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Ausgabe 1, Band 4 – Mai 2008

Seyla Benhabib: Die Rechte der Anderen. Ausländer, Migranten, Bürger. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2008, 226 S.

 

Seyla Benhabib greift in ihrem neuen Buch „Die Rechte der Anderen“ eines der zentralen politischen Themen unserer Zeit auf: Die Frage nach der politischen Zugehörigkeit. Anlass dazu gibt ihr das Dilemma, in dem sich Flüchtlinge und Staatenlose befinden, also jene Menschen, die ihre Staatsangehörigkeit verloren haben und von jeder politischen Zugehörigkeit ausgeschlossen sind. Zurecht weist sie auf den beklagenswerten Umstand hin, dass die Frage der politischen Zugehörigkeit bislang schwerpunktmäßig von Rechtswissenschaftlern und Juristen behandelt worden ist und fordert, dass sie sowohl auf die Agenda der politischen als auch sozialphilosophischen Diskussionen gehört, eben weil das Thema der „Migration zu einem der wichtigsten Themen unserer Zeit geworden ist“ (S. 7). Als Kennerin des Arendtschen Werkes weiß sie um die Dringlichkeit dieses Problems, das Hannah Arendt vor mehr als 50 Jahren aufgegriffen hat. Arendt forderte schon damals, dass das Thema der Flüchtlinge und die prekäre Lage von nationalen Minderheiten zu einem Gegenstand der politischen Wissenschaft werden müssen. Seyla Benhabib knüpft an diese Thematik an, weil sich die Situation verschärft hat. Allein im Zeitraum von 2000 bis 2005 stieg die Anzahl der Migranten, die sich außerhalb ihrer Herkunftsländer befanden, um 16 Millionen an und erreichte damit den Höchststand von 191 Millionen Migranten (S. 17).

Die besondere Schwierigkeit der Flüchtlingsthematik liegt darin begründet, dass die Flüchtlinge – einmal ihrer Zugehörigkeit zu einem politischen Gemeinwesen beraubt – zumeist auch den Schutz ihrer Menschenrechte verlieren. Darüber hinaus sind die Flüchtlinge nicht mehr Teil des demos, aus welchem, gemäß dem Grundgedanken der Volkssouveränität, sich die Legitimität der nationalstaatlichen Souveränität speist. Benhabib stellt zu Recht fest, dass die politische Theorie in der Spannung zwischen menschenrechtlichem Universalismus und nationalstaatlichem Partikularismus zu reduktionistischen Theoriebildungen neigt. Im Sinne des Universalismus wird eine supranationale Souveränität, beispielsweise durch die Schaffung eines Weltstaates, gefordert; partikularistische Ansätze neigen wiederum dazu, jedwede universelle Normgrundlage abzulehnen. Umso begrüßenswerter ist es, dass Benhabib mit ihrem diskurstheoretischen Konzept demokratischer Iterationen angesichts der Komplexität aber auch Widersprüchlichkeit sozialer, kultureller, rechtlicher und politischer Beziehungen nicht die Augen verschließt, sondern versucht, diese Spannungen in die Theorie mit einzubeziehen.

Die Rechte der Anderen ist in fünf Kapitel untergliedert, in denen sich Benhabib auf die Suche nach Auswegen aus dem Konflikt zwischen universellen Menschenrechten und partikularer Souveränität begibt. Sie setzt sich in diesem Zusammenhang kritisch mit den Theorien von Immanuel Kant, Hannah Arendt und John Rawls auseinander. Im ersten Kapitel geht es um Kants Weltbürgerrecht, das auf Bedingungen allgemeiner Hospitalität eingeschränkt sein soll. Das Recht auf Hospitalität betrifft die Beziehungen zwischen Einzelpersonen und ausländischen Staaten, im Unterschied zum Staatsbürgerrecht und zum Völkerrecht. Es soll dem Einzelnen ein Besuchsrecht für andere Staaten gewähren, das nur dann verwehrt werden darf, wenn den betroffenen Menschen dadurch nicht der „Untergang“ droht. Kant unterscheidet zwischen einem Gastrecht und einem Besuchsrecht. Das Gastrecht basiert auf einem „wohltätigen Vertrag“, der zeitlich begrenzt ist, während das Besuchsrecht allen Menschen zeitunabhängig zusteht und auf den gemeinschaftlichen Besitz der Oberfläche der Erde gegründet ist. Benhabib interpretiert das Besuchsrecht als ein temporär begrenztes Recht und das Gastrecht als einen dauerhaften moralischen Anspruch. „Das Gastrecht [begründet] einen moralischen Anspruch mit potentiell rechtlichen Folgen, das es die Pflicht, Ausländern ein temporäres Besuchsrecht zu gewähren, in einer republikanischen Weltordnung verankert.“ (S. 39) Ebenso wie das Kantische Recht auf Hospitalität ist laut Benhabib auch das „Rechte, Rechte zu haben“, das Arendt formuliert, auf souveräne Staaten angewiesen, die für dessen Einhaltung sorgen sollten. „Recht“ im ersten Satzteil meine bei Arendt einen „moralischen Anspruch auf Zugehörigkeit“, im zweiten Satzteil dann die Bürgerrechte. Der moralische Anspruch folge aus dem „moralischen Imperativ: ‚Behandle alle Menschen als Person, die zu einer Gruppe von Menschen gehören und Anspruch auf deren Schutz haben.’“ (S. 63, Hervorhebung von S. B.) Zusammenfassend folgert Benhabib, dass sowohl Kants Recht auf Hospitalität als auch Arendts Forderung nach einem Recht, Rechte zu haben, dieselbe „widersprüchliche Konstruktion“ zur Folge hätten. Auf der einen Seite stünden die letztlich von Kant und Arendt philosophisch nicht weiter begründeten universalistischen Rechtsansprüche, die auf der anderen Seite auf begrenzte politisch-rechtliche Bedingungen angewiesen seien, welche durch ihre Form der Inklusion gleichzeitig die Exklusion Anderer bewirkten (S. 71).

Im dritten Kapitel wendet sich Benhabib der Theorie der globalen Gerechtigkeit von John Rawls zu. Auch der Ansatz von Rawls sei zu sehr auf die Voraussetzung souveräner Nationalstaaten bezogen, weshalb Benhabib die radikaleren Ansätze globaler Gerechtigkeitstheorien von Thomas Pogge und Charles Beitz in die Diskussion mit einbezieht. Zentraler Ausgangspunkt für die Kritik am Konzept der globalen Gerechtigkeit bei Rawls ist für Benhabib die Aussage, dass „eine demokratische Gesellschaft, als ein vollständiges und geschlossenes soziales System“ (Rawls zitiert nach Benhabib, Hervorhebung von S. B.) zu betrachten sei (S. 78). In dieses System trete der Mensch, so Rawls, durch seine Geburt ein und durch den Tod aus. Die Vollständigkeit beziehungsweise Geschlossenheit einer demokratischen Gesellschaft liege in der Tatsache begründet, dass sie sich selbst genüge und allen wichtigen Lebenszwecken Raum böte. Von vornherein werde das Problem der politischen Zugehörigkeit bei Rawls außer Acht gelassen, was die Fixierung auf das staatszentrische Modell zu Folge habe. In der Verantwortung für das eigene Territorium habe das Volk schließlich das „qualifizierte Recht […], die Einwanderung zu begrenzen“. Benhabib kritisiert hieran, dass Rawls das Problem der Migration nicht aus der Perspektive einzelner Subjekte im Sinne des Kantischen Weltbürgerrechts, sondern aus der von Völkern angehe, welche ihrerseits von Rawls als sittlich homogene Gebilde dargestellt werden. Dagegen erklärt Benhabib, dass Völker keine vorhandenen Entitäten sind, sondern ihre Identität in einem lange währenden Prozess „konkurrierender und kontroverser Erzählungen“ herausbilden (S. 86). Pogge und Beitz lehnten ihre Theorie der globalen Gerechtigkeit nun zwar stärker an grenzüberschreitende Rechte an, machen deren Einforderung jedoch von Umverteilungsnormen für eine ökonomische Gerechtigkeit abhängig, worunter das Recht auf politische Zugehörigkeit laut Benhabib nicht subsumiert werden sollte. Benhabib teilt zwar Aspekte der Umverteilungstheorie, ordnet diese aber nicht generell den demokratischen Selbstbestimmungsrechten von Nationen über (S. 107).    

Im vierten Kapitel erläutert Benhabib in Anlehnung an die Diskursethik von Jürgen Habermas ihr eigenes diskurstheoretisches Modell für eine Begründung des Rechts auf politische Zugehörigkeit. Dies setze zunächst voraus, „nicht der einen oder anderen moralischen Alternative den Vorzug zu geben, sondern dieses Spannungsverhältnis [von Menschenrechte[n] einerseits und in Geschichte, Kultur und Gesellschaften verankerten Besonderheiten dieser rechtlich-bürgerlichen Gemeinschaft andererseits] anzuerkennen“ (S. 133). Im Zentrum dieser Spannung stünde ein „dialogischer Rechtfertigungsprozeß“, in welchem die Teilnehmenden mit vernünftigen Argumenten über die Gültigkeit und Anerkennung von Normen diskutieren könnten. Den Grundsatz einer postmetaphysische Rechtfertigung der Menschenrechte formuliert Benhabib folgendermaßen: „Um dir gegenüber die Rechtmäßigkeit bestimmter Handlungsnormen begründen zu können, muß ich deine Fähigkeit respektieren, mir mit Argumenten, die für uns beide gleichermaßen gelten, zuzustimmen oder zu widersprechen. Indem ich deine kommunikative Freiheit, mir mit guten Gründen zuzustimmen oder zu widersprechen, respektiere, respektiere ich deine Autonomie. Menschen- oder Grundrechte sind daher jene Normen, die die Autonomie und Freiheit des Individuums ermöglichen und fördern.“ (S. 132) Mit Hilfe des diskursethischen Prinzips ließe sich somit eine Neuformulierung der Grund- und Menschenrechte vornehmen, die insbesondere das Menschenrecht auf Zugehörigkeit begründe. Für die Nationalstaaten bedeute dies, dass sie das Recht auf Einbürgerung nicht grundsätzlich verwehren dürfen. Die Anerkennung der kommunikativen Freiheit des Anderen setze voraus, dass deterministische beziehungsweise schicksalhafte Faktoren wie Rasse, Geschlecht, Religion, Ethnie, Sprache oder Sexualität keine triftigen Gründe für den Ausschluss von einer politischen Gemeinschaft seien (S. 138ff.). Andere Gründe jedoch, wie Aufenthaltsdauer, Sprachkompetenz, politische und kulturelle Kenntnisse, materielle Ressourcen oder arbeitsmarktfähige Qualifikationen seien akzeptabel, um einem Ausländer die angestrebten Bürgerrechte nicht zu gewähren, weil sie nicht dem beiderseitigen Recht auf kommunikative Freiheit zuwiderliefen (S. 139). Benhabib beanstandet vor allem das Fehlen oder die Undurchsichtigkeit von Einbürgerungsverfahren – also den Verstoß gegen ein Rechtsprinzip, nicht aber, dass die Staaten auf unterschiedliche Weise ihre Rechtsordnungen auslegen. Benhabib will damit dem kritischen Einwand, dass dem Souverän eine Rechtsordnung aufgezwungen werde, vorbeugen. Die Nationalstaaten könnten demnach auch weiterhin unterschiedliche Kriterien für die Einbürgerung festlegen, solange sie sie nicht prinzipiell verbieten.

Im Hinblick auf die Durchsetzung des Rechts auf politische Zugehörigkeit befürwortet Benhabib die gegenwärtigen rechtlichen Entwicklungen in der Europäischen Union, an denen sich eine zunehmende Abkoppelung der Bürgerrechte von der Staatsangehörigkeit zeigen ließe. Nationale und kulturelle Herkunft seien für einen Unionsbürger keine Hemmnisse mehr, um beispielsweise das aktive und passive Wahlrecht in kommunalen und europaweiten Wahlen zu beanspruchen (S. 153). In Kapitel 5 verbindet Benhabib das Recht auf politische Zugehörigkeit mit der Frage nach der Legitimität demokratischer Verfassungen. Auch hier zeige sich, dass die Frage der Zugehörigkeit das eigentliche Problem der Legitimierung sei (S. 172f.). Jede moderne Verfassung bezöge sich nicht auf spezifische Charakteristika ihrer Bürger, sondern auf das universelle Menschsein. Hiermit gingen schließlich normative Ansprüche einher, die die Demokratie überhaupt nicht erfüllen könne und den Bezug auf eine bestimmte Menschengruppe letztlich willkürlich erscheinen ließe. Gegen die Imagination einer Demokratie als homogenes Gebilde fordert Benhabib ein neues Demokratieverständnis – das der demokratischen Iteration. Demokratische Iterationen sind „jene komplexen, öffentlichen Debatten, Beratungen, und Auseinandersetzungen, in denen universalistische Rechte und Prinzipien von Institutionen des Rechts und der Politik wie von zivilgesellschaftlichen Organisationen diskutiert und kontextualisiert, angegriffen und verteidigt, reformiert und reformuliert werden.“ (S. 175) Durch Iterationsakte würden Identitätsbeschreibungen nicht nur wiederholt aufgegriffen, sondern gleichzeitig neu variiert, interpretiert und artikuliert werden. „Wir, das Volk“ bedeute im iterativen Sinne keine statische unveränderliche Größe, sondern eine politische Gemeinschaft, die ihr normatives, rechtliches und kulturelles Selbstverständnis in öffentlichen Debatten reflektieren und auch neuformulieren könne. Die starren Grenzen von Inklusion und Exklusion könnten mittels des iterativen Selbstverständnisses aufgebrochen werden, weil es durch ein verändertes kulturelles Selbst- und Zugehörigkeitsverständnis die Inklusion ehemals ausgeschlossener Bevölkerungsgruppen ermöglichen könne. Benhabib veranschaulicht diese Möglichkeit anhand dreier Beispiele – die Kopftuchdebatte in Frankreich, eine ähnliche Debatte in Deutschland und die Diskussion in den 1990er Jahren darüber, ob in Deutschland lebende Ausländer bei lokalen oder zum Teil auch regionalen Wahlen ein Stimmrecht erhalten sollten. Diese Beispiele haben, so Benhabib, sowohl im Hinblick auf die öffentlichen Debatten als auch auf die gerichtlichen Urteile gezeigt, dass die Vorstellung von einer homogenen Bevölkerung überkommen sei und es eine deutliche Inkongruenz zwischen den in Europa lebenden Ausländern, die zur Bevölkerung zählten, aber nicht zum demos, also den formell Staatsangehörigen, gebe (S. 203). In ihrer Schlussbemerkung plädiert Benhabib daher „für einen moralischen Universalismus und einen kosmopolitischen Föderalismus. Ich befürworte nicht offene, sondern bedingt durchlässige Grenzen. Flüchtlinge und Asylsuchende haben meines Erachtens das Recht, in ein Land einzureisen, doch hat das betreffende Recht seinerseits das Recht zu bestimmen, auf welche Weise sie eingebürgert werden können.“ (S. 213)            

An „Die Rechte der Anderen“ ließen sich aus kommunitaristischer beziehungsweise liberal-universalistischer Perspektive leicht Kritiken erheben. Erstere könnten monieren, dass eine allzu starke Permeabilität gemeinschaftlicher Grenzen, die unter anderem von diesen Grenzen abhängige Ausbildung einer gemeinschaftlichen Identität unterminiere, letztere, dass auch ein Modell der Iteration von Identitätsmerkmalen, nicht notwenig dazu führen müsse, dass der Andere in die politisch-rechtlichen Verhältnisse integriert oder darin anerkannt werde. Es könnte schließlich auch ein Ausschlusskriterium iteriert werden und der Andere ungehört bleiben, so dass nur eine übergeordnete Souveränität eine Anerkennung der Menschenrechte erfüllen könne. Wie auch immer hier gewertet wird, „Die Recht der Anderen“ zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Widersprüche, die zwischen den Theorieschulen gewöhnlich einfach aufrecht erhalten bleiben, in diesem Buch mitreflektiert und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob Benhabib das Kantische Besuchsrecht und die Forderung Arendts nach einem Recht, Rechte zu haben vorschnell aufgibt. Als erstes ist hier die Unterscheidung von Besuchsrecht und Gastrecht bei Kant zu nennen. Benhabib deutet Kants Weltbürgerrecht auf Hospitalität als ein temporäres Aufenthaltsrecht. Das Gastrecht begründe einen moralischen Anspruch, aus dem das Besuchsrecht folgen könnte. Kant unterscheidet das Gastrecht jedoch vom Besuchsrecht, um herauszustellen, dass es sich beim Besuchsrecht nicht um eine Wohltätigkeit handelt, sondern um ein Recht, das im „gemeinschaftlichen Besitz der Oberfläche der Erde“ begründet ist. Ein Recht, das damit begründet wird, Bewohner der Erde zu sein, kann nicht, wie Benhabib erklärt, temporärer Art sein. Die zeitliche Begrenzung betrifft insofern lediglich das Gastrecht, worunter Kant eindeutig nicht die Hospitalität versteht.1 Eine ähnliche Kritik lässt sich im Hinblick auf Arendts „Recht, Rechte zu haben“, erheben. Auch hier sollte unserer Ansicht nach von allen Schwierigkeiten im Hinblick auf die Frage der Durchsetzung eines Rechts nicht zu schnell darauf geschlossen werden, dass mit „Recht“ doch nur ein „moralischer Anspruch“ gemeint ist. Arendt verstand das „einzige Menschenrecht“ durchaus als ein positives Recht, das auf Vereinbarung und Garantie gegründet werden kann. „Gleich allen Rechten kann auch dieses Menschenrecht nur durch gegenseitige Vereinbarung und Garantie sich realisieren. Als Recht der Menschen auf Staatsbürgerschaft transzendiert es aber die Rechte des Staatsbürgers und ist somit das einzige Recht, das von einer Gemeinschaft der Nationen, und nur von ihr, garantiert werden kann.“2 Arendt hat in ihrem Buch „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ gezeigt, dass der Tod der juristischen Person der erste und entscheidende Schritt auf dem Weg zur totalen Herrschaft war.3 Vor diesem Hintergrund greift Arendt Kants Besuchsrecht auf und radikalisiert es zu einem Recht, Rechte zu haben. Diese Forderung enthält eine radikale Kritik an den existierenden Formen des Staatsbürgerrechts – sowohl des ius sanguinis als auch des ius soli.  Sie impliziert nicht nur die Entkoppelung des Staatsbegriffs von dem der Nation, sondern darüber hinaus die Konstitution einer transnationalen Staatsbürgerschaft, die jedem Menschen das Anrecht auf Zugehörigkeit zu einem politischen Gemeinwesen garantiert. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft kann sich heute weder auf das Territorial- noch auf das Abstammungsprinzip, sondern allein noch auf die Teilhabe in einem politischen Gemeinwesen und am täglichen Leben der Zivilgesellschaft gründen. Denn politische Zugehörigkeit kann nur heißen, dass die Menschen an den Angelegenheit der Welt Anteil nehmen können, dass sie also die Möglichkeit haben, „im Zusammenleben durch Sprechen, und nicht durch Gewalt, die Angelegenheiten des menschlichen und vor allem öffentlichen Lebens zu regeln“. Auf die Frage, wie denn die politische Gemeinschaft beschaffen sein muss, die unter den heutigen Bedingungen in der Lage ist, das Recht, Rechte zu haben, zu garantieren, gibt auch Benhabib keine Antwort. Gewiss weisen die Idee einer transnationalen Staatsbürgerschaft wie auch die einer globalen Zivilgesellschaft in die richtige Richtung, dennoch sind sie heute nichts weiter als abstrakte Ideen.

 

Waltraud Meints/Oliver Bruns

Anmerkungen

1 Kant, Immanuel: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, in: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1. Weischedel, Wilhelm (Hg.), Frankfurt a. M. 1977, S. 213.

2 Arendt, Hannah: Es gibt nur ein einziges Menschenrecht, in: Die Wandlung IV, 1949, S. 770.

3 Arendt: Elemente und Ursprünge, a.a.O. S. 922