisse gefun­den werden. Nicht weniger als eine Reflexion des abendländischen Denkens des Politi­schen stand ihr vor Augen. Dabei galt ihr Erkenntnisinteresse an der Politik, wie sie dem Verle­ger Klaus Piper über ein mögliches Buchprojekt schrieb, weder einer „Einführung in die Staatswissenschaft“ noch etwa der „Politik als Wissenschaft“. Vielmehr interessierte sie „eine Einführung in das, was Politik eigentlich ist und mit welchen Grundbedingungen menschlichen Daseins das Politische zu tun hat“ (zit. nach Ludz 1993, 137). Als Bedingun­gen menschlicher Existenz benennt Arendt „das Leben selbst und die Erde, Natalität und Mortalität, Weltlichkeit und Pluralität“ (Arendt 2014, 21). Diese Conditio humana möchte sie aber nicht als Aussagen über das Wesen des Menschen oder die Natur eines Menschen verstanden wissen, denn „Menschen sind bedingte Wesen, weil ein jegliches, womit sie in Berührung kommen, sich unmittelbar in eine Bedingung ihrer Existenz wandelt“ (Arendt 2014, 18). Menschen sind bedingt nicht nur durch die „irdische Existenz“, sondern auch durch die Bedingungen bedingt, die sie selbst hervorbringen. Arendt erklärt dies wie folgt: „Zwar ist menschliche Bedingtheit in allen ihren Aspekten auf das Politische bezo­gen, aber die Bedingtheit durch Pluralität steht zu dem, dass es so etwas wie Politik unter Menschen gibt, noch einmal in einem ausgezeichneten Verhältnis; sie ist nicht nur die conditio sine qua non, sondern die conditio per quam“ (Arendt 2014, 17).

Bei allen begrifflichen Bestimmungen hebt Arendt hervor, dass diese nicht willkürlich sind, insofern sie den Phänomenen in der Wirklichkeit entsprechen, dass sie aber „ande­rerseits aus der Wirklichkeit gleichsam herauspräpariert und in begrifflicher Reinheit nur selten in ihr anzutreffen sind“ (Arendt 1994, 47). Ein verschärfter Blick auf politische Phänomene verlange eine Aufmerksamkeit gegenüber der Sprache bzw. der Mitteilung und damit auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit. Nicht neue Definitionen seien gefor­dert, sondern Unterscheidungen, die sich dem nähern, was sich in der Wirklichkeit offen­bart und ihnen korrespondiert. Genau diese Unfähigkeit, Wirklichkeiten wahrzunehmen, macht sie dafür verantwortlich, dass das Politische nicht nur auf Herrschaft reduziert wird, sondern auch mit einer Naturalisierung und Subjektivierung einhergehe. Zunächst aber unterscheidet Arendt in ihrer Aufsatzsammlung Between Past and Future im Essay „Truth and Politics“ zwischen zwei Formen von Politik: „the lowest level of human affairs“ and „the highest level of human affairs“: „The lowest level of human affairs2 wird be­stimmt als ob „the political realm were no more than a battlefield of partial, conflicting in­terest, where nothing counted but pleasure and profit, partisanship, and the lust for do­minion. In short, I have dealt with politics as though I, too, believed that all public affairs were ruled by interest and power, that there would be no political realm at all, if we were not bound to take care of life’s necessities“ (Arendt 1961, 263). Diese Verständnisweise von Politik untergrabe eine andere Dimension des Politischen, nämlich die Erfahrung „of the actual content of political life – of the joy and the gratification that arise out of being in company with our peers, out of acting together and appearing in public, out of inserting ourselves into the world by word and deed, thus acquiring and sustaining our personal identity and beginning something entirely new“ (ebd.). Die Reduzierung des Politischen auf Herrschaft überlagert diese zweite Erfahrung des Politischen, die Arendt in einer Art rettender Kritik begrifflich zu fassen versucht. Galt die Frage des Politischen oder der Politik immer der traditionellen Frage: „Wer herrscht über wen und über wie viele?“, so spürt Arendt Erfahrungen im Politischen nach, in denen „Politik“ „von dem Zusammen- und Miteinander-Sein der Verschiedenen“ (Arendt 1993, 9) handelt. An anderer Stelle heißt es, dass „unter dem Politischen“ ein „Weltbereich“ verstanden werden müsse, „in­dem Menschen primär als Handelnde auftreten und menschliche Angelegenheiten eine ihnen sonst nicht zukommende Dauerhaftigkeit verleihen“ (Arendt 1993, 15). Oder sie formuliert, dass der „Raum des Politischen“ „durch das Freisein“ entstehe, in dem die Gabe der Freiheit, des Anfangenkönnens, zu einer greifbaren Realität wird“ und „zusam­men mit den Geschichten die das Handeln erzeugt“ (Arendt 1994a, 225). „Freiheit“ sei schließlich ohnehin „tatsächlich der Grund, warum Menschen überhaupt politisch organi­siert zusammenleben“ (Arendt 1994b, 231).

So die – in gewisser Hinsicht – apodiktischen Bestimmungen des Begriffs von Politik durch Arendt, die verständlicher werden, wenn man sie in Beziehung setzt zu den wir­kungsmächtigen Politikbegriffen von Aristoteles und Carl Schmitt, wenngleich diese in verschiedenen Zeiten entwickelt wurden und unterschiedliche gesellschaftspolitische Vor­aussetzungen haben. Setzt man diese in einen argumentativen Zusammenhang zu Arendts Begriff des Politischen, so scheint es zunächst wichtig, wie Arendt sich dem Phä­nomen des Politischen überhaupt nähert: Betrachtet man ihre „Rückerinnerungen“ (Arendt 1993, 41) an den traditionellen Begriff der Politik, so kritisiert sie nicht nur die Reduzierung auf Herrschaft  sondern auch deren Naturalisierung und Subjektivierung. Sie spricht von der „Aristotelische(n) Subjektivierung“ (Arendt 2002, 26) der Vorstellung, dass der Mensch selbst schon politisch sei. Hatte Aristoteles den Menschen als „zoon politikon“ und als „zoon logon echon“ bestimmt, so kritisiert Arendt die erste, nicht aber die zweite Bestimmung. Es gebe keine Natur oder ein Wesen des Menschen. Menschen sind für sie „bedingte Wesen“ (Arendt 2014, 16). Es „berechtigt uns nichts zu der Annah­me, dass der Mensch überhaupt ein Wesen oder eine Natur im gleichen Sinne besitzt wie alle andere Dingen“ (Arendt 2014, 17). Arendt wendet sich gegen eine „essentialisierende Darstellung des Menschen als eines ‚zoon politikon’“ (Jaeggi 1997, 29). „Als ob es im Menschen etwas Politisches gäbe, das zu seiner Essenz gehöre. Dies stimmt gerade nicht; der Mensch ist a-politisch. Politik entsteht in dem Zwischen-den-Menschen, also durch­aus außerhalb des Menschen. Es gibt daher keine eigentlich politische Substanz“ (Arendt 1993, 11). An die zweite Bestimmung „zoon logon echon“ von Aristoteles knüpft sie jedoch kritisch an. Was ist aber mit dieser Bestimmung gemeint? Aristoteles erklärt es so: „Über die Sprache aber verfügt allein von den Lebewesen der Mensch. Die Stimme nun bedeutet schon ein Anzeichen von Leid und Freude, daher steht sie auch den anderen Lebewesen zu Gebote; ihre Natur ist nämlich bis dahin gelangt, dass sie über die Wahrnehmung von Leid und Freude verfügen und das den anderen auch anzeigen können. Doch die Sprache ist da, um das Nützliche und das Schädliche klarzulegen und in der Folge davon das Ge­rechte und Ungerechte. Denn das ist im Gegensatz zu den anderen Lebewesen den Men­schen eigentümlich, dass nur sie allein über die Wahrnehmung des Guten und des Schlechten, des Gerechten und des Ungerechten und anderer solcher Begriffe verfügen. Und die Gemeinschaft in diesen Begriffen schafft Haus und Staat“ (Aristoteles 1981, 1253a, 10-18). Arendt greift die Bestimmung des zoon logon echon auf, übersetzt diesen Begriff aber weder mit Rationalität oder Vernunft, sondern fokussiert auf die konstitutive Praxis des Sprechens, „die in diesen Begriffen Haus und Staat schaffen“ und erweitert die­se Bestimmung durch den Gedanken, dass nicht nur mitgeteilt wird, was als gerecht oder ungerecht, nützlich oder schädlich erscheint, sondern Menschen „in all dem auch immer sich selbst mitteilen“ (Arendt 2014, 164). Damit werden auch die gesellschaftspolitischen Bedingungen, unter denen Menschen leben, unter individuellen Aspekten offenbart.

Im schärfsten Gegensatz zu Arendts Bestimmung von Politik aber steht Carl Schmitts Auffassung, dass das Politische in einer Freund/Feind-Logik bestehe, während sie formu­liert, dass das Politische „von dem Zusammen- und Miteinander-Sein der Verschiedenen“ (Arendt 1993, 9) handelt. Weshalb es trotzdem erhellend ist, diese gegensätzlichen Posi­tionen zu erörtern, liegt darin, dass beide eine Autonomie des Politischen vertreten und beide der Auffassung sind, dass der Begriff des Politischen kein Substanzbegriff ist, son­dern formal zu bestimmen sei. Beide waren der Auffassung, dass alles zum Gegenstand des Politischen werden kann (Schmitt 1979, 21). Während Schmitt in der Praxis des Eides einen Prüfstein des politischen Charakters erblickt, „dessen wahrer Sinn darin besteht, dass ein Mensch sich ganz einsetzt, oder sich durch einen Treueschwur eidlich (und exis­tenziell) verwandt macht“ (Schmitt 1979, 21f.), ist für Arendt das Recht, Rechte zu haben zunächst die Grundlage die allen Menschen als politisches Grundrecht zukommen muss, um dann nach politischen Prinzipien zu urteilen, wie z.B. nach dem Prinzip einer erweite­ren Denkungsart (Kant), das mit dem Konzept der Pluralität als Einheit von Gleichheit und Differenz korrespondiert.

Carl Schmitt begründet seinen Begriff des Politischen wie folgt:

Das Politische hat nämlich seine eigenen Kriterien, die gegenüber den verschiedenen, relativ selbstständigen Sachgebieten menschlichen Denkens und Handelns, insbe­sondere dem Moralischen, Äs­thetischen, Ökonomischen in eigenartiger Weise wirk­sam werden. Das Politische muss deshalb in eigenen letzten Unterscheidungen lie­gen, auf die alles im spezifischen Sinne politische Handeln zurückgeführt werden kann. Nehmen wir an, dass auf dem Gebiet des Moralischen die letzten Unterschei­dungen Gut und Böse sind; im Ästhetischen Schön und Häßlich; im Ökonomischen Nützlich und Schädlich oder beispielsweise Rentabel und Nicht-Rentabel. Die Frage ist dann, ob es auch eine besondere, aber von ihnen doch un­abhängige, selbstständi­ge und als solche ohne weiteres einleuchtende Unterscheidung als einfaches Kriteri­um des Politischen gibt und worin sie besteht. (...) Die spezifisch politi­sche Unter­scheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückfüh­ren las­sen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind. Sie gibt eine Begriffsbestim­mung im Sinne eines Kriteriums, nicht als erschöpfende Definition oder Inhaltsangabe. (...) Die Unterscheidung von Freund und Feind hat den Sinn, den äußersten Intensitäts­grad einer Verbindung oder Trennung, einer Assoziation oder Dissoziation zu be­zeichnen; sie kann theoretisch und praktisch bestehen, ohne dass gleichzeitig alle jene moralischen, ästhetischen, ökonomischen oder anderen Unterscheidungen zur Anwendung kommen müssten. (Schmitt 1979, 26).

Ich habe diesen Abschnitt so ausführlich zitiert, weil er den Gedankengang von Schmitt erläutert. Setzen wir Arendts Begriff des Politischen zu eben­dieser Bestimmung in Bezie­hung, so kann man sagen, dass Arendts Begriff des Politi­schen „als das Miteinander- und Zusammensein von Verschiedenen“ ebenfalls bean­sprucht, eine Autonomie des Politi­schen gegenüber anderen Gegenstandsbereichen zu be­nennen; der Begriff ist zugleich auch kein Substanzbegriff im Sinne eines Wesens oder ei­ner Natur des Politischen. Was Arendts Begriff aber im Unterschied zu Schmitts Begriff kennzeichnet, ist das Faktum der Pluralität als Einheit von Gleichheit und Differenz, wäh­rend Carl Schmitt von der Homo­genität ausgeht. Während Arendt mit dem Gedanken der Pluralität die Angewiesenheit der Menschen auf ihre Mitmenschen betont, um überhaupt frei sein zu können und folg­lich Politik und Freiheit in Beziehung setzt, so ist Carl Schmitt der Auffassung, dass es nicht gut ist, „dass der Mensch ohne Feind sei“ (Schmitt 1979, 146).

IV. Pluralität als Konstitutionsprozess lebendiger Macht

Impliziert der Begriff der Pluralität Gleichheit und Verschiedenheit der Menschen, so wird das „Unterschiedensein jeder Person von jeder anderen, die ist, war oder sein wird“ durch das Miteinandersprechen und Handeln offenbar. Denn es ist, so Arendt, „Men­schen eigen, sich selbst von Anderen zu unterscheiden (...) und damit schließlich der Welt nicht etwas mitzuteilen – Hunger und Durst, Zuneigung oder Abneigung oder Furcht -, sondern in all dem auch immer sich selbst“ (Arendt 2014, 164f.). Im Prozess des Mitein­andersprechens und Handelns vollzieht sich das Welt- und Selbstverständnis des Politi­schen.4 Es offenbart in der eigenen Wahrnehmung der Wirklichkeit einen Blick auf die Welt, in dem sich zugleich die Individualität der Person offenbart.  Genau hierauf bezieht sich Arendt, wenn sie vom Faktum der Pluralität der Menschen spricht – als einer Viel­zahl von Menschen, die Verschiedene sind; ihnen korrespondiert eine Pluralität von Per­spektiven auf die soziale Wirklichkeit, die der einfachen Tatsache entspringt, dass jede und jeder einen nur ihr/ihm eigenen Ort in der Welt hat. Aber, und das ist für Arendt ent­scheidend: Nur in der aktiven Auseinandersetzung mit gleichberechtigten Anderen entfal­tet und konstituiert sich die Pluralität der Menschen, weil sich das „Wer einer ist“ oder „Wer wir sind“ im Sprechen und Handeln offenbart. Arendt bindet die Identität an die Er­scheinung und damit an die Anderen, denen man erscheint. Über das Selbst als Identität verfügt man nicht, sondern man erfährt es durch und von Anderen: „Handelnd und spre­chend offenbaren die Menschen jeweils, wer sie sind, zeigen aktiv die personale Einzigar­tigkeit ihres Wesens, treten gleichsam auf die Bühne der Welt, auf der sie vorher so nicht sichtbar waren (...). Im Unterschied zu den Eigenschaften, was einer ist, (...), die wir be­sitzen und daher soweit mindestens in der Hand und unter Kontrolle haben, dass es uns freisteht, sie zu zeigen oder zu verbergen, ist das eigentlich personale Wer-jemand-jewei­lig-ist unserer Kontrolle darum entzogen, weil es sich unwillkürlich in allem offenbart, was wir sagen oder tun" (Arendt 2014, 219). Wenn Fragen des Selbstverständnisses, der Gleichheit, Identität und Differenz an die aktive Auseinandersetzung mit Anderen ge­knüpft ist, dann sind diese kontingent und veränderbar. Sie sind mit Homogenitätsvor­stellungen und Zuschreibungen essentialistischer Art nicht vereinbar. Das Politische wird hier als ein Miteinandersprechen und Handeln gedacht. Was sich durch dieses Miteinan­dersprechen und Handeln zeigt, offenbart nicht nur „wer einer ist“, sondern auch wer wir sind. Das Miteinandersprechen und Handeln enthält auch die Bedingung der Möglichkeit von, wie Arendt es nennt, „realisierter Macht“, nämlich dann, wenn „Worte und Taten un­trennbar miteinander verflochten erscheinen, wo also Worte nicht leer und Taten nicht gewaltmäßig stumm sind, wo Worte nicht missbraucht werden, um Absichten zu ver­schleiern, sondern gesprochen sind, um Wirklichkeiten zu enthüllen, und Taten nicht missbraucht werden, um zu vergewaltigen und zu zerstören, sondern um Bezüge zu eta­blieren und zu festigen, und damit neue Realitäten zu schaffen“ (Arendt 2014, 252).  Im Zwischen der Pluralität entspringt die Macht, so formuliert es Arendt im Denktagebuch.5 Macht kann nicht angeeignet werden, sie entsteht zwischen Menschen und sie verschwin­det, wenn diese sich trennen. Macht ist das „Urphänomen der Pluralität“ (Arendt 2002, 160). Die lebendige Macht umfasst das Handeln und Sprechen der Bürger, das „acting in concert“ wie Arendt es in Anlehnung an Burke, häufig benennt. Diese lebendige Macht bedarf der Vergegenständlichung in politischen Institutionen, Organisationen, Rechten und Gesetzen, um Dauer und Stabilität zu garantieren. Ohne diese Materialisierung von Macht kann sich politische Freiheit nicht entfalten, weil lebendige Macht selbst fragil ist. Arendt betont – in kritischer Anlehnung an Montesquieus Unterscheidung zwischen der Struktur der Regierung und dem Prinzip des Handelns - in ihren Schriften, dass jede Re­gierung, jede politische Organisation auf das lebendige Machtpotential angewiesen ist, weil sie ihm ihre Existenz verdankt. Sie verweist also auf die notwendige Vermittlung zwi­schen politischen Institutionen (also materialisierter Macht) und lebendiger Macht, weil die Institutionen ihnen ihre Existenz, Stabilität, Dauer und Begrenzung verdanken.6 Wird dieser Vermittlungszusammenhang zerstört, dann erscheint sie denen, die sie ins Leben riefen als „fremde Macht“, also als Herrschaft. Materialisierte Macht bedarf immer wieder der „neuen, aneignenden Interpretation und der reaktualisierenden Affirmation“ (Jaeggi 2009, 54) und Kritik. Diese neu aneignende Interpretation und reaktualisierende Affir­mation oder Kritik müssen die politischen Institutionen ermöglichen, die entweder diese bestätigen oder auf Veränderungen der institutionellen Ebene drängen. Wenn Macht und Pluralität in einem Konstitutionszusammenhang stehen, dann bedarf der Begriff des Politischen einer politischen Kultur der erweiterten Denkungsart. (Vgl. auch Benhabib 2013b)

V. Politische Kultur als Prinzip der erweiterten Denkungsart

Den Begriff der Pluralität verbindet Arendt mit einer kritischen Aneignung der reflektier­enden Urteilskraft von Kant, deren politische Bedeutung darin liegt, dass der Bezug auf die Perspektive Anderer konstitutiv für die eigene Wahrnehmung der Wirklichkeit und damit die Voraussetzung für die politische Urteilsbildung sein soll.

„Wenn es denn richtig ist, dass ein Ding in der Welt des Geschichtlich-Politischen wie in der Welt des Sinnlichen nur dann wirklich ist, wenn es von allen seinen Seiten sich zei­gen und wahrgenommen werden kann, dann bedarf es immer einer Pluralität von Men­schen oder Völkern und einer Pluralität von Standorten, um Wirklichkeit überhaupt mög­lich zu machen und ihren Fortschritt zu garantieren. Welt mit anderen Worten entsteht nur dadurch, dass es Perspektiven gibt, sie ist nur jeweilig als die so oder anders gesichte­te Ordnung von Weltdingen“ (Arendt 1993, 105).  

Die Verknüpfung der Pluralität mit dem Konzept reflektierender Urteilskraft bei Kant unterstreicht die aktive Begegnung mit gleichberchtigten Anderen. Wenn sich soziale Wirklichkeit durch die Pluralität der Perspektiven auf sie konstituiert, so können subjek­tive Sinnwelten, die „Subjektivität des Es-scheint mir“ dadurch aufgehoben werden, dass die Vielfalt der Perspektiven von Anderen auf den gleichen Gegenstand bei der Urteilsbil­dung berücksichtigt werden. Kant nennt dies die „erweiterte Denkungsart“, die Fähigkeit, „an der Stelle jedes anderen zu denken“. Mit dieser Form des Denkens erweitert und re­flektiert man die „Privatbedingungen“, d.h. die sozialen Voraussetzungen des eigenen Denkens. Man stellt sich vor, wie dieser Sachverhalt/Gegenstand aus einer anderen Per­spektive und unter anderen Bedingungen aussieht. Man reflektiert über sein eigenes Ur­teil, so Arendt in Anlehnung an Kant, wenn man von einem allgemeinen Standpunkt denkt, den man nur dadurch erreicht, dass man sich an den Standort Anderer versetzt.

Mit Hilfe der Einbildungskraft, die diese Form der erweiterten Denkungsart ermög­licht, kann ich mir den Standort der Anderen vergegenwärtigen: „den Platz, auf dem sie stehen“, die Bedingungen, denen sie unterworfen sind, die nie die gleichen, sondern „von Individuum zu Individuum, von einer Klasse und Gruppe zur anderen“ verschieden sind (Arendt 1985). Diese Verknüpfung von Pluralität und politischer Urteilskraft ist von ent­scheidender Bedeutung, um ein gleichberechtigtes Miteinander von Menschen zu ermög­lichen. Es hinterfragt tradierte Vorurteile und Traditionen, überprüft deren Gültigkeit un­ter gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Bedingungen und reflektiert auf die sozialen Voraussetzungen Anderer.

Dieser so vorgestellte Prozess politischer Urteilskraft kann als ein Aneignungsprozess interpretiert werden, in dem sich sowohl das Welt- und Selbstverständnis konstituiert, wenn man einen Standort in der Welt einnimmt, der nicht der eigene ist, und sich nun von diesem Standort aus, eine eigene Meinung bildet: „Je mehr solcher Standorte ich in meinen eigenen Überlegungen in Rechnung stellen kann und je besser ich mir vorstellen kann, was ich denken und fühlen würde, wenn ich an der Stelle derer wäre, die dort ste­hen, desto besser ausgebildet ist dieses Vermögen der Einsicht [...] und desto qualifizier­ter wird schließlich das Ergebnis meiner Überlegungen, meine Meinung sein“ (Arendt 1994c, 342).

Die Einbildungskraft ermöglicht also zweierlei: Sie schafft Distanz zu dem, was zu nah ist, und sie rückt Dinge in die Nähe, die zu fern sind. Damit befreien wir uns von unseren subjektiven Privatbedingungen und erreichen eine Unparteilichkeit jenseits von Objekti­vität. Um Missverständnissen vorzubeugen, schreibt Arendt explizit: „Verstehen in der Politik heißt nie, den Anderen verstehen (nur die weltlose Liebe ‚versteht‘ den Anderen), sondern die gemeinsame Welt so, wie sie dem Anderen erscheint“ (Arendt 2002, 451, Herv. v. wms). In der Operationsweise der politischen Urteilskraft soll der Urteilende die Meinungen und Perspektiven von gleichberechtigten Anderen berücksichtigen, aber – und das ist hier entscheidend – dies soll unter den Bedingungen, unter denen diese Mei­nungen geäußert werden, reflektiert werden, damit Fragen der sozialen Gerechtigkeit er­örtert werden.

Es geht also nicht einfach darum, sich andere Meinungen zu vergegenwärtigen, son­dern deren Voraussetzungen sollen mit reflektiert werden: dass man sich vorstellt, ob man unter diesen Bedingungen, die nicht die eigenen sind, an der eigenen Meinung fest­hält und/oder sein Urteil revidiert. Entscheidend ist also nicht, dass man Argumente um­drehen oder Behauptungen auf den Kopf stellen kann, sondern dass man die Fähigkeit entwickelt, „die Sachen wirklich von verschiedenen Seiten zu sehen, und das heißt politisch, dass man sich darauf [versteht; wm], die vielen möglichen, in der wirklichen Welt vorgegebenen Standorte einzunehmen, von denen aus die gleiche Sache betrachtet werden kann und in der sie, ihrer Selbigkeit ungeachtet, die verschiedensten Aspekte zeigt“ (Arendt 1993, 96f.; Herv. i.O.). Dabei ist es nicht hinreichend, dass „in ihr (der Welt; wms) die menschliche Stimme ertönt“, sondern dass die Welt zum „Gegenstand des Gesprächs“ wird (Arendt 1989, 41). Hannah Arendt unterstreicht hier, mit Adorno ge­sprochen, den Vorrang des Objekts, dass es in der Politik nicht um den Menschen, son­dern um die Welt geht (Arendt 1989, 41): „Wie sehr wir von den Dingen der Welt betrof­fen sein mögen, wie tief sie uns anregen und erregen mögen, menschlich werden sie für uns erst, wenn wir sie mit unseres gleichen besprechen können“ (Arendt 1989, 41).

Vermittels der „erweiterten Denkungsart“ bringen die Menschen die Weltlichkeit der Welt durch die jeweilig unterschiedliche Perspektive auf die Welt hervor. Zugleich enthül­len sie mit ihrem Urteil nicht nur ihre Sicht auf die Welt, sondern zeigen auch, ‚wer’ sie sind. Das heißt: das ‚Wer jemand ist’ zeigt sich nur im gemeinsamen Handeln der Vielen, in der Pluralität. Enthüllt sich im ‚Wer’ die Individualität eines Menschen, so wird durch das Sprechen dieser Person gleichzeitig enthüllt, wie er/sie die Welt sieht. Es geht um die Wahrheit der Meinung. Die Art und Weise, wie mir die Welt erscheint, ist nicht zufällig. Sie ist bedingt durch die Bedingungen, unter denen ich lebe; und genau diese Bedingun­gen können gleichberechtigte Andere durch die Freiheit der Einbildungskraft antizipie­ren, die zugleich die Bedingung der Möglichkeit enthält, an der Stelle eines anderen zu denken.  

An das hier skizzierte Verständnis von Gleichheit und Differenz als Pluralität kann eine kritische Theorie des Politischen anknüpfen, deren Handlungstheorie erstens die Selbst­auskünfte/Interpretationen der Adressat/innen im öffentlichen Raum zum epistemologi­schen Ausgangspunkt hat. Sie enthalten Hinweise für die Art und Weise, wie das jeweilige Welt- und Selbstverständnis sich in vorgängigen Differenzordnungen vollzieht, insofern die gesellschaftlichen Bedingungen und gesellschaftlichen Verhältnisse, unter denen sich diese Welt- und Selbstverständnisse bilden bzw. konstituieren, in ihnen enthalten sind. Dabei geht es nicht darum zu untersuchen, ob Individuen über ein ‚falsches’ oder ‚richti­ges Bewusstsein’ verfügen. Die Selbstauskünfte bzw. Interpretationen sollten vielmehr zum epistemologischen Ausgangspunkt gemacht werden, um zu untersuchen, unter wel­chen politischen Bedingungen sie entfaltet werden. Durch die Selbstauskünfte können Unrechtserfahrungen sowie gesellschaftlich bedingte Praktiken der Dehumanisierung thematisiert, artikuliert, reflektiert und kritisiert werden. Es kann identifiziert werden, welche Zugehörigkeiten und Identitätspositionen privilegiert werden und welche nicht. Sie geben Auskünfte darüber, welche Bedingungen (Klasse, Geschlecht, sexuelle Orientie­rung, Herkunft, Alter, Behinderung etc.), die gesellschaftlich strukturiert und bei jedem Menschen unterschiedlich sind, ausschlaggebend sind. Die Untersuchung des Selbstver­ständnisses der Bürger/innen als Untersuchung von Welt- und Selbstverständ­nissen würde zweitens auch Hinweise auf die gesellschaftlich notwendigen institutionel­len Veränderungen geben können, um ein „politisches Welt- und Selbstverhältnis“ zu er­möglichen. Damit würde eine weitere Dimension ins Blickfeld rücken: Sie muss nicht nur danach fragen, wie sie die subjektiven Voraussetzungen der Einzelnen für politische Teil­habe stärken kann; sie muss zugleich thematisieren, ob politische Institutionen/Organi­sationen sich durch „Lern- und Transformationsprozesse“ (Jaeggi 2009, 543) auszeich­nen, die gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung tragen.

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1 Ich übernehme hier den Begriff des „Konstitutionsprinzips“ von Dolf Sternberger zu Hannah Arendts Verständnis des Politischen, ohne alle Implikationen seiner Interpretation zu teilen. Sternberger, Dolf: Hannah Arendt, in: Ders.: Herrschaft und Vereinbarung, Frankfurt a.M. 1986, 188-192, 189; vgl. auch Schmitz, Hans-Gerd: Die perspektivistische Konstruktion des Politischen. Überlegungen zu Hannah Arendts Wirklichkeitsbegriff, in: Politisches Denken 2001, S. 18-31; vgl. hierzu auch Torkler, René: Philosophische Bildung und politische Urteilskraft, Hannah Arendts Kant-Rezeption und ihre didaktische Bedeutung, München 2014. Dort heißt es: „Pluralität ist für Arendt also kein Problem, das es politisch zu lösen gälte, sondern das zentrale konstituierende Moment des Politischen überhaupt.“ (S. 58)

*Professorin für politische und kulturelle Bildung an der Hochschule Niederrhein

2 Ihre Habilitationsschrift hat Hannah Arendt vor ihrer Flucht bis auf zwei Kapitel 1933 verfasst, die letzten beiden Kapitel schrieb sie 1938 (Arendt 1959, 1983, S. 7- 13).

3 Später formuliert Arendt: „Der schweigende Dialog indiziert Pluralität, aber Vorbild ist der Dialog mit einem Anderen. Nur weil ich mit Anderen sprechen kann, kann ich auch mit mir sprechen, d.h. denken. Ergo: Aristoteles hat unrecht: Der Freund ist nicht ein „anderes Selbst“, sondern das Selbst ist ein anderer Freund.“ (Arendt 2002a, 688); mit Fokus auf das dialogische Prinzip siehe Christina Thürmer-Rohr (2009): Das dialogische Prinzip im Denken Hannah Arendts, in: hannaharendtnet, Bd, 5, Nr. 1

4 Ähnlich argumentiert auch Rahel Jaeggi: „Die Frage nach dem Politischen ist die Frage nach den Bedingungen für ein gelingendes Welt- und Selbstverhältnis“ (Jaeggi 1997, S. 6).

5 vgl. auch Volk 2008, 138, 139, 141. Christian Volk diskutiert das Verhältnis von Macht und Pluralität in ordnungspolitischer Hinsicht.

6 Zu Arendts Montesquieu- Rezeption siehe: vgl. Meints-Stender, 2009, 2011, 2018.